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Wirtschaft: Gut gemeint – nichts passiert

Alle Parteien sind sich einig: Die Unternehmenssteuern sollen sinken, aber niemand weiß, wie

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Berlin - Das vorläufige Ende einer Steuerreform füllt ganze fünf Zeilen: „Die verschiedenen Vorschläge für eine Unternehmenssteuerreform“, ließ die Bundesregierung am Freitagnachmittag per Fax mitteilen, „wird eine Arbeitsgruppe der SPD prüfen und rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2006 ein Reformkonzept vorlegen“. Wer nach den Diskussionen der vergangenen Woche darauf gehofft hatte, dass Rot-Grün noch 2005 steuerlich attraktivere Bedingungen für Investoren schaffen wird, hat die Absage jetzt schwarz auf weiß. Stattdessen – meldete am Samstag „Der Spiegel“ – wolle Finanzminister Hans Eichel (SPD) nun auf europäischer Ebene aktiv werden und verhindern, dass Unternehmen ihre Gewinne in Länder mit niedrigen Steuersätzen verschieben. Was der „Spiegel“ berichtet, sei ein alter Hut und habe mit der Debatte in Deutschland nichts zu tun, konterte das Finanzministerium umgehend.

Die Debatte in Deutschland war am vergangenen Sonntagabend aufgeflammt – bei „Sabine Christiansen“. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), CDU-Chefin Angela Merkel und der neue BDI-Präsident Jürgen Thumann hatten sich vor einem überraschten Millionenpublikum darauf verständigt, die Unternehmenssteuern in Deutschland senken zu wollen. Auch der Kanzler war dafür. Im Laufe der Woche erwies sich jedoch, dass nicht nur das Publikum und Rot-Grün von Clements Ankündigung überrascht wurden. Auch Opposition und Wirtschaft haben offensichtlich nicht damit gerechnet, dass eine Steuerreform in diesem Jahr noch auf die politische Reformagenda gelangt. Fazit nach fünf Tagen Debatte: Alle sind für eine Reform, aber das Ziel ist unklar und der Zeitplan eher nach hinten verschoben. „Dass es überhaupt Gespräche gibt“, hieß es am Freitag beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ernüchtert, „ist bereits ein großer Schritt auf dem Weg“.

Worum es geht, ist hinlänglich bekannt: Weil sich solche Botschaften einem breiten Publikum besser erklären lassen, hat sich die Regierung in den vergangenen Jahren in erster Linie mit der Steuerlast von Einkommensbeziehern beschäftigt. Deren Tarife sind auf historische Tiefststände gesunken, was im Prinzip auch Mittelständlern, die keine GmbHs oder Aktiengesellschaften gegründet haben, nützt. An das sehr komplizierte Unternehmenssteuerrecht für die Kapitalgesellschaften hat sich Eichel allerdings kaum herangewagt. Noch immer herrschen dort Bedingungen, die es Unternehmen versüßen, ihr Geld aus der Firma herauszuziehen oder es von vorneherein im Ausland zu investieren. Jobs werden hierzulande so nicht geschaffen.

Aber wie soll die Reform aussehen? Beginnen wir bei der Union: Deren Bundestagsfraktion ist erst einmal grundsätzlich zu Gesprächen bereit. „Wenn die Bundesregierung etwas vorlegt, machen wir mit. Zu einem kosmetischen Gesetzentwurf reichen wir aber nicht die Hand“, sagte der neue parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Norbert Röttgen, dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Als Voraussetzung für eine Zusammenarbeit mit Rot-Grün nannte Röttgen allerdings, dass die Steuern tatsächlich gesenkt werden sollten. „Unter dem Strich muss eine deutliche Entlastung für die Unternehmen stehen.“ Eckpunkte dafür seien, dass die Belastung der Unternehmen unter 35 Prozent gesenkt wird, Kapital- und Personengesellschaften gleich behandelt werden, genau wie einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne. Ein eigenes Konzept will die Bundestagsfraktion im Laufe dieses Jahres vorlegen.

Dass sich selbst die Opposition mit forschen Ankündigungen zurückhält, hat vor allem zwei Gründe. Zum einen ist der Union die Gewerbesteuer, die die Firmen den Kommunen zahlen müssen, ein Dorn im Auge. Wie man die jedoch abschaffen soll, ohne die Städte zu verprellen, das wissen die Strategen der CDU nicht. Zum anderen fürchtet die Fraktion die Auseinandersetzung mit den eigenen Länder-Finanzministern. Denn wirkliche Steuersenkungen für Firmen führen zu Einbußen für die Länderkassen. „Steuerausfälle können wir uns nicht leisten.“, warnt aber nicht nur Sachen-Anhalts Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP).

Auch die Finanzpolitiker der Regierungskoalition wollen daher die Unternehmenssteuern nur dann senken, wenn im Gegenzug Subventionen und Abschreibungsmöglichkeiten gestrichen und die Bemessungsgrundlage verbreitert wird. Weil diese Basis, auf der die Steuerlast berechnet wird, in Europa allerdings sehr unterschiedlich ist, will Eichel vor einer Reform in Deutschland erst einmal die Entwicklung der EU-Gespräche zur Harmonisierung abwarten. Aber: Vor dem Jahresende erwarten selbst Optimisten keine greifbaren Beschlüsse aus Brüssel.

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