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Gesetzlich oder privat? Ohne diese Wahlmöglichkeit könnten Kassenmitglieder einiges sparen.

© Harald Tittel / dpa

Krankenversicherung: Wahlfreiheit für Beamte in vier weiteren Bundesländern

Nach Hamburg erhalten Beamte nun auch in vier weiteren Ländern Zuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung. Die Initiatoren sehen dafür großen Bedarf.

Hamburg war der Vorreiter, nun ziehen vier weitere Bundesländer nach. Vom kommenden Jahr an erhalten auch Beamte in Brandenburg, Bremen und Thüringen von ihren Dienstgebern einen hälftigen Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung – und in Berlin soll im ersten Quartal 2020 ebenfalls eine entsprechende Neuregelung in Kraft treten, die dann rückwirkend zum 1. Januar gilt. Bisher haben Staatsdiener nur Anspruch auf Beihilfe zur Krankenbehandlung, wenn sie privat versichert waren.

In den Genuss des Zuschusses kommen zum einen Staatsdiener, die bereits gesetzlich krankenversichert sind und ihre Beiträge bisher voll aus eigener Tasche bezahlt haben. Zum anderen werden angehende Beamte in den genannten Ländern nun auch ausdrücklich gefragt, ob sie sich privat oder gesetzlich absichern wollen, also die bisherige individuelle Beihilfe für Krankenbehandlung oder pauschale Beihilfe für eine gesetzliche Krankenkasse in Anspruch nehmen wollen. Diese Entscheidung ist dann verbindlich und nicht wieder rückgängig zu machen, sie gilt den Regelungen zufolge „unwiderruflich“. 

In Hamburg schon seit eineinhalb Jahren

In Hamburg gibt es diese Wahlfreiheit für Beamte bereits seit August 2018. Und die dortige Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) war schon nach neun Monaten von der Resonanz begeistert. Im März 2019 vermeldete sie, dass sich bereits mehr als 1000 Beamte und Versorgungsempfänger gesetzlich versichert hätten. In den unteren Besoldungsgruppen sei es sogar fast die Hälfte aller neuen Beamten gewesen. Die Zahlen zeigten, dass es „großen Bedarf für eine solche Regelung gibt“. Ein Jahr nach dem Start waren es dann bereits 1365 – und aktuell sind es nach letztem Stand 1514.

Von den aktiven Beamten erhielten nach Angaben der Hamburger Gesundheitsbehörde im November 1244 der insgesamt 40.391 Staatsdiener die sogenannte pauschale Beihilfe. Das sind ziemlich genau drei Prozent. Von den 36.010 Versorgungsempfängern waren es 270 – also knappe 0,8 Prozent.

Das klingt bisher nicht nach großer Erfolgsgeschichte. Allerdings können sich, den Regularien zufolge, nur Neu-Beamte für die attraktiver gewordene gesetzliche Absicherung entscheiden, die Zahlen wachsen also erst auf. Hinzu kommt, dass die Gesamtzahl der Neueinstellungen auch Polizeianwärter und Feuerwehrbeamte umfasst, die in Hamburg wegen ihres erhöhten Berufsrisikos heilfürsorgeberechtigt und daher gar nicht krankenversicherungspflichtig sind. Und dass die Entscheidungsfrist für Beamtenanwärter, die seit August 2019 eingestellt wurden und in der Gesamtzahl ebenfalls mitgezählt werden, zum Zeitpunkt der statistischen Erfassung noch nicht abgelaufen war.

Kostenentlastung nur auf längere Sicht

Auch belastbare Prognosen über die finanziellen Auswirkungen der politisch gewollten Gleichbehandlung gibt es bisher nicht. Man könne nur voraussagen, dass bei Beziehern von pauschaler Beihilfe „wegen der Einkommensbezogenheit der GKV-Beiträge“ die Beihilfelasten in der Pensionsphase sinken, heißt es in Hamburg. In einer ersten Einschätzung vom August hatte die Gesundheitsbehörde mitgeteilt, dass die Kosten trotz guter Resonanz geringer seien als anfänglich geschätzt. Sie betrügen aufs Jahr hochgerechnet knapp 3,7 Millionen Euro statt der ursprünglich veranschlagten 5,8 Millionen. Insgesamt zahlte die Hansestadt im Monat November gesetzlich versicherten Beamten und Ruheständlern 330 000 Euro als pauschale Beihilfe.

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Mit Kostenentlastungen auf längere Sicht rechnen auch die Finanzressorts in Brandenburg, Bremen, Thüringen und Berlin. Allerdings geht die Neuregelung überall erst mal ins Geld. Besonders hoch sind die Anlaufkosten in Berlin, da es dort schon relativ viele gesetzlich versicherte Beamte gibt. Nach Angaben der Senatsverwaltung sind das in der Hauptstadt derzeit 2764 Beamte und 12.984 Versorgungsempfänger, ihre Quote liegt damit bei 13,7 Prozent.

