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Der New Yorker Aktienmarkt hat einen seiner bisher schlimmsten Tage im Jahr 2018 erlebt.

© Richard Drew/AP/dpa

Konjunktursorgen: Abschwung ist kein Naturgesetz

Ob wir schon mitten im großen Crash stecken, der zum Abschwung führt, oder nur eine Korrektur der Kurse erleben, ist noch nicht ausgemacht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Deutschland geht es gut! Alle seriösen Statistiken und Prognosen sagen, dass die Wirtschaft hierzulande weiter wächst, auch 2019. Das ist eine Grundvoraussetzung für wachsenden Wohlstand der breiten Bevölkerung, für mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, für ein Leben in Würde – auch in späteren Jahren.

Auf der anderen Seite behaupten jetzt so viele, dass sie den Abschwung bereits riechen können: Die Wirtschaftsweisen haben ihre Prognose nach unten korrigiert, die Bundesregierung folgte dem gestern: Für das laufende Jahr rechnet sie nur noch mit 1,8 Prozent Wachstum, im Frühjahr war sie von 2,3 Prozent ausgegangen. Auch der Internationale Währungsfonds sieht die Weltkonjunktur weniger robust als bisher.

Auffällig ist: Alle begründen ihr Urteil mit den Folgen der Politik von Donald Trump. Diese Angst entwickelt eine böse Eigendynamik: Kein Kapitalanleger will der Frosch im Topf sein, der den Absprung verpasst, bevor das Wasser plötzlich kocht. Einige – nicht alle – Indizes belegen Fluchtbewegungen: Der deutsche Börsenleitindex Dax fällt auf seinen Stand von vor anderthalb Jahren. Der Goldpreis steigt weiter, ein Indiz dafür, dass Anleger weltweit ihr Geld in den angeblich sicheren Hafen Gold tragen – was übrigens nicht die allerbeste Idee ist.

Wir sehen klassische Kennzeichen eines Wirtschaftsbooms im Zenit. Die Inflationsrate steigt, eine Erhöhung des realen Volkseinkommens scheint kaum noch möglich. Das liegt auch am Fachkräftemangel: Es gibt eben nicht mehr die Leute, die all die Aufgaben erledigen könnten, die Unternehmer gern erledigen würden, um noch weiter zu wachsen. Fast jeder, der arbeiten kann, arbeitet heute. Außer viele Flüchtlinge. Darüber gilt es noch einmal nachzudenken.

Brexit - das Gift der Briten

Zwei Jahre hat es also gedauert, jetzt scheint das Konjunkturgift zu wirken: Das Gift der Briten, die im Juni 2016 mehrheitlich für den Brexit stimmten. Und eben das der US-amerikanischen Wahlleute, die Donald Trump zu ihrem Präsidenten kürten.

Immer wieder Trump. Ja, der Mann tritt auf wie ein pathologischer Narzisst, er ist gefährlich, seine Politik stellt viele Länder – auch sein eigenes – vor große Probleme. Aber er ist nicht vom Himmel gefallen. Träte er morgen zurück, würden viele Kurse steigen, genügend Probleme aber blieben. Trump ist eine rechte Antwort auf eine Krise des Kapitalismus, deren Bekämpfung bisher nur Linke für sich reklamiert hatten. Trumps Wahl ist, genau wie der Brexit, auch ein Ergebnis der Finanzkrise der Jahre ab 2008, auch eine Folge der Angst vor der wachsenden Dominanz Chinas.

Trump ist auch für Nicht-Amerikaner ein Messias im Kampf gegen die vom Westen zu lange, zu blind vorangetriebene Globalisierung, in der Arbeitnehmer zu immer kleineren Rädchen degradiert worden sind. Die wünschen sich nun von ihren Regierungen, dass diese wirksame Schutzmauern errichten, sich aufs Nationale, aufs Regionale besinnen. Die Sorgen sind berechtigt und legitim, Trumps Gegenmittel aber hat zu viele Nebenwirkungen, wie sich nun zeigt. Ein besserer Schlüssel für einen anhaltenden Aufschwung wäre: Offenheit! Offen sein für Menschen, für neue Produkte, für neue Ideen und neue Geschäftsmodelle.

Ob wir schon mitten im großen Crash stecken, der zum Abschwung führt, oder nur eine – durchaus gesunde – Korrektur der Kurse erleben, ist noch nicht ausgemacht. Die bis heute von einigen Ökonomen verbreitete Theorie der langen Konjunkturwellen, aufgestellt 1939 von Joseph Schumpeter, trägt in der Ära der Digitalisierung nicht mehr weit. Abschwung ist nicht zwangsläufig, kein Naturgesetz! Und es bedarf heute nicht der Verbreitung einer Basisinnovation wie der Dampfmaschine, um die Konjunktur neu anzufachen. Es braucht viele kleine Lösungen, Mut, Offenheit und Kreativität. Die Wirtschaft im fernen Australien zum Beispiel wächst ununterbrochen seit 27 Jahren. Mit und ohne Trump.

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