
© dpa/Lino Mirgeler
„Gibt keinen Grund, warum Bayern mehr hat als Hamburg“: Munich-Re-Chef will einige gesetzliche Feiertage abschaffen
Der Chef des Münchner Rückversicherers sieht Deutschland wirtschaftlich „im Abstieg“. Um das zu ändern, müsse man auch mehr arbeiten und dafür Feiertage streichen. Was bringt das volkswirtschaftlich?
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Die deutsche Wirtschaft kommt seit Monaten nicht richtig in Schwung. Auch das künftige Wachstumspotenzial erachten Fachleute aufgrund der demografischen Entwicklung hierzulande historisch gering. Einigkeit besteht in Politik wie Wirtschaft also darin, dass das Arbeitsangebot steigen muss. Durch mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland, weniger Teil- und mehr Vollzeitarbeit oder eine längere Lebensarbeit (zumindest in den Berufen, die das erlauben).
Der Munich-Re-Chef Joachim Wenning hat nun einen weiteren Vorschlag gemacht, wie die Beschäftigung steigen soll. Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ schlug der Dax-Manager vor, „ein paar gesetzliche Feiertage“ zu streichen.
„Es gibt keinen Grund, warum Bayern deutlich mehr Feiertage als Hamburg oder Deutschland als viele andere Länder benötigt“, sagte Wenning. Er sei überzeugt davon, dass die Deutschen mehr arbeiten müssten, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Ökonomen prognostizieren leichten Wachstumseffekt
Die Idee ist weder neu noch historisch beispiellos. Der Buß- und Bettag wurde 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung abgeschafft.
Zuletzt flammte die Diskussion um eine Abschaffung von gesetzlichen Feiertagen im Herbst des vergangenen Jahres auf, als das Bundesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt der Bundesregierung und die Verschiebung der Coronahilfen in den Klimafonds für verfassungswidrig erklärte. Um die fehlenden Milliarden für die Transformation der Wirtschaft aufzutreiben, schlug der Ökonom und damalige Chef der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Guntram Wolff, vor, zwei gesetzliche Feiertage abzuschaffen. Weil die geleisteten Arbeitsstunden stiegen, würde sich das Arbeitsangebot so um fast ein Prozent und das Bruttoinlandsprodukt um 0,5 Prozent erhöhen.
Andere volkswirtschaftliche Untersuchung kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Ökonomen des Münchner ifo-Instituts bezifferten den Wachstumseffekt eines zusätzlichen Arbeitstages auf rund 0,18 Prozent des BIP, Bundesbank-Volkswirte auf 0,13 Prozent. Der Effekt beruht im Wesentlichen darauf, dass Unternehmen einen zusätzlichen Tag produzieren und der Staat so mehr Steuern einnehmen kann.
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Wie hoch das Potenzial ist, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. Etwa ob es sich bei der Abschaffung um einen beweglichen Feiertag handelt, der auf den immer gleichen Wochentag fällt wie den Oster- oder Pfingstmontag (beides bundesweit Feiertage) – und damit nicht ab und an auf einen Sonntag, der ohnehin arbeitsfrei ist.
Um die regionalen Unterschiede auszugleichen, würde sich zum Beispiel die Abschaffung von Fronleichnam als gesetzlicher Feiertag anbieten. Den feiern Katholiken stets an einem Donnerstag und können dafür in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie in Teilen Sachsens und Thüringens arbeitsfrei begehen.
Wenning für spätere Rente und Lockerung der Schuldenbremse
Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bewegen sich die Kosten für einen gesetzlichen Feiertag zwischen vier und acht Milliarden Euro. „Ein Feiertag weniger wäre ein kleiner Schritt in Richtung längerer Arbeitszeit und könnte zu einem Umdenken beitragen“, sagt IW-Ökonom Christoph Schröder.
Auch Munich-Re-Chef Wenning bezeichnete die Abschaffung einzelner Feiertage nur als eine Maßnahme von vielen. „Mehr arbeiten kommt nie gut an. Aber es wäre ein Beitrag zu der Lösung und hätte eine starke Signalwirkung“, sagte Wenning der „Süddeutschen Zeitung“. Zusätzlich sprach sich der Manager dafür aus, das Renteneintrittsalter zu erhöhen.
„Deutschland ist im Moment im Abstieg begriffen“, sagte Wenning. Das Wachstum und die Investitionen aus dem Ausland gingen zurück, die Infrastruktur sei an vielen Stellen marode. Von der Bundesregierung forderte Wenning daher einen Kurswechsel und zeigte sich dabei auch offen für eine Reform der Schuldenbremse. „Ich würde eine höhere Verschuldung jetzt in Kauf nehmen“, sagte der Munich-Re-Chef. Allerdings nur unter der Bedingung, dass es sich um investive Ausgaben handle.
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