Wirtschaft: Länder wollen Öffnungszeiten allein regeln
Bundesrat spricht sich gegen Bundesgesetz aus / Ringstorff: Ladenschlussgesetz ist längst ausgehöhlt
Berlin (afk/msh). Die Bundesländer wollen künftig über die Ladenöffnungszeiten selber entscheiden. Einem entsprechenden Antrag des Saarlands, Bayerns, BadenWürttembergs und Sachsen-Anhalts stimmten alle unionsgeführten Länder und die rot-rote Koalition in Mecklenburg-Vorpommern zu. Anlass des Vorstoßes ist das Gesetz von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), die Ladenöffnungszeit am Samstag wie an anderen Werktagen auf 20 Uhr auszudehnen. Einigen Ländern geht das nicht weit genug. Hamburg etwa fordert eine generelle Freigabe der Öffnungszeiten bundesweit. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) sagte in der Länderkammer, Clements Vorschlag sei „keine große Lösung“. Nötig seien dagegen „mutige Entscheidungen“.
Der Bundesrat kann das Gesetz Clements nicht verhindern, weil es nicht zustimmungspflichtig ist. Die Länderkammer kann aber mit eigenen Initiativen auf das Gesetzgebungsverfahren Einfluss nehmen. In einer Stellungnahme der Länder zu dem Gesetz heißt es, eine bundeseinheitliche Regelung sei nicht erforderlich. Aus „föderalismuspolitischen Gründen“ müsse das Bundesgesetz über den Ladenschluss völlig aufgehoben werden, die Länder bräuchten eigene Gestaltungsspielräume. Hintergrund ist die Debatte um die Rückverlagerung von Kompetenzen an die Länder.
Deren Haltung zum Ladenschluss ist höchst unterschiedlich und auch nicht von Parteilinien bestimmt. Saar-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) etwa ist für die Länderzuständigkeit, sieht aber keinen Bedarf für eine weiter gehende Liberalisierung. Dagegen will die SPD/PDS-Koalition in Mecklenburg-Vorpommern auf Landesebene eine Regelung, die noch über die Vorstellungen Clements hinausgeht und auch Sonntagsverkauf zumindest in touristischen Gegenden und für Landwirtschaftsbetriebe erlaubt.
„Das bundesweite Ladenschlussgesetz ist längst ausgehöhlt, die Länderkompetenz käme uns sehr entgegen“, sagte der Schweriner Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) dem Tagesspiegel. „Dort, wo es sich für den Handel lohnt, wollen wir so viel Flexibilität wie möglich.“ Die Schweriner Regierung verspricht sich durch eine Öffnung am Sonntag erhebliche Einnahmen für die Geschäfte an der Küste und den Erholungsgebieten durch Tagestouristen etwa aus Berlin oder Skandinavien. Bayerns Bundesratsminister Reinhold Bocklet (CSU) hält Länderregelungen für kundenfreundlicher. Die CSU-Regierung will mit Rücksicht auf Kirchen und Gewerkschaften an den Beschränkungen für Sonn- und Feiertage festhalten. Hamburg dagegen will jegliche Einschränkungen aufheben. Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) kann sich eine Verlängerung des Ladenschlusses bis 22 Uhr an Werktagen vorstellen.
Der Handel lehnte den Vorstoß der Länderkammer „vehement“ ab. „Die bundeseinheitliche Regelung sollte beibehalten werden“, sagte Hubertus Pellengahr, Sprecher des Handelsverbandes HDE. Alles andere würde zu einem „Flickenteppich“ und damit zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen. Dies gelte vor allem für „Grenzregionen“ wie etwa zwischen Berlin und Brandenburg. Der HDE erneuerte seine Forderung, die Ladenschlusszeiten von Montag bis einschließlich Samstag ganz frei zu geben. Für eine solche Regelung hatten sich im Dezember auch die Wirtschaftsminister der Bundesländer ausgesprochen. Mit einem entsprechenden Antrag fiel das Land Hamburg jedoch am Freitag im Bundesrat durch.
Unterdessen kündigte die Gewerkschaft Verdi erneut Protestaktionen gegen die vorgesehene Verlängerung der Samstag-Öffnungszeiten an. Verdi wolle auf die Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen einwirken, dem Gesetzesvorhaben der Regierung nicht zuzustimmen, sagte Vorstandsmitglied Franziska Wiethold. Für Anfang März plane Verdi eine große Protestdemonstration in Berlin. Aus Sicht der Gewerkschaft würden längere Öffnungszeiten keine neuen Arbeitsplätze schaffen, sondern zu Pleiten und Personalabbau im Einzelhandel führen.
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