
© dpa/Jens Büttner
Kein Gehalt bei längerem Ausfall?: Ökonomen stellen bisherige Lohnfortzahlung bei Krankheit infrage
Weil sich Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall für Firmen seit 2010 mehr als verdoppelt haben, fordern arbeitgebernahe Ökonomen eine Deckelung der Kosten. Andere kritisieren den Vergleich.
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Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln fordert eine Reduzierung der Kosten von Unternehmen für erkrankte Beschäftigte. Eine Idee seien Karenztage, bei denen die Gehaltszahlung für mehrere Tage ausgesetzt oder das Gehalt für einen bestimmten Zeitraum auf niedrigerem Niveau weitergezahlt wird, erklärte IW-Ökonom Jochen Pimpertz am Donnerstag in Köln. Ein anderes Konzept sehe vor, die Entgeltfortzahlung für erkrankte Arbeitnehmer auf sechs Wochen im Jahr zu begrenzen.
Zur Begründung verwies Pimpertz, Autor einer entsprechenden IW-Studie, darauf, dass die Arbeitgeber im vergangenen Jahr geschätzt rund 82 Milliarden Euro für kranke Beschäftigte aufgebracht hätten. Die Summe der Entgeltfortzahlungen habe sich damit seit 2010 mehr als verdoppelt.
Für die Entgeltfortzahlung seien laut Bundesarbeitsministerium für erkrankte Arbeitnehmer 69,1 Milliarden gezahlt worden, rechnete das IW Köln vor. Hinzu kämen die Anteile am Sozialversicherungsbeitrag, die Unternehmen zusätzlich zum Bruttogehalt zahlen und die nur geschätzt werden könnten.
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Als Gründe für die Kostensteigerungen nennt die Studie neben einem höheren Krankenstand, dass die Zahl der Erwerbstätigen zugenommen habe und die Löhne gestiegen seien: „Selbst wenn der Krankenstand über die Jahre unverändert geblieben wäre, hätten Unternehmen mehr Geld für ihre erkrankten Mitarbeiter zahlen müssen.“
Geringer Anstieg bei Vergleich mit Bruttolöhnen
Der Ökonom Sebastian Dullien hält den Vergleich mit 2010 für nicht aussagefähig, weil das IW absolute und nicht preisbereinigte Werte über einen langen Zeitraum miteinander vergleiche. „Die Aufwendungen von Unternehmen für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind trotz im Durchschnitt älterer Belegschaften, neuer Erkrankungsrisiken wie Covid und besserer Diagnostik über die vergangenen anderthalb Jahrzehnte nur minimal gestiegen“, sagt der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
Setzt man die Ausgaben für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ins Verhältnis zu den gesamtwirtschaftlichen Bruttolöhnen und -gehältern zeigt sich: Der Wert von 3,4 Prozent im Jahr 2010 hat sich bis 2024 nur marginal auf 4,2 Prozent erhöht. Seit 2013 hat es praktisch keinen Anstieg mehr gegeben.
„Man muss sich wundern, warum angesichts dieser Zahlen gerade die Diskussion um vermeintlich hohe Belastungen durch die Lohnfortzahlung hochgezogen wird“, sagt Dullien: „Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier eine allgemeine Stimmung über vermeintlich hohe Sozialabgaben genutzt werden soll, um von Arbeitnehmenden zu Arbeitgebern umzuverteilen und Profite auf Kosten der Kranken in der Gesellschaft zu erhöhen.“
Wenn Beschäftigte erkranken, muss der Arbeitgeber für bis zu sechs Wochen das Gehalt weiterzahlen, bei einer anderen Diagnose beginnt diese Frist erneut. Dauert ein Ausfall länger, zahlt die gesetzliche Krankenkasse im Anschluss das Krankengeld. Ein langzeiterkrankter Arbeitnehmer hat bis zum Ende der 72. Woche Anspruch auf 70 Prozent des regelmäßigen Bruttoentgelts. (mit epd)
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