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Auf den großen Online-Plattformen können betrügerische Unternehmen ungehindert Werbung machen

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Jeder zweite Fakeshop wirbt über Google: Wie Verbraucher online abgezockt werden

Ware, die bezahlt wird, aber nicht kommt. Minderwertige Produkte, die krank machen. Verbraucherschützer fordern mehr Schutz im Internet. Das Justizministerium will liefern.

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Politiker können die Alltagsprobleme von Verbrauchern oft gut nachvollziehen. So wie Frank Schwabe. Der SPD-Politiker ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustiz- und -verbraucherministerium. Er ist aber auch Stromkunde.

Über seinen Versorger hat sich der Mann aus dem nordrhein-westfälischen Waltrop kürzlich heftig geärgert. Nicht nur, dass das Unternehmen ihm drei Monate lang zu viel Geld abgebucht hat, auf der schließlich korrigierten Rechnung stand am Ende nicht etwa eine Erstattung, sondern eine Zahlungsaufforderung.

Schwabe platzte der Kragen, wie er am Donnerstag auf dem Deutschen Verbrauchertag in Berlin erzählte. Er rief an, versauerte in der „depressiv machenden Musikschleife“, bis er endlich mit einem Menschen verbunden wurde. Der erklärte sich aber sofort für nicht zuständig. „Mein Geld habe ich bis heute nicht“, erzählt Schwabe.

„Kontrollverlust im Kleinen“: Ramona Pop ist Chefin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.

© Tagesspiegel/Mario Heller

Verbraucherprobleme, sagt Schwabe, seien ein gesellschaftlich relevantes Thema. Das sieht auch Ramona Pop, Chefin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) so. Verbraucher hätten häufig ein „Gefühl von Kontrollverlust im Kleinen“, sagt die Verbraucherschützerin. Das schade dem Vertrauen in die Politik. „Die Menschen fühlen sich nicht gesehen“, kritisiert Pop.

Fakeshops: Man zahlt, aber bekommt nichts

Vor allem, wenn Menschen online kaufen, gibt es Probleme. Eine am Donnerstag vorgestellte Untersuchung des VZBV hat ergeben, dass jeder achte Bundesbürger in den vergangenen zwei Jahren auf einen Fakeshop hereingefallen ist. Das sind täuschend ähnlich aussehende Onlinehändler, die aber in Wirklichkeit Betrüger sind: Man zahlt, aber bekommt keine Ware.

Selbst Profis können in solche Fallen tappen. So hat auch Ramona Pop kürzlich beim schnellen Einkauf von Kinderspielzeug unterwegs Geld an einen Fakeshop gezahlt. „Zwei Wochen lang hieß es, das Produkt werde versendet“, erzählt Deutschlands oberste Verbraucherschützerin. Dann wurde Pop unruhig. Mit Mühe bekam sie schließlich ihr Geld zurück.

Hier finden Sie eine Liste mit Fakeshops

Das Problem: Auf den großen Plattformen wie Google, Facebook oder Instagram können Fakeshops ungehindert Werbung machen. Die Verbraucherzentralen führen eine Liste mit solchen betrügerischen Shops, die Verbraucher vor solchen Anbietern werden sollen.

Ein aktueller Marktcheck des VZBV hat ergeben: 50 Prozent der von den Verbraucherschützern untersuchten Fakeshops schalten Werbung auf Plattformen von Google oder Meta. „Es ist inakzeptabel, wenn Fakeshops über Werbung bei Google, Facebook oder Instagram auf sich aufmerksam machen können und Verbraucher:innen so auf Betrug hereinfallen“, kritisiert Pop.

Gefährliche Produkte von Temu und Shein

Doch nicht nur Fakeshops sind ein großes Problem. Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung der Stiftung Warentest ergab, dass viele Produkte, die auf den chinesischen Plattformen Temu und Shein angeboten werden, minderwertig oder gesundheitsgefährdend sind.

„Unsicheres Spielzeug, giftige Schwer­metalle in Schmuck, zu heiße Ladegeräte: Wir haben 162 Produkte von Temu und Shein getestet. 110 erfüllten nicht die EU-Stan­dards“, schreiben die Tester. Halsketten, die gefährliche Schadstoffe wie Cadmium enthalten, Ladegeräte für Handys, die statt der erlaubten 77 Grad bedenkliche 88 Grad erreichten.

Es ist inakzeptabel, wenn Fakeshops über Werbung bei Google, Facebook oder Instagram auf sich aufmerksam machen können und Verbraucher:innen so auf Betrug hereinfallen.

Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes

Ein Massenproblem: Nach Angaben der EU-Kommis­sion kamen im vergangenen Jahr rund 4,6 Milliarden Pakete mit geringem Waren­wert von außer­halb der Europäischen Union, also etwa zwölf Millionen pro Tag, nach Europa. Das sind doppelt so viele wie 2023 und etwa dreimal so viele wie 2022, gibt die Stiftung Warentest zu bedenken.

Nachdem bereits der Bundesverband der Verbraucherzentralen im vergangenen Jahr rechtlich gegen Temu und Shein vorgegangen war, hat jetzt auch die EU-Kommission ein Verfahren gegen den chinesischen Billighändler Temu eröffnet. Dabei geht es um den Verkauf von in der EU nicht zugelassenen Waren und die Verwendung von manipulativen Verkaufstricks. Temu droht eine Strafe in Höhe von sechs Prozent des Umsatzes, den die Plattform im Jahr weltweit macht.

Neben VZBV-Chefin Pop ist auch Staatssekretär Schwabe aus dem Bundesjustizministerium der Auffassung, dass Verbraucher besser bei Online-Geschäften geschützt werden müssen. Sie setzen große Hoffnung in den Digital Fairness Act, der unlautere Geschäftspraktiken im Internet verbieten soll.

Zu den „Dark Patterns“ zählen künstlich erzeugter Zeitdruck, Rabatte für Anschlusskäufe, farblich hervorgehobene Kaufbuttons und auf den Seiten versteckte Kündigungsmöglichkeiten. Die EU-Kommission will einen Entwurf Ende nächsten Jahres vorlegen.

Weiter ist man dagegen bereits beim Schutz vor unüberlegten Käufen auf Kredit. Buy now, pay later: Jetzt kaufen, später bezahlen. Vor allem junge Leute nutzen das gerne. Pop warnt vor einer Schuldenspirale.

Solche Kredite sollen künftig reguliert werden, eine entsprechende Umsetzung der europäischen Verbraucherkreditlinie nimmt das Bundesjustizministerium gerade vor und ist dazu in der Beratung mit den Abgeordneten. Kommen soll auch ein Instrument, das Kreditnehmern, die es sich anders überlegen, schnell Abhilfe bringt: ein Button im Internet, mit dem online geschlossene Kreditverträge einfach widerrufen werden können.

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