zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Mallorca ade ­ die Heimat lockt wieder

Immer weniger Bundesbürger können sich eine Urlaubsreise leisten / Ostdeutschland aber verzeichnet ZuwächseVON ANTJE KULLRICHKaribik oder Westerwald, Mallorca oder Usedom ­ ihren Ruf als Reiseweltmeister haben die Deutschen noch nicht verloren.Doch immer häufiger fällt der Urlaub dem Rotstift zum Opfer: Das knappe Haushaltsbudget läßt Fernweh nicht mehr zu.

Immer weniger Bundesbürger können sich eine Urlaubsreise leisten / Ostdeutschland aber verzeichnet ZuwächseVON ANTJE KULLRICH

Karibik oder Westerwald, Mallorca oder Usedom ­ ihren Ruf als Reiseweltmeister haben die Deutschen noch nicht verloren.Doch immer häufiger fällt der Urlaub dem Rotstift zum Opfer: Das knappe Haushaltsbudget läßt Fernweh nicht mehr zu.Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Reisen im Vergleich zu 1995 um 3,3 Mill.auf rund 61 Mill..Gut 45 Millionen Bundesbürger erholten sich 1996 in einem Urlaub von mindestens fünf Tagen Dauer.Damit fiel nach Angaben der Hamburger Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R.), die alljährlich das Reiseverhalten der Deutschen untersucht, der Anteil der Bundesbürger, die eine Reise unternahmen, innerhalb eines Jahres um 6 Prozent.Und jene, die doch verreisten, achteten verstärkt auf die Kosten: Das Urlaubsbudget pro Person schrumpfte von 1410 DM vor zwei Jahren auf 1362 DM.Die durchschnittliche Urlaubsdauer ging von 14,1 auf 13,8 Tage zurück.Außerdem waren Fernreisen deutlich weniger gefragt.Auch in diesem Jahr prophezeien die Hamburger Urlaubsforscher von F.U.R.mehr Reisefrust als -lust.Nur noch 67,1 Prozent der Bundesbürger wollen auf jeden Fall verreisen, 1,7 Prozent weniger als im Vorjahr.Immer häufiger steht bereits am Anfang des Jahres fest, daß die Ferien im Sommer nur auf Balkonien stattfinden werden. Den rezessiven Trend bestätigt auch Iris Schröder, Inhaberin eines Magdeburger Reisebüros: "Der Geldbeutel bestimmt das Urlaubsziel." Die hohe Arbeitslosigkeit mache sich auch im Reiseverhalten bemerkbar.Wer sich einen Urlaub noch leisten könne, warte lieber auf Last-minute-Angebote."Leider denken gerade Familien oft nicht daran, daß es dabei keine Kinderermäßigungen gibt", sagt Iris Schröder.So wird die Reise doch teurer als geplant.Gefragt sind vor allem preiswerte Ziele in der Türkei oder auf Mallorca.Oft jedoch gingen die Angebote der Veranstalter an ihren Zielgruppen vorbei, hat die Reisebüro-Besitzerin festgestellt: "Die bringen ja tolle Sachen raus, doch ein Last-minute-Angebot Mallorca für 1400 DM in einem Vier-Sterne-Haus ist für die meisten einfach zu teuer." Bei ihrer etwas einkommensstärkeren Klientel beobachtet Iris Schröder dagegen zunehmend den Verzicht auf eine Reise zugunsten des Kaufs eines Hauses oder einer Eigentumswohnung.Bei älteren Leuten seien Studienreisen beliebt, aber auch die gehen eher nach Österreich oder in die Schweiz als nach Übersee. Daß in den neuen Bundesländern im Urlaub noch knapper kalkuliert wird als im Westen, zeigt auch die Statistik: Das durchschnittliche Reisebudget eines Westdeutschen ist gut 40 Prozent höher als das eines Ostdeutschen.Die Reiseausgaben pro Person betrugen 1995 in den alten Bundesländern 1502 DM, in den neuen 1061 DM. Bei Auslandsreisen zieht es die Deutschen meistens gen Süden.Spanien war mit 8,1 Mill.Reisen im vergangenen Jahr Urlaubsziel Nummer eins und wird es nach Auskunft des Deutschen Reisebüros-Verbandes vorerst bleiben.Italien folgt mit deutlichem Abstand mit 5,7 Mill.Buchungen.Frankreich, Griechenland und die Schweiz waren im vergangenen Jahr weniger gefragt als 1995, während Nordamerika als beliebtestes außereuropäisches Ziel einen Zuwachs um 200 000 auf 1,5 Mill.Reisen verzeichnen konnte.Insgesamt führen knapp 70 Prozent aller Urlaube ins Ausland.Fast jeder dritte Erholungsbedürftige bleibt dagegen in der Heimat.Innerhalb Deutschlands verreisten die Bundesbürger 1996 18,5 Mill.Mal.Der Marktanteil Deutschlands geht allerdings zurück: 1995 betrug er noch 34,1 Prozent, ein Jahr später nur noch 30,2 Prozent.Vor 25 Jahren blieb mit 47 Prozent noch fast die Hälfte der Deutschen auf einheimischem Terrain.In der Beliebheitsskala nach Bundesländern liegt Bayern mit 4,7 Mill.Ferienaufenthalten im vergangenen Jahr unangefochten an der Spitze.Es folgt Schleswig-Holstein mit 2,6 Mill.vor Mecklenburg-Vorpommern mit 2,2 Mill.Reisen. Als Ferienziel ­ besonders auch für Kurzurlaube ­ holen die neuen Bundesländer immer mehr auf: Dort zählt Marketingdirektor Thomas Bracht vom Tourismusverband Land Brandenburg seit einiger Zeit einen konstanten Zuwachs von rund 800 000 Übernachtungen pro Jahr.1996 waren es insgesamt 7,3 Millionen."Ein großer Teil davon sind natürlich Geschäftsreisen", räumt Bracht ein.Doch vor allem Großstädter wissen die landschaftlichen Schönheiten Brandenburgs zu schätzen.In den unteren Preisklassen träten sogar Engpässe auf: "An den Seen ist in diesem Sommer alles ausgebucht, Ferienwohnungen und Pensionen total dicht", erzählt Bracht.Nur in teureren Hotels seien noch Zimmer zu bekommen.In jüngster Zeit kommen auch wieder verstärkt Gäste aus den neuen Bundesländern."Die haben jetzt alle Mallorca gesehen und schauen sich wieder im eigenen Land um", kommentiert Tourismusmanager Bracht.Doch auch dabei wird aufs Geld geachtet: Vor allem Campingplätze seien beliebt, und davon hat Brandenburg 170 zu bieten.Der Trend zur günstigen Unterkunft macht sich auch in den Umsatzzahlen des Gastgewerbes bemerkbar.Insgesamt gingen die Umsätze von Hotels, Gasthöfen und Pensionen in Deutschland 1996 um zwei Prozent auf 32,3 Mrd.DM zurück.Auch in den ersten drei Monaten dieses Jahres hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband einen Rückgang von 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum festgestellt.Gleichzeitig sinkt die Bettenauslastung.Zwar wächst die Zahl der Übernachtungen, doch investitionsfreudige Geschäftsleute sorgen für noch stärker steigende Bettenkapazitäten.Das zeigt: Hotelmanager haben trotz konjunkturbedingter Flaute ihren Glauben an die Reiseweltmeister noch nicht verloren.

ANTJE KULLRICH

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false