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Probefahrt im Öko-Sportwagen: Mit dem Tesla Roadster immer unter Strom

Am Donnerstag beginnt in Frankfurt die IAA – Elektroautos werden das große Thema sein. Das faszinierendste Modell kommt aus Kalifornien: Der Tesla Roadster macht keinen Lärm, verpestet nicht die Luft, und Öl aus Diktaturen braucht er auch nicht. Eine Probefahrt von Christoph von Marschall.

Es gab in den Vereinigten Staaten mal eine Plakatkampagne von Volkswagen, die das irritierend deutsche Wort „Fahrvergnügen“ fest im amerikanischen Wortschatz verankerte.

Jetzt allerdings zeigt ein amerikanischer Autohersteller den Deutschen, was echtes „Fahrvergnügen“ ist.

Los Angeles, ein sonniger Vormittag. Die Beschleunigung ist eine einzige Versuchung, das Pedal durchzudrücken. Rote Ampeln lösen plötzlich Freude aus – in Erwartung des Moments, wenn sie auf Grün springen. Der Körper wird in den Sitz gepresst, still und leise schnellt der Wagen los, lässt die Palmen am Straßenrand rasch im Rückspiegel verschwinden und selbst Porsches, Ferraris und Lamborghinis mühelos hinter sich: 3,9 Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometer, so steht es in den Papieren. Das Einfädeln in den dichten Verkehr auf der Stadtautobahn verliert seine Schrecken. Der Wagen sprintet in jede Lücke und beschleunigt ohne die für Verbrennungsmotoren und Turbolader berüchtigten Leistungslöcher.

Der „Tesla Roadster“ fährt mit Strom. Er ist das erste serienmäßig gebaute Elektroauto der Welt.

Vieles ist anders hinter dem Steuer eines solchen Wagens. Der ausbleibende Sound beim Gasgeben mag Sportwagen-Afficionados fehlen. Für lärmgeplagte Stadtbewohner hingegen ist es eher eine Erholung, dass dieses Auto nur ein leises Sirren von sich gibt. Gewöhnungsbedürftig ist der Effekt, wenn der Fuß vom Gas geht. Der Wagen rollt nicht einfach weiter, sondern vermindert unmittelbar die Geschwindigkeit, als habe der Fahrer auf die Bremse getreten. Elektroautos haben nicht mehrere Gänge für verschiedene Geschwindigkeiten. Und Bremsenergie wird sofort wieder in Strom verwandelt, wie bei einem Dynamo.

Neben dem „Fahrvergnügen“ verspricht das Fahren mit dem Roadster auch noch ein gutes Gewissen – als sei es eben doch möglich, zu schlemmen, ohne zuzunehmen. Keine Abgase, keine Mitschuld am Import von Ölfässern aus Diktaturen, auch keine Ölwechsel und nur noch seltene Inspektionen, wirbt Jeremy Snyder, der 33-jährige Leiter der Tesla-Vertretung in Los Angeles. Über Nacht hängt man das Auto an die Steckdose, „genau wie ein Handy“, eine Ladung reicht für 350 bis 400 Kilometer. Der Bordcomputer rechnet auf Wunsch aus, wie viel Benzin der Fahrer aktuell spart und wie viele Ölfässer seit Kauf des Autos ungenutzt blieben.

Rund um die Erde gilt das E-Auto plötzlich als Lösung für Energie- und Umweltprobleme: Die US-Regierung subventioniert den Kauf mit 7500 Dollar direktem Steuerabzug, die Bundesregierung hat im August ihren „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“ vorgestellt. Am 10. September hat Tesla seinen ersten „Showroom“ in Deutschland eröffnet, in München, und in dieser Woche wird das Auto auf der Internationalen Automobilausstellung IAA in Frankfurt präsentiert. Tesla, sagt Firmensprecherin Rachel Konrad, betrachte Deutschland als zweitwichtigsten Markt nach den USA.

Mit dem E-Trend werben neuerdings viele Autobauer. In den USA versucht GM sein ramponiertes Image mit dem Chevrolet Volt aufzupolieren: ein kompakter Hybrid-Fünfsitzer, mit dem Durchschnittsfahrer nur noch im Ausnahmefall an die Tankstelle müssen – die ersten 60 Kilometer bewältigt der Volt mit Strom. Der typische Amerikaner fahre 40 Kilometer am Tag, heißt es bei GM. Die Batterie wird wie beim Tesla nachts aufgeladen. Doch der Volt ist, erstens, ein Hybrid – er hat einen Elektro- und einen Benzinmotor, der sich einschaltet, sobald die Batterie leer ist, und dieser doppelte Antrieb erhöht das Gewicht und nimmt Platz weg. Zweitens ist der Volt ein Zukunftsversprechen – er soll erst Ende 2010 oder 2011 auf den Markt kommen. Bei der Hybrid-Technik sind die Japaner schon heute besser. Die deutschen Autobauer haben über Jahre vor allem auf saubere Diesel gesetzt, um den Energieverbrauch ohne Einbußen an Leistung und Luxus zu senken.

