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Lassen Zalando weiter wachsen: Die Firmengründer und Vorstände. Hier bei einer Versammlung 2015.

© DPA

Millioneneinbußen durch Umweltschutz?: Was Klimawandel und das Einkommen der Zalando-Chefs miteinander zu tun haben

Die Vorstandsvergütung bei Zalando hängt vor allem vom rasanten Wachstum des Unternehmens ab. Jetzt will der Konzern klimaneutral werden. Geht das zusammen?

Die Lieblingszahl von Zalandos Finanzchef David Schröder an diesem Donnerstagmorgen hatte neun Nullen. Es handelte sich dabei aber nicht um den Gewinn von Zalando – der Modehändler verbuchte auch im dritten Quartal des Jahres unter dem Strich ein Minus von 13,6 Millionen Euro –, nein, es war die Zahl der Seitenbesuche, die Zalando von August bis Oktober zählte: Erstmals wurde die Modeplattform in einem Quartal mehr als eine Milliarde Mal aufgerufen. Sind Klicks im Onlinehandel zwar keine klassische wirtschaftliche Kennzahl, so ist es doch ein Zeichen dafür, wie rasant sich Zalando auch elf Jahre nach seiner Gründung entwickelt.

Wie kaum ein anderes deutsche Großunternehmen ist Zalando auf Wachstum getrimmt. Lag der Umsatz 2014 noch bei gut 2,1 Milliarden Euro ging es mit jährlichen Wachstumsraten zwischen 20 und 33 Prozent auf fast 5,4 Milliarden im vergangenen Jahr hoch. Im abgelaufenen dritten Quartal kletterte der Umsatz um 26,7 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. Damit beschleunigte sich das Wachstum gegenüber dem Vorquartal, damals lag das Plus noch bei 20,1 Prozent.

Vor allem im Spanien, den skandinavischen Ländern und Tschechien seien die Erlöse überdurchschnittlich gestiegen. „Unser Geschäft wächst in allen Regionen stark“, kommentierte Schröder. „Diesen Schwung wollen wir mit ins vierte Quartal nehmen.“ Angesichts des anstehenden Weihnachtsgeschäfts kein unrealistisches Vorhaben. Die erst im Vorquartal angehobene Jahresprognose bekräftigte Schröder. 2019 peilt Zalando insgesamt ein Umsatzplus von rund 20 Prozent an.

Erst ab 15 Prozent Wachstum kassieren die Vorstände

Wie wichtig Wachstum für Zalando ist, zeigt auch ein Blick auf die Vergütungsstruktur des Vorstandes. Denn ihr Einkommen ist an ehrgeizige Wachstumsziele gekoppelt. Das Grundgehalt der drei Chefs Rubin Ritter, Robert Gentz und David Schneider ist mit 65.000 Euro im Jahr für einen M-Dax-Vorstand nämlich äußerst gering. Doch die Vorstände haben seit Einführung dieses Vergütungssystems vor eineinhalb Jahren zusätzlich Optionen für 1,75 Millionen Aktien erhalten. Nach vier Jahren könnten sie 80 Prozent davon zu Geld machen – und damit Millionen verdienen.

Doch diese Optionen greifen nur, wenn bestimmte Wachstumsziele erreicht werden: Wächst Zalando jährlich im Schnitt 15 Prozent oder mehr, erhalten die Vorstände sämtliche zugeteilte Optionen. Liegt das Wachstum zwischen 10 und 15 Prozent, reduziert sich der Anteil der Optionen um 10 Prozent je 0,5 Prozent weniger Wachstum. Und wenn die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate unter 10 Prozent liegt, findet gar keine Auszahlung an den Vorstand statt.

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Dass sich eine solche Regelung auszahlen kann, haben die drei Manager bereits erlebt. 2018 kassierten sie zusammen rund 50 Millionen Euro, weil ein ähnliches, langfristiges Aktienprogramm für sie ausgelaufen war. Halten sie das Wachstumstempo der vergangenen Jahre weiter durch, gibt es in einigen Jahren also einen erneuten Geldregen.

Nachhaltigkeit trotz Wachstum?

Doch in Zeiten der Klimaproteste kommt auch ein Unternehmen wie Zalando nicht umhin, zu signalisieren, dass Wachstum nicht alles ist. Deshalb hat das Unternehmen in dieser Woche mitgeteilt, klimaneutral werden zu wollen. Man habe bereits an allen Unternehmensstandorten mehr als 90 Prozent der Stromversorgung auf erneuerbare Energien umgestellt, bis 2023 soll Einwegplastik in eigenen Verpackungen abgeschafft werden. Bereits jetzt bestünden Zalando-Kartons zu 100 Prozent aus recycelten Materialien. In vier Jahren sollen zudem 20 Prozent des Bruttowarenvolumens mit nachhaltigen Produkten erzielt werden.

Doch geht das mit den Wachstumszielen zusammen? Schließlich kosten derlei Vorhaben viel Geld. Und immer wieder fordern Klimaschützer, Nachhaltigkeit vor allem durch Konsumverzicht zu erreichen.

Für André Reichel, Professor für Nachhaltigkeit an der International School of Management in Stuttgart, bedeutet eine nachhaltigere Modebranche vor allem eine Umstellung bei den Kaufgewohnheiten der Kunden. „Wenn viele Kunden künftig weniger Kleidung kaufen, können die Unternehmen das zum Beispiel durch den Verkauf von teurerer Kleidung ausgleichen“, meint er.

Er kann sich zudem vorstellen, dass Modeunternehmen künftig mehr Geld mit Dienstleistungen verdienen. Er hält deshalb auch eine Konsolidierung der Branche für möglich – eine Entwicklung, von der große Player wie Zalando sogar profitieren könnten.

Für Gerrit Heinemann ist Zalandos Wachstum überhaupt kein Widerspruch zu den Nachhaltigkeitszielen. „Es gibt hinter den Kulissen, gerade in der Logistik, so viele Einsparpotentiale, wovon der Kunde gar nichts mitbekommt“, sagt der Wirtschaftsprofessor der Hochschule Niederrhein dem Tagesspiegel. „Da kann die Verpackungsmenge ohne allzu große Mühen drastisch reduziert werden.“

Auch in der Zustellung könne man dank E-Mobilität und flexibler Zustellung viel CO2 einsparen. „Zudem könnten Kunden dazu motiviert werden, weniger zu retournieren“, meint Heinemann. „Schließlich schickt ja nicht Zalando die Artikel zurück, sondern der Kunde.“ Grundsätzlich gebe es für ein börsennotiertes Unternehmen wie Zalando aber auch gar keine andere Wahl, als sich hier als Vorreiter zu geben. „Speziell mit einer jungen Zielgruppe“, meint Heinemann. „Man muss allerdings auch sehen, dass sich hinter dem Begriff „klimaneutral“ viel verstecken kann; der ist rechtlich schließlich nicht geschützt.“

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