
© dpa/Boris Roessler
Erneut keine Anpassung: EZB lässt Leitzinsen unverändert – doch die Sorge um Frankreich ist groß
In einer weiter unsicheren Lage hält die EZB am Leitzins von 2,0 Prozent fest. Sorge macht allerdings die Regierungskrise in Frankreich. Was das für Kredite, Sparzinsen und den Alltag der Verbraucher bedeutet.
Stand:
Schon im Juli hatte die EZB die Leitzinsen nicht angetastet – nicht zuletzt wegen des „außergewöhnlich unsicheren Umfelds“ im Zollstreit mit den USA, wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde damals betonte. Nun hat Europa es mit einer Regierungskrise in Frankreich zu tun. Die Sorge ist groß, dass die Verschuldung der zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft außer Kontrolle gerät.
In diesem Umfeld verharrt die Notenbank nach einer Serie von Zinssenkungen in Abwartehaltung. Zuvor hatte die EZB die Leitzinsen achtmal binnen eines Jahres herabgesetzt. Noch im Frühjahr 2024 lag der Einlagenzins, den Banken erhalten, wenn sie Geld bei der EZB parken, doppelt so hoch bei 4,0 Prozent.
Viele Ökonomen erwarten, dass die EZB die Zinsen in diesem Jahr nicht mehr antasten wird: Die ausufernde Inflation ist unter Kontrolle – im August lag die Teuerungsrate im Euroraum mit 2,1 Prozent im Zielbereich der EZB – und die Wirtschaft im Euroraum trotz höherer US-Zölle robust. Und angesichts der vielen Krisen spricht viel dafür, dass sich die Notenbank alle Optionen offen halten will.
Vorerst Ruhe im Zollstreit
Zwar bleibt US-Präsident Donald Trump unberechenbar, doch das Szenario einer Eskalation im Zollstreit und einem Schock für die Wirtschaft blieb aus. Noch im Frühjahr hatten manche Notenbanker, gerade aus Südeuropa, wegen Sorgen um die Konjunktur für weitere Zinssenkungen plädiert.
Niedrigere Zinsen stützen die Wirtschaft, da Kredite für Unternehmen und Verbraucher damit tendenziell günstiger werden. Sparer sind dagegen im Nachteil: Bekommen Banken weniger Zinsen für bei der EZB geparkte Gelder, senken sie zumeist die Tages- und Festgeldzinsen für ihre Kundenschaft.
Doch das Vergleichsportal Verivox sieht eine Trendwende: Erstmals seit Februar 2024 seien die Durchschnittszinsen bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote gestiegen auf zuletzt 1,28 Prozent. Auch beim Festgeld kletterten die Zinsen über alle Laufzeiten wieder.
Bangen wegen Frankreichs Schulden
Während die Inflation eingedämmt ist, droht der EZB mit Frankreich ein neuer Krisenherd. Die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen sind deutlich gestiegen: Die Rendite zehnjähriger französischer Anleihen liegt über der von Papieren aus Griechenland. Neue Schulden werden für Frankreich immer teurer.
Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Deutschlands Nachbarland mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. Frankreichs Haushaltsdefizit lag zuletzt mit 5,8 Prozent weit über dem europäischen Grenzwert von 3,0 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Kauft die EZB wieder Staatsanleihen?
An den Finanzmärkten wird spekuliert, ob die EZB Frankreich mit Anleihenkäufen stützen würde. Die Notenbank kann im Rahmen ihres Programms TPI („Transmission Protection Instrument“) im Krisenfall unbegrenzt Anleihen einzelner Eurostaaten kaufen. Dafür gibt es aber hohe Hürden: Gedacht ist das Instrument für den Fall, dass die Zinsen für Wertpapiere eines Eurostaates durch Finanzspekulation unverhältnismäßig stark hochschnellen.
Zudem traut die Europäische Zentralbank der Wirtschaft im Euroraum in diesem Jahr etwas mehr Wachstum zu als noch vor drei Monaten. Das Bruttoinlandsprodukt in den 20 Ländern mit der Gemeinschaftswährung dürfte im laufenden Jahr nach jüngster EZB-Prognose um 1,2 Prozent zulegen. Im Juni hatte die Notenbank noch 0,9 Prozent Wachstum vorhergesagt.
Die Wirtschaft in der Eurozone erweist sich damit trotz der erhöhten US-Zölle robuster als erwartet. Mit dem Zollabkommen zwischen Brüssel und Washington ist das Schreckensszenario einer Eskalation im Handelsstreit mit Gegenzöllen und einem Schock für die Wirtschaft in Europa ausgeblieben.
Ihre Wachstumsprognosen für 2026 senkte die EZB leicht von 1,1 Prozent auf 1,0 Prozent, für 2027 erwartet die Notenbank unverändert 1,3 Prozent Plus. Für Auftrieb dürften die geplanten Verteidigungsausgaben in Europa in Milliardenhöhe sorgen.
Inflation nahe EZB-Zielmarke
Die Inflation im Euroraum wird nach neuester Einschätzung der Notenbank in diesem Jahr mit 2,1 Prozent leicht über der Zielmarke von 2,0 Prozent liegen. Im Juni hatte die EZB noch eine Punktlandung vorhergesagt. Zuletzt hatte das Preisniveau zum Beispiel in Europas größter Volkswirtschaft Deutschland wieder leicht angezogen.
Wichtigste Aufgabe der EZB ist es, für einen stabilen Euro zu sorgen und so die Kaufkraft der Menschen zu erhalten. Erreicht sieht die Zentralbank ihr Ziel stabiler Preise mittelfristig bei einer Teuerungsrate von 2,0 Prozent im Euroraum.
Für 2026 erwartet die EZB nun einen durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise im Währungsraum um 1,7 Prozent. Bisher war sie von 1,6 Prozent ausgegangen. Für 2027 sagt die Notenbank eine Jahresinflation von 1,9 Prozent voraus. (dpa)
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