Beim reinen Elektroauto ist Tesla der Konkurrenz voraus. Und das ist wohl auch der Grund, warum Daimler kürzlich zehn Prozent der Firmenanteile kaufte. Der Tesla Roadster ist das einzige reine Elektroauto, das in Serie produziert wird und in den USA bereits dem Alltagstest der Käufer ausgesetzt ist. Mehr als 1000 Stück wurden verkauft, über 700 sind ausgeliefert. Weit über eine Million gefahrener Kilometer kommen inzwischen zusammen, sagt Filialleiter Jeremy Snyder. Technische Probleme habe es nicht gegeben.

Die Hauptbarriere für die Massenproduktion von E-Autos war bisher die begrenzte Leistungsfähigkeit der Batterien im Vergleich zum Gewicht herkömmlicher Autos. Tesla ist bei beiden Faktoren an die Grenzen des derzeit Möglichen gegangen. Die Hochleistungsbatterien kommen aus Asien; jedes Jahr, sagen Techniker, steige deren Kapazität um sieben bis acht Prozent – und damit auch die Reichweite der Autos. Das Gewicht des Roadster wurde minimiert, dank der Außenhülle aus Karbonfiber und der Aluminiumleichtbauweise des Rahmens. Zusammengebaut werden die Roadster für den US-Markt in Menlo Park, Kalifornien, und für den europäischen Markt in Hethel, Großbritannien.

Michael Johnston streicht sich grübelnd mit den Fingern durchs Haar. Vier Mal ist er jetzt bereits vom Verkaufstresen zum Ausgang gelaufen, mitten hindurch zwischen den fünf Roadstern in Rot, Schwarz, Silber, Orange und Blauschwarz, und jedes Mal ist er dann doch wieder umgekehrt, mit noch einer Nachfrage. Der Finanzberater mit dem blonden Kurzhaarscheitel gehört zu den ersten Tesla-Käufern überhaupt. Den ersten hat er im November 2006 bestellt, „obwohl ich da nicht mal Probe fahren konnte – aber ich begeistere mich für neue Technik“. Als der Roadster dann im Frühjahr 2008 geliefert wurde, „nach einer Wartezeit, die mir unendlich vorkam“, habe das Auto seine Erwartungen übererfüllt: „Beschleunigung, Straßenlage, Handlichkeit sind unglaublich. Selbst die Federung ist besser, als ich es bei einem so kleinen Fahrzeug erwartet hatte.“ Reichweite und Batterieleistung haben sich für Johnston nicht als Problem erwiesen: Wenn er längere Strecken fahren muss, nimmt er halt sein anderes Auto. Ist der Tesla also der Zweitwagen? „Eher umgekehrt“, sagt Johnston. „Den Roadster fahre ich, wann immer ich kann, in der Regel fünf Tage die Woche.“ Das Auto liefere überall Gesprächsstoff. „Irgend jemand will immer ein Foto machen.“

Als offiziellen Geschäftswagen fährt Johnston einen 7er BMW – noch. Auch da möchte er demnächst auf eine Limousine mit Elektromotor umsteigen. Aber jetzt ist erstmal der zweite Roadster fällig. Warum? „Ein Freund wollte unbedingt Probe fahren. Leider kannte er sich in meiner Gegend nicht aus.“ Nach der S-Kurve war der Tesla ein Totalschaden. Der Freund blieb unverletzt. Auch die Freundschaft habe den Unfall überstanden, sagt Johnston. „Aber ich habe gelernt, was man verleiht und was nicht.“

Jetzt hat Johnston die Qual der Wahl: Er überlegt, ob er wieder den Roadster nimmt, mit dem er so zufrieden war, oder ob er zum neuen, stärkeren Modell „Sport“ greifen soll, das noch ein bisschen schneller beschleunigt (in 3,7 Sekunden von 0 auf 100), aber auch fast 20 000 Dollar mehr kostet als die 109 000 Dollar teure Grundversion. Früher ist Johnston Porsche gefahren. „Ferrari oder Lamborghini kommen für mich nicht infrage“, sagt er. „Ich trage doch auch keine Goldkettchen.“

So ähnlich wie Johnston hatte Filialleiter Jeremy Snyder den typischen Tesla-Kunden beschrieben: „Umweltbewusste Leute mit hohem beruflichem Erfolg, die keine Kompromisse machen möchten.“ Auch viele Filmstars fahren den Roadster: George Clooney, Matt Damon, nicht zu vergessen Arnold Schwarzenegger, mittlerweile Gouverneur von Kalifornien. Solche Prominenten bringen ihr Fahrzeug freilich nicht zur jährlichen Durchsicht von Bremsen, Reifen und Batterie in die Vertretung. Für sie hält Tesla einen mobilen Mechaniker bereit.

Tesla versteht sich nicht als Nischenhersteller für Sportwagen. Der Roadster war nur der Einstieg. Die Firma nimmt bereits Bestellungen für das Modell „S“ entgegen – „S“ wie Sedan. Anfang 2011 beginnt die Auslieferung der fünftürigen Limousine, die bis zu sieben Personen Platz bietet – dank einer aufklappbaren dritten Sitzbank im Heck für zwei Kinder. 500 Kilometer Reichweite versprechen die Prospekte, eine Beschleunigung von 5,6 Sekunden – und einen Verkaufspreis von 49 500 Dollar in den USA, nach Abzug der 7500 Dollar Steuerrabatt. Tatsächlich beginnt die Preisliste also bei 57 000 Dollar. Ach ja, sagt Snyder, der „S“ habe im Übrigen auch zwei Kofferräume, vorne und hinten – denn Elektromotor und Batterien brauchen weniger Platz als herkömmliche Antriebstechnik, sie sind im Fahrzeugboden untergebracht. Bei den heutigen Strompreisen kostet das Aufladen vier bis fünf Dollar – ein Schnäppchen verglichen mit dem Preis einer Tankfüllung Benzin. 2000 Kunden haben schon bestellt.

Wird Tesla also zum Überraschungserfolg, der die Großen der Autobranche das Fürchten lehrt – obwohl die Firma keine Erfahrung auf dem Gebiet mitbringt? Vielleicht ist es umgekehrt. Das Unternehmen kann radikaler Neuland betreten, weil es nicht an der traditionellen Technik hängt und mit ihr das Geld verdient, das in die Zukunft investiert werden darf. Ob daraus ein dauerhafter Erfolg wird, hängt auch davon ab, wie zuverlässig sich die Teslas nach vier oder fünf Jahren im Einsatz erweisen. Vor allem geht es um die Lebens- und Leistungsdauer der Batteriepakete, die über 10 000 Dollar kosten.

Eine typisch amerikanische Start-up- Geschichte liefert Tesla in jedem Fall. Gegründet wurde die neue Marke im Sommer 2003 mit Risikokapital von Investoren. 2006 hatte der Roadster seine Autoshow-Premiere in San Francisco, im gleichen Jahr wurde der erste Showroom in Los Angeles eröffnet. Die Auslieferung begann im Frühjahr 2008. Die Entwicklungsingenieure und Designer warb Tesla bei anderen Herstellern ab, die Komponenten werden auf der ganzen Welt zusammengekauft: Motor und Steuerungsmodul stammen aus Taiwan, das Getriebe aus den USA, die Karbonfiber aus Frankreich, die Leichtbauweise vom britischen Sportwagenhersteller Lotus, Bremsen und Airbags aus Deutschland.

Namenspatron ist Nicola Tesla, ein Serbe, der 1884 in die USA einwanderte. In Amerika gilt er als der wahre Erfinder des Radios, auch wenn der Italiener Guglielmo Marconi den Nobelpreis erhielt – der US Supreme Court urteilte 1943, Nicola Tesla sei die zugrunde liegende Entdeckung elektromagnetischer Wellen zu verdanken. Aufgrund seiner exzentrischen Persönlichkeit, vor allem aber wegen seiner fantasievollen Prognosen, welche technischen Fortschritte in der Zukunft möglich seien, zog er sich später den Ruf eines „mad scientist“ zu. Mit seinen Finanzen ging er achtlos um, 1943 starb er, 86-jährig und mittellos.

Jeremy Snyder lacht auf die Frage nach dem Namensgeber. „Ob arm gestorben oder nicht: Er war ein großer Erfinder. Und im Geschäftemachen sind wir besser als er.“ Snyder holt ein langes, orangefarbenes Kabel aus dem Kofferraum und stöpselt den Roadster ans Netz. Nach den Spritztouren quer durch Los Angeles braucht er Saft – damit das Auto und die Geschäfte auch morgen laufen.

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