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Konjunkturprognose des DIW: „Sondervermögen bringt zwei Prozent Wachstum“
Im laufenden Jahr stagniert die Wirtschaft, weil sich die Verbraucher mit Ausgaben zurückhalten. DIW-Chef Fratzscher: Finanzpläne von Union und SPD sind ein „echter Gamechanger“
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Die deutsche Wirtschaft stagniert das dritte Jahr in Folge. Politische Unsicherheit durch die vorgezogene Bundestagswahl und die weltweiten Unwägbarkeiten nach der Machtübernahme Donald Trumps drücken auf die Stimmung.
Erst im kommenden Jahr erwartet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ein Wachstum von 1,1 Prozent. Mithilfe des geplanten Sondervermögens könnte das Wachstum auch stärker ausfallen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft etwa rechnet mit 1,5 Prozent.
In dem wachstumsstarken Jahrzehnt zwischen Finanzkrise und 2019 hatte der private Verbrauch rund zwei Drittel des Wachstums hierzulande getragen. Doch seit Corona, Energiepreiskrise und exorbitanter Inflation halten sich die Konsumenten trotz steigender Reallöhne zurück.
Das DIW erklärt die hohe Sparquote mit der „angespannten weltpolitischen Lage und Sorgen um den Arbeitsplatz“. Indes wird die Arbeitslosigkeit auch 2026 kaum steigen.
Das geplante Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen könnte für einen deutlich stärkeren Wirtschaftsaufschwung als prognostiziert sorgen.
Geraldine Dany-Knedlik, DIW-Konjunkturchefin
„Das geplante Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen könnte für einen deutlich stärkeren Wirtschaftsaufschwung als prognostiziert sorgen“, sagte DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlik. Allein das Sondervermögen werde das Bruttoinlandsprodukt in den nächsten zehn Jahren um durchschnittlich mehr als zwei Prozent pro Jahr anheben. Für 2026 erwartet das Institut eine um einen Prozentpunkt höhere Wachstumsrate als im Fall ohne Sondervermögen.
Das gewerkschaftliche Institut IMK hatte kürzlich einen ähnlichen Effekt ausgerechnet: Wenn der Staat in den kommenden zehn Jahren 600 Milliarden Euro in Verkehrs- und Energienetze, Bildung und Digitalisierung steckt, ergebe sich durch dieses Programm „ein kumulierter Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um bis zu 4750 Milliarden Euro“.
Ohne das geplante Finanzpaket liege das Potenzialwachstum der deutschen Wirtschaft nur bei 0,3 Prozent, hat das DIW berechnet. „Die Stärkung öffentlicher Investitionen und eine Reduzierung wirtschaftlicher Unsicherheiten sollten für die neue Bundesregierung oberste Priorität haben“, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher bei der Vorstellung der Konjunkturprognose.
Sondervermögen könnten „einen pragmatischen Ansatz bieten, um Deutschlands Investitionsschwäche zu kompensieren und die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu holen“.
Zwei Stellschrauben sind für die Wirtschaft dabei besonders relevant: die Beseitigung des Arbeitskräftemangels und die Belebung des privaten Konsums.
Marcel Fratzscher, DIW-Präsident
Der Ökonom plädierte für eine Reform der Schuldenbremse und anderer Rahmenbedingungen. „Zwei Stellschrauben sind für die Wirtschaft dabei besonders relevant: die Beseitigung des Arbeitskräftemangels und die Belebung des privaten Konsums.“
Die drei Millionen Schutzsuchenden müssten besser und schneller in Arbeitsmarkt und Gesellschaft integriert und die Hürden für die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten gesenkt werden.
Um sowohl die Binnennachfrage zu stärken als auch das Arbeitsangebot besser zu nutzen, seien gezielte Entlastungen für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen dringend nötig.
Die von Union und SPD vorgesehenen Maßnahmen wie die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags und ein späteres Greifen des Spitzensteuersatzes kämen nur den höheren Einkommensgruppen mit einer geringeren Konsumquote zugute, meinte der DIW-Präsident. Sinnvoller seien höhere Freibeträge in den Sozialversicherungen.
In diesem Jahr erwartet das Berliner Institut frühestens ab dem zweiten Quartal eine Belebung der Konjunktur, auch aufgrund der Unsicherheit über die künftige wirtschaftspolitische Ausrichtung. Da sich die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe seit Herbst langsam verbessere, sei man zuversichtlich, dass es „in der zweiten Jahreshälfte etwas aufwärtsgehen dürfte“, meinte DIW-Konjunkturchefin Dany-Knedlik.
Einen Anstieg der Inflation aufgrund der geplanten öffentlichen Investitionen erwartet das DIW nur „moderat“. Alles in allem seien die Pläne von Union und SPD ein „echter Gamechanger“, sagte Fratzscher.
Zweifel an der Solidität der deutschen Staatsfinanzen seien unbegründet, wie erste Reaktionen an den Kapitalmärkten zeigten. Die langfristigen Zinsen seien gestiegen, weil Investoren ein höheres Wachstum erwarteten.
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