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Verkehrskollaps oder Verkehrswende? In Städten wie Berlin lässt sich beobachten, wo Mobilität an ihre Grenzen stößt - und welche Auswege es aus der Sackgasse gibt.

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Update

Mit Markus Söder, Luisa Neubauer, Peter Altmaier: Das war der Future Mobility Summit 2021

Zum elften Mal fand am Dienstag der Future Mobility Summit des Tagesspiegels statt. Dort warf die Branche einen Blick in die Zukunft der Mobilität.

Die Bundesregierung ist optimistisch, dass Deutschland seine Klimaziele im Verkehrssektor mit Hilfe einer höheren Förderung alternativer Antriebe früher als geplant erreicht. „Wir können die Dekarbonisierungsziele möglicherweise etwas schneller erreichen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Dienstag auf dem 11. Future Mobility Summit des Tagesspiegel.

Die Nachfrage nach Kaufprämien für Elektroautos gehe aktuell durch die Decke, sagte Altmaier. „Ich war gezwungen, beim Finanzminister einen ordentlichen Nachschlag für den Umweltbonus zu beantragen.“ Das Kabinett werde in der nächsten Sitzungswoche die Klimaziele für den Verkehrssektor nach 2030 anpassen. Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland Treibhausgasneutralität erreichen.

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Auf der überwiegend digital veranstalteten Konferenz mit gut 2000 angemeldeten Teilnehmern diskutieren nationale und internationale Branchenexperten, Politikerinnen und Unternehmer über den Neustart in der Mobilitätsbranche nach der Corona-Pandemie und die Perspektiven nach der Bundestagswahl.

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Altmaier bekräftigte das Ziel der Technologieoffenheit. „Wir wollen, dass sich die technisch besten und günstigsten Lösungen durchsetzen - das überlassen wir dem Markt.“ Zugleich bekräftigte der Minister das Ziel, eine wettbewerbsfähige Batteriezellproduktion in Europa aufzubauen.

Weitere Informationen zum Summit finden Sie hier.  

„Wir werden 25 bis 30 Prozent des globalen Batteriebedarfs Ende des Jahrzehnts in der EU decken“, sagte Altmaier. Wenn der Verkehr bis 2040 klimneutral werden wolle, dann könnten die noch verbleibenden Millionen Verbrenner nur mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) fahren. Diese seien heute aber noch acht Mal teurer als herkömmliche Kraftstoffe.

Synthetische Kraftstoffe mit zweifelhafter Wirkung

Zweifel an der künftigen Bedeutung der E-Fuels für die Bestandsflotte äußerte Henning Kagermann, Vorsitzender der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM). Von alternativen Kraftstoffen sei im Pkw-Bereich „kein allzu großer Beitrag“ bei der CO2-Minderung zu erwarten. Sie würden politisch zu kontrovers diskutiert.

Nach der Verschärfung der Klimaziele in der EU und in Deutschland müsse der Ausbau der Elektromobilität deshalb deutlich beschleunigt werden. So seien bis 2030 bis zu 14 Millionen batterieelektrische Neuwagen notwendig, die bis zu 22 Millionen Tonnen CO2 einsparen könnten. Zudem müsse eine „flächendeckende kundenfreundliche und intelligente Ladeinfrastruktur“ aufgebaut werden.

Die Frage, wie die Bestandsflotte künftig sauberer werde, bleibe aber wichtig. „Wir müssen jetzt verstärkt schauen, