
© Armend Nimani/AFP
Keine neuen Coronahilfen: Ist die amerikanische Wirtschaft so stabil wie Trump behauptet?
Der US-Präsident hält weitere Unterstützungen in der Coronakrise vor unnötig, weil die heimische Wirtschaft so gut laufe. Einige Experten geben ihm da recht.
Stand:
Die Börsen hatte Trump am Dienstag nicht auf seiner Seite. Der Ankündigung des US-Präsidenten, vor der Wahl im November kein Konjunkturpaket mehr zu verabschieden, ließ den Dow Jones am Dienstag von einem 200-Punkte-Plus auf ein 300-Punkte-Minus abrutschen. Auch am Mittwoch konnten die Verluste zunächst nicht aufgeholt werden.
Trump, der seinen Erfolg auch gerne an der Entwicklung der Börse misst, begründete den Abbruch der Verhandlungen mit den Demokraten über Corona-Hilfen auch damit, dass sie schlicht nicht nötig seien. „Unsere Wirtschaft läuft sehr gut“, schrieb er bei Twitter. Die Börse sei auf Rekordniveau, Jobs und kämen ebenfalls in Rekordzahlen zurück. „Wir führen die Welt bei der wirtschaftlichen Erholung an.“ Hat er damit recht?
Arbeitslosigkeit stieg und fiel rapide
Zunächst ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen. Hier hat die Coronakrise die Schwächen des liberalen Arbeitsmarktes ohne systemische Hilfen wie das Kurzarbeitergeld zutage gefördert. Von März auf April war die Zahl der Arbeitslosen in den USA sprunghaft von sieben auf 23 Millionen gestiegen. Die Erholung ist hier zwar tatsächlich rekordverdächtig schnell – doch mit 13 Millionen Arbeitslosen liegt die Zahl immer noch weit über dem Vorkrisenniveau.
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Im historischen Vergleich sei die Zahl der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung immer noch sehr hoch, heißt es im Herbstbericht des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Zudem sei der Aufschwung branchenabhängig: „Während im Produzierenden Gewerbe und im Einzelhandel nur noch etwa fünf Prozent weniger Menschen arbeiteten als vor der Pandemie, liegt die Beschäftigung im Freizeit- und Gastgewerbe immer noch um knapp 25 Prozent unter dem Februarwert des laufenden Jahres.“
Weniger BIP-Minus als Deutschland
Das IfW spricht insgesamt von einer kräftigen Erholung, die aber an Fahrt verloren hat. Im dritten Quartal dürfte sich das demnach in einem Wachstum von rund sechs Prozent niederschlagen; die Zuwächse in den Folgemonaten würden jedoch geringer ausfallen. Teilweise seien die Verluste aus dem Frühjahr aber schon im Juli wieder aufgeholt worden.
Auf das gesamte Jahr gesehen gehen die Ökonomen in Kiel davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt der USA um 4,1 Prozent schrumpft. „Das ist ein heftiger Einbruch, aber in der Tat fällt er weniger stark aus als in der Europäischen Union mit minus 6,7 oder in Deutschland mit minus 5,5“, sagt Philipp Hauber, IfW-Experte für internationale Konjunkturentwicklung.
Positive Frühindikatoren
Auch andere Ökonomen können Trumps Einschätzung nachvollziehen, wonach ein neues Hilfspaket nicht dringend notwendig sei. „Die Vorlaufindikatoren weisen auf eine stabile Erholung trotz weiterhin hoher Zahl der Neuinfektionen hin“, sagt Galina Kolev vom Institut der Deutschen Wirtschaft im Köln (IW) dem Tagesspiegel. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe liege seit Juli über der Expansionsschwelle von 50 Punkten und betrug demnach vergangenen September 53,2 Punkte, was auf die stärkste Expansion seit Januar 2019 hindeutet. Im Dienstleistungssektor sehe es ähnlich aus.
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„Solange die Aussichten positiv bleiben, können es sich die USA leisten, mit neuen Unterstützungsmaßnahmen abzuwarten, zumal die bereits umgesetzten Maßnahmen noch ihre Wirkung entfalten und die Staatsverschuldung so erheblich in die Höhe getrieben wurde“, meint die Wirtschaftsprofessorin der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden.
Im Kampf gegen die Auswirkungen der Corona-Pandemie hatte der US-Kongress im März das mit einem Umfang von 2,2 Billionen Dollar größte Hilfspaket der US-Geschichte beschlossen, den sogenannten Cares Act. Ende April folgte ein weiteres Hilfspaket im Umfang von fast 500 Milliarden Dollar. Doch zuletzt mehrten sich die Forderungen nach weiteren Unterstützungen. Die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, hatte rund 2,2 Billionen US-Dollar an neuen Hilfen gefordert.
Zahlreiche Stimmen fordern neue Hilfen
Auch Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, hatte kurz vor Trump Absage am Dienstag noch weitere Konjunkturmaßnahmen verlangt. Ohne ökonomische Anreize könne die wirtschaftliche Erholung scheitern, sagte er. „Zu wenig Unterstützung würde zu einer schwachen Erholung führen, was zu unnötigen Härten für Haushalte und Unternehmen führen würde.“
Auch der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden kritisierte Trumps Entscheidung: „Wenn Sie keinen Job haben, wenn Ihr Geschäft geschlossen ist, wenn die Schule Ihres Kindes geschlossen ist, wenn es in Ihrer Gemeinde Kündigungen gibt, hat Donald Trump heute entschieden, dass nichts davon für ihn wichtig ist“, hieß es in einer Wahlkampfbotschaft. Und sogar die republikanische Senatorin Susan Collins bezeichnete den Abbruch der Gespräche als „schweren Fehler“.
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In der Tat gibt es gute Gründe, sich für weitere Hilfen auszusprechen. Die anhaltend hohen Infektionsraten in den USA könnten weitere Einschränkungen mit sich bringen. Schon im Sommer hatten zahlreiche Investoren das Krisenmanagement Deutschlands als Vorbild für die USA bezeichnet. Denn gemessen an der eigenen Wirtschaftsleistung hat sich Berlin die Wirtschaftshilfen viermal mehr kosten lassen als Washington.
Vielleicht hat sich Trump auch schon wieder alles anders überlegt. Denn nur wenige Stunden nach seinem Ablehnungs-Tweet sprach er bei Twitter für gleich mehrere Direkt-Zahlungen an Bürger und Firmen aus. Zum einen forderte er Schecks über 1200 Dollar für Bürger, zum anderen 135 Milliarden für kleine Unternehmen sowie 25 Milliarden für strauchelnde Fluglinien. Ganz so groß scheint sein Vertrauen in die Erholung der US-Wirtschaft doch nicht zu sein.
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