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Weites Feld: Mehr als die Hälfte der Agrarflächen gehören bereits Nicht-Bauern in Deutschland.

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Exklusiv

Landgrabbing im Osten: Investoren kaufen in großem Stil Bauernland auf

Investoren aus Finanzbranche, Möbel- und Pharmaindustrie stecken ihr Geld in Ackerland. Das treibt die Preise in die Höhe. Bauern bringt das in Schwierigkeiten.

Die Zinsen sind niedrig, Aktien zu heikel, da zieht es viele Investoren aufs Land. Ob Unternehmer oder Finanzinvestoren, immer mehr Anleger stecken ihr Geld in Ackerland oder in die Gesellschaften, denen der Grund und Boden gehört.

So auch die Aldi-Erben. Ihre Lukas-Stiftung hat kürzlich dem Ex-Präsidenten des Thüringer Bauernverbands, Klaus Kliem, über die Stiftungseigene Firma Boscor einen Großbetrieb in der Nähe von Leipzig abgekauft. Eine der reichsten Familien werde jetzt „mit Steuergeldern vollgepumpt“, ärgert sich Marco Hintze, Präsident des Bauernbunds. Bei Boscor heißt es, das Engagement der Lukas-Stiftung in landwirtschaftliche Betriebe seien „private Angelegenheiten“.

Wir könnten für Milch und andere Agrarprodukte auch einfach mal einen angemessenen Preis bezahlen, dann könnten sich Landwirte ihre Felder auch selbst kaufen.

schreibt NutzerIn fairplay180

Einzelfälle sind es aber nicht. „Insbesondere aktiv sind die Finanzbranche, aber auch Investoren aus der Möbelindustrie, dem Einzelhandel, dem Schiffbau und der Pharmaindustrie“, heißt in einer Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesagrarministerium, Hans-Joachim Fuchtel, an den Grünen-Agrarexperten Friedrich Ostendorff. Das Schreiben liegt dem Tagesspiegel vorliegt.

Ministerium: Aktivitäten haben "relevanten Umfang"

Zwar hat das Ministerium keine aktuellen Zahlen über die Käufe branchenfremder Investoren, verweist jedoch auf eine Untersuchung des staatlichen Thünen-Instituts. Danach sind seit 2007 zahlreiche Unternehmen, die bis dahin im Eigentum Ortsansässiger war, durch externe Investoren übernommen worden. „Die Aktivitäten haben insgesamt einen relevanten Umfang auf dem ostdeutschen Bodenmarkt erreicht“, schreibt Fuchtel.

Das treibt die Preise in die Höhe. Kostete ein Hektar landwirtschaftlicher Boden 2009 im Schnitt noch 10.908 Euro, waren es im vergangenen Jahr 25.485 Euro. In Mecklenburg-Vorpommern haben sich die Preise sogar fast verdreifacht, hat das Statistische Bundesamt kürzlich herausgefunden.

Heile Welt? Von wegen. Bauern können sich neues Land kaum mehr leisten.
Heile Welt? Von wegen. Bauern können sich neues Land kaum mehr leisten.

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Viele Bauern, die ihren Betrieb erweitern wollen, können sich neues Land nicht mehr leisten, weder als Kauf noch zur Pacht. Allein in Niedersachsen haben Landwirte von 2010 bis 2016 nach Informationen des Bundesagrarministeriums 230 Millionen Euro mehr Pacht zahlen müssen. Über die Hälfte der Agrarfläche in Deutschland gehört inzwischen Nichtlandwirten.

Die Investoren profitieren von den steigenden Bodenpreisen, kassieren Pacht, verkaufen Mais, Raps oder Schweine und streichen EU-Subventionen ein – je größer die Fläche, desto mehr.

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Landwirte haben ein Vorkaufsrecht, aber können es nicht nutzen

Zwar müssen Landkäufe behördlich genehmigt werden und Landwirte haben ein Vorkaufsrecht gegenüber branchenfremden Investoren, doch der Schutz ist löchrig. Erstens können viele Bauern bei der Höhe der Gebote nicht mithalten, und zweitens gilt das Vorkaufsrecht nicht bei „Share Deals“.

Kauft der Investor die Gesellschaft oder Genossenschaft, der das Land gehört, greift weder das Vorkaufsrecht noch fällt Grunderwerbsteuer an.

"Bauernland gehört in Bauernhand", sagen die Grünen

„Bauernland gehört in Bauernhand“, sagt Ostendorff. Dass vermehrt nichtlandwirtschaftliche Investoren Land aufkaufen, ist ein „untragbarer Zustand“, meint der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Share Deals würden die Agrarpreise in die Höhe treiben. Die Bundesregierung wisse darum, aber tue nichts. „Dadurch werden zunehmend bäuerlich und ökologisch wirtschaftende Betriebe von Agrarholdings verdrängt, die keinerlei Verankerung in der Region haben.“

Der Bund verweist jedoch auf die Länder, die seit 2006 zuständig sind. Langsam regt sich dort Widerstand. Niedersachen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen planen jetzt Reformen. So steht es zumindest in den Koalitionsverträgen. Sie wollen künftig auch Anteilskäufe gesetzlich regeln.

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