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Daniela Cavallo ist Vorsitzende des VW-Gesamtbetriebsrats.

© dpa/Alicia Windzio

Konferenz der Böckler-Stiftung: Mitbestimmung als Teil der Lösung

Gewerkschaften diskutieren mit Politikern und Investoren über die Bedingungen am Standort Deutschland. Von der neuen Bundesregierung fordern sie vor allem auch Verlässlichkeit.

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Von einem Investmentbanker und Investor, immer den Shareholder-Value im Blick, hört man so etwas nicht alle Tage. „Ich bin ein absoluter Fan der Mitbestimmung“, outete sich Alexander Dibelius.

Der ehemalige Goldman-Sachs-Manager war hierzulande an so vielen Deals beteiligt wie kein Zweiter. Die Fusion von Daimler und Chrysler gehörte beispielsweise dazu, auch strittige Rettungsversuche bei Karstadt.

Inzwischen agiert Dibelius als Partner bei CVC Capital und setzt eigenes Geld ein. Der Prototyp des Kapitalisten in der globalisierten Welt trat in Berlin auf bei der alljährlichen Mitbestimmungskonferenz der gewerkschaftlichen Böckler-Stiftung. Mit Bekenntnissen zur Mitbestimmung und zum Markt provozierte Dibelius unterschiedliche Reaktionen.

Die ausschließliche Marktorientierung komme einer „Selbstaufgabe“ gleich, kommentierte der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak den Ansatz von Dibelius, der „uns die Probleme eingebracht hat“. Dazu gehörten der Klimawandel und überhaupt Ressourcenverschwendung sowie die Energieabhängigkeit von Russland.

„Mitbestimmung schafft Vertrauen“, unter diesem Motto stand die Tagung der Böckler-Stiftung, die sich mithilfe der Mitbestimmung finanziert: Die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten reichen den Großteil ihrer Tantiemen an die Stiftung weiter.

In den Aufsichtsräten wird um die besten Lösungen für das Unternehmen gerungen.

Investor Alexander Dibelius über die Mitbestimmung

Am weitesten geht die Mitbestimmung bei Volkswagen, wie VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo erläuterte. Das Land Niedersachsen hat als Aktionärin eine Schlüsselstellung, sodass die Kapitalseite sich in Pattsituation nicht mit der Stimme des Aufsichtsratsvorsitzenden durchsetzen kann. Im Aufsichtsrat, dem Cavallo angehört, sei man deshalb „zum Konsens gezwungen“.

Ohne diese spezielle Situation auf Grundlage des VW-Gesetzes würden Vorstandsentscheidungen nicht weiter reichen als die Vertragslaufzeit der Vorstandsmitglieder, sagte die Betriebsratschefin.

Der kooperative Ansatz bei VW sehe dagegen zu Jahresbeginn Standortstrategiegespräche und -symposien vor mit den Betriebsräten, die später in die Planungsrunden inklusive Investitionsentscheidungen einflössen. „Wenn wir das der Kapitalseite überlassen würden, gäbe es Verlagerungen ins Ausland und Standortschließungen“, sagte Cavallo.

Im Unterschied zum angelsächsischen Kapitalismus werde hierzulande in den Aufsichtsräten „um die besten Lösungen für das Unternehmen gerungen“, sagte Dibelius, der selbst Aufsichtsratsmandate wahrnimmt. „Wenn wir uns für etwas entschieden haben, dann wird es auch umgesetzt.“

So weit, so gut. Doch „langsam aber sicher“ verliere Deutschland den Anschluss im globalen Wettbewerb. Die Sozialpartner sollten gemeinsam überlegen, wie Wertschöpfung gehalten werden könne.

„Mit weniger Arbeit können wir nicht den Wohlstand sichern“, sagte der Investor und stellte Punkte vor zur Verbesserung der Standortqualität: günstigere Energie, weniger Bürokratie, Investitionsförderung, gute Lehrlingsausbildung und ein europäischer Wirtschaftsraum inklusive Banken- und Kapitalunion.

Der Nachhaltigkeitsbegriff müsse erweitert werden um die Wettbewerbsfähigkeit, sagte Dibelius.

Etwas anders formulierte es Alexandra Krieger von der IG Chemie, Bergbau, Energie. „Wir brauchen eine Verheiratung der einzelwirtschaftlichen Logik mit der gesellschaftlichen Logik.“ Dazu könne die Mitbestimmung beitragen, aber auch die Politik. „Auf der kurzen Strecke Luft lassen“, plädierte Krieger für eine flexiblere Handhabung der CO₂-Ziele.

„Die Menschen verbinden leider den ökologischen Wandel mit Zumutungen“, berichtete VW-Betriebsratschefin Cavallo aus Erfahrung. „Wir merken das in den Betrieben.“ Gleichzeitig verfingen die Parolen von Rechten wie der AfD, wonach der Verbrennungsmotor eine Zukunft habe und Veränderungen vermieden werden könnten.

Auf die Frage, worauf die neue Regierung sich konzentrieren sollte, mahnte Cavallo Verlässlichkeit an. „Sie müssen an einem Strang ziehen, damit Vertrauen entsteht.“ Grünen-Co-Chef Banaszak, gleichsam in der Rolle des Oppositionsführers, wäre schon froh, wenn das Merz-Kabinett „unfallfrei über die Woche kommt“.

Für Dibelius hat die Bundesregierung „eine letzte Kugel im Lauf“, nämlich die im Vergleich zu anderen Ländern relativ geringere Verschuldung. Das Geld dürfe aber nicht für ideologische Ziele „verkonsumiert“, sondern sollte „sachorientiert“ ausgegeben werden. Also so, wie Kapital- und Arbeitnehmervertreter in Unternehmen nach Lösungen suchten.

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