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Noch viel zu tun. Das vom BMG in Auftrag gegebene Konzept für ein Gesundheitsportal, ist bislang nicht umsetzbar.

© imago/Emmanuele Contini

Gesundheitsinformationen im Internet: Kompliziert, aufwendig und teuer

Das Konzept für ein Nationales Gesundheitsportal überzeugt das Bundesgesundheitsministerium nicht. Private Gesundheitsportale bieten Kooperation an.

Verständliche, zuverlässige und werbefreie Gesundheitsinformationen – die soll das neue Nationale Gesundheitsportal bieten, das die Bundesregierung derzeit plant. Laut Koalitionsvertrag und Digitalstrategie soll ein solches Portal bis spätestens im Jahr 2021 an den Start gehen. Ein erstes Konzept stößt jedoch auf wenig Zustimmung im zuständigen Bundesgesundheitsministerium (BMG).

Im vergangenen September hatte das Kölner Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des Ministeriums ein Konzept vorgelegt. Mit ihren Ideen lagen die Autoren des Papiers jedoch überraschend weit neben dem, was sich das Ministerium vorstellt. Das darin skizzierte Portal sei zu kompliziert, zu aufwendig und zu teuer und habe deshalb keine große Chance auf Umsetzung, ist unter der Hand aus dem BMG zu hören. Das Konzept werde gerade deutlich überarbeitet. Auf Anfragen, wie es mit dem Portal weitergeht, reagiert das Ministerium wortkarg: Man wolle es bis zum Ende der Legislaturperiode an den Start bringen. Zur Bewertung des vorliegenden Konzeptes, den weiteren Umsetzungsschritten oder möglichen Trägern werden keine Angaben gemacht.

Laut Konzept soll der Betrieb des Portals fünf Millionen Euro Kosten pro Jahr kosten

Wie teuer und aufwendig das Portal nach dem IQWiG-Vorschlag tatsächlich werden sollte, zeigen Zahlen aus dem Konzept. Rund 50 Mitarbeiter seien für den Betrieb nötig. Für die jährlichen Kosten veranschlagen die Autoren um die fünf Millionen Euro – wenn keine eigenen Inhalte erarbeitet werden müssen. Dann würde das Portal bereits bestehende Angebote zusammenführen, die die Kriterien evidenzbasiert – also dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprechend –, werbefrei und nichtkommerziell erfüllen. Sogenannte Content Partner könnten Portale wie patienten-information.de sein, das gemeinsam von der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung getragen wird, das Portal krebsinformationsdienst.de des Deutschen Krebsforschungszentrums oder das vom IQWiG selbst betriebene Portal gesundheitsinformation.de.

Diese Beispiele zeigen bereits ein weiteres Dilemma. Möglicherweise wird die geplante Website nicht einmal Nationales Gesundheitsportal heißen dürfen. „Wenn man jetzt einen Websitenamen reservieren will, der etwas mit Gesundheit zu tun hat, dann ist man chancenlos“, sagte Klaus Koch jüngst auf einer Veranstaltung der DAK in der Berliner Urania. Koch leitet beim IQWiG den Bereich Gesundheitsinformation und hat in dieser Funktion wesentlich am Konzept des Portals mitgewirkt. Und tatsächlich: Kurz nachdem im Jahr 2017 bekannt wurde, dass die Bundesregierung ein Nationales Gesundheitsportal errichten wolle, ging das Angebot DeutschesGesundheitsportal.de an den Start. Die Namensähnlichkeit sei reiner Zufall gewesen, meint Günter Beisel, dessen Gründer und Geschäftsführer. Er habe sich den Namen bereits 2016 reserviert. Sein Portal informiert in laienverständlicher Sprache über neueste Studienergebnisse. Der Ruf des Deutschen Gesundheitsportals ist jedoch ramponiert. Auf der DAK-Veranstaltung warfen mehrere Diskutanten dem Portal vor, dahinter stehe die Pharmaindustrie. Dabei seien alle Informationen seriös. „Kein einziger Beitrag auf dem Portal wurde von irgendjemandem bezahlt“, sagt Beisel. Er finanziere es aus eigener Tasche.

Viele privat betriebene Gesundheitsportale finanzieren sich teilweise durch Anzeigen. Aber ist ein Gesundheitsportal automatisch deswegen unseriös? Der Tagesspiegel hat drei der größten kommerziellen Gesundheitsportale in Deutschland, die sich auch über Werbung finanzieren – apotheken-umschau.de, netdoktor.de und onmeda.de – dazu befragt. Alle drei sehen keinen Widerspruch zwischen Seriosität der redaktionellen Inhalte und bezahlten Anzeigenplätzen. Denn die Redaktion und der Anzeigenverkauf seien streng getrennt, Werbekunden hätten keinerlei Einfluss. Und alle drei Portale könnten sich durchaus vorstellen, mit einem Nationalen Gesundheitsportal zu kooperieren.

Private Gesundheitsportale: Unsere Informationen sind seriös und von Anzeigen unabhängig

Apotheken-umschau.de zum Beispiel verarbeite „ausschließlich wissenschaftlich fundierte Informationen nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin, die in regelmäßigen Abständen überprüft werden“, sagt Dennis Ballwieser, Mitglied der Geschäftsführung des Wort & Bild Verlages, zu dem apotheken-umschau.de gehört. „Wir sind uns sicher, dass wir einer inhaltlichen Überprüfung standhalten würden und unsere Inhalte qualifiziert sind, in einem Nationalen Gesundheitsportal aufgenommen zu werden.“

Ähnlich lautet auch die Antwort des Portals netdoktor.de, das zur Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck gehört. Man erfülle seit langem die hohen Qualitätsstandards, die das Bundesministerium für Gesundheit jetzt von solchen Informationsangeboten fordere, sagt der Chefredakteur von netdoktor.de, Jens Richter. „Mir fehlt jeglicher Beleg für die Annahme, dass ein mit hohem Aufwand aus Steuergeldern finanziertes staatliches Gesundheitsportal den Bedarf der Internetnutzer besser beantworten kann.“ Zielführender wäre ein „Runder Tisch“, an dem sich die Experten des IQWiG und des Ministeriums mit den Betreibern der großen Gesundheitsplattformen auf Qualitätsstandards und eine Zertifizierung verständigten, die den Wettbewerb und die Informationsvielfalt nicht einschränkten, sondern förderten, sagt Richter.

Dabei könnte man von den Portalen gleich lernen, wie man die Sichtbarkeit bei Suchmaschinen wie Google erhöhen kann. Denn was nützen die verlässlichsten Informationen, wenn Nutzer, die oft nur die erste Trefferseite beachten, das Nationale Gesundheitsportal nicht finden? Apotheken-umschau.de hat zehn Millionen User im Monat, Netdoktor acht Millionen. Das Portal Gesundheitsinformationen.de vom IQWiG erreicht nach Angaben von Klaus Koch gerade mal rund eine Million Nutzer. Um Struktur, Inhalte und auch Kosten eines Nationalen Gesundheitsportals darf also anscheinend noch eine Weile gestritten werden.

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