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Kritikerbündnis gegen Kapitalisten: Mieterschützer und Gewerkschaften protestieren
Bereiche der Daseinsvorsorge sollten nicht Renditeinteressen unterworfen werden. Konferenz von Private-Equity und Immobilieninvestoren in Berlin.
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Ungewöhnlich viele Privatjets erwartet die „Bürgerbewegung Finanzwende“ in diesen Tagen am Hauptstadtflughafen BER. Aus aller Welt kommen Geldgeber und Anlageprofis zur Private-Equity-Konferenz „Super-Return“ nach Berlin, darunter auch der Staatsfonds aus Katar. Den Ticketpreis von 6500 Euro werden prominente Teilnehmerinnen wie Tennisstar Serena Williams vermutlich nicht zahlen müssen.
Gleichzeitig findet in Berlin-Mitte der „Tag der Immobilienwirtschaft“ statt, unter anderem mit dem ehemaligen Blackrock-Aufsichtsrat und jetzigen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). „Allein Blackstone verwaltet so viel Geld wie das Bruttoinlandsprodukt der Niederlande“, sagte Jorim Gerrard von Finanzwende am Montag in Berlin.
Die Treffen der Kapitalisten provozieren unter anderem Proteste von Mieterschützern und Gewerkschaften. „Finanzinvestoren müssen raus aus der Daseinsvorsorge, den Preis zahlen wir sonst alle“, meinte Gerrard. Private-Equity-Anbieter würden ihren Geldgebern Renditen von 20 Prozent versprechen, das sei nur mit brachialen Methoden erreichbar. Zum Beispiel in der Wohnungswirtschaft.
Nach Angaben von Franz Michel vom Deutschen Mieterbund gehören hierzulande rund eine Million Wohnungen börsennotierten Unternehmen, darunter die im Dax notierte Vonovia als bekanntester Name.
Um den Renditeerwartungen der Investoren gerecht zu werden, versuchten die Konzern überdurchschnittliche Mieterhöhungen durchzusetzen oder „energetische Sanierung zur Profitmaximierung“ zu nutzen, wie Michel sagte. Beim Einsatz von Fernwärme versuchten die Konzerne „die Mieter abzuzocken“.
Michel plädierte für öffentlichen Wohnungsbau, der Staat sollte seinen Anteil am Mietwohnungsmarkt auf 30 Prozent verdoppeln. „Die Wurzel der Wohnungskrise liegt nicht im Mangel an Neubau, sondern in der politischen Entscheidung, Wohnraum dem Markt zu überlassen“, heißt es im Aufruf zur Demonstration am Mittwochnachmittag.
Das Kapital sucht Anlagemöglichkeiten in Bereichen, die vor wenigen Jahrzehnten noch der öffentlichen Hand vorbehalten waren. Dazu gehört der Gesundheitssektor. „Gekauft wird alles: Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflegeheime oder Pflegedienste“, sagte Sylvia Bühler, die im Vorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für das Gesundheitswesen zuständig ist.
Weniger Geld fürs Personal
Von den rund 31.000 Pflegeeinrichtungen betreiben private Unternehmen inzwischen gut die Hälfte, Bühler zufolge gibt es eine „Konzentration von Pflegeheimplätzen in den Händen von Investoren“. Da das Personal mit Abstand der größte Kostenfaktor sei, versuchten die kommerziellen Pflegefirmen die Bezahlung zu drücken oder weniger Personal einzusetzen.
Als Beispiel nannte Bühler die Alloheim-Gruppe, die der schwedische Private-Equity-Investor Nordic Capital 2017 vom Finanzinvestor Carlyle übernommen hatte. In nicht-kommerziellen Pflegeheimen würden rund 70 Prozent des Geldes für das Personal ausgegeben, sagte Verdi-Vorstand Bühler, bei Alloheim seien es im Jahr 2021 nur 55 Prozent gewesen. Ferner würden in der profitorientierten Pflege billigere Produkte eingesetzt, etwa beim Kochen. Pflege sollte grundsätzlich gemeinnützig sein, meinte die Gewerkschafterin.
Ein Alloheim-Sprecher wies die Vorwürfe zurück. „Der Personalaufwand der Alloheim-Gruppe unterscheidet sich nicht grundlegend von dem anderer Anbieter in der Pflege“; seit dem Inkrafttreten der Tariftreuepflicht im September 2022 erhielten die Pflegekräfte aller Anbieter vergleichbare Gehälter. Auch die Personalschlüssel seien gesetzlich vorgegeben. Und beim Thema Verpflegung „setzen wir auf Qualität: Wir beziehen unsere Lebensmittel von großen, renommierten Lieferanten sowie regionalen Partnern“.
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