Die Kosten für die Neuregelung beliefen sich voraussichtlich auf 60 bis 70 Millionen Euro pro Haushaltsjahr, teilte die Senatsverwaltung mit. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) begrüßte die Neuregelung dennoch. Er betonte, dass die Änderung besonders unteren Besoldungsgruppen und Familien zugutekomme, da über die GKV auch Familienmitglieder mitversichert seien. Allerdings könnten Beamte auch eine pauschale Beihilfe für die private Krankenversicherung beantragen. Sie erhielten dann höchstens die Hälfte ihres Beitrags für den Basistarif.

Brandenburg rechnet mit besonders hohem Interesse

In Brandenburg sind, einer Schätzung der Zentralen Bezügestelle zufolge, bereits rund 4.000 Beamte und Versorgungsempfänger freiwillig gesetzlich versichert – bei insgesamt 45.500 entspricht das einer Quote von 8,8 Prozent. 11,2 Millionen Euro hat das Finanzministerium deshalb zum Start der Neuregelung nur für diese „Altfälle“ einkalkuliert. Dazu kommt dann der zu erwartende Aufwuchs. Je nach Inanspruchnahme belaufen sich die Mehraufwendungen für Neubeamte nach Ministeriumsschätzung bereits 2020 nochmal auf 300.000 bis eine Million Euro.

Interessanterweise gehen die Brandenburger davon aus, dass sich bei ihnen deutlich mehr Neu-Beamte für eine freiwillige gesetzliche Krankenversicherung entscheiden als in Hamburg. Ihren Annahmen liegt eine Antragsteller-Quote von 25, 50 oder sogar 75 Prozent der neueingestellten Staatsdiener zugrunde. Das wären für das Jahr 2020 zwischen 325 und 975 Personen.

Auch der Stadtstaat Bremen rechnet mit anfänglichen Mehrkosten von 4,5 bis 4,8 Millionen Euro. Die rund 1600 Altfälle – also Beamte, die bereits vor der Neuregelung gesetzlich versichert waren, nun aber ebenfalls den Arbeitgeberanteil erstattet bekommen – seien darin bereits enthalten, heißt es aus dem Finanzressort.

Finanzsenator Dietmar Strehl hält es dennoch für „gut, dass die Bremer Beamtinnen und Beamten künftig selbst entscheiden können, ob sie eine private oder gesetzliche Krankenversicherung wählen“. Allein die Wahlfreiheit sei „ein positiver Faktor“. Und die Stärkung der Solidargemeinschaft komme noch hinzu, sagte er dem Tagesspiegel Background. Bisher habe sich die gesetzliche Absicherung auch in Bremen für viele Beamte nicht gerechnet, weil diese die Kosten dafür allein aufzubringen hatten.

In Thüringen erwartet das Finanzministerium durch die Neuregelung Zusatzkosten von rund 2,53 Millionen Euro im Jahr. Bisher sind dort rund 1000 Beamte freiwillig in der GKV versichert.

Warnungen von PKV und Beamtenbund

Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) kritisiert das „Hamburger Modell“. Es berge nicht nur sozialpolitische und rechtliche Risiken, sondern bedeute auch Zusatzbelastungen für die Steuerzahler. Gleichzeitig warnen die Privatversicherer die Beamten der betreffenden Länder, ihren Anspruch auf Beihilfe aufzugeben. Im Krankheitsfall, so argumentieren sie, seien die Leistungen der individuellen Beihilfe den Regelleistungen der GKV überlegen. Außerdem stelle sich ein Folgeproblem: Im Falle des Wechsels in ein anderes Bundesland ohne pauschale Beihilfe müssten gesetzlich versicherte Beamte ihren Krankenversicherungsbeitrag wieder komplett alleine bezahlen.

Der Beamtenbund argumentiert ähnlich. Durch das „Hamburger Modell“ und seine weitere Verbreitung gebe es beamtenrechtlich nun faktisch „eine Teilung in Deutschland“, klagt Thüringens Landesvorsitzender Helmut Liebermann. Allerdings räumt er auch ein, dass es durch die Neuregelungen „in Ausnahmefällen“ auch Vorteile für gesetzlich versicherte Beamte geben könne. Zum einen stellten sich die bereits freiwillig GKV-Versicherte mit den Zuschüssen natürlich besser. Zum andern könnten Beamte mit mehreren Kindern und Partnern ohne sozialversicherungspflichtige Berufstätigkeit von der kostenlosen Familienversicherung in der GKV profitieren.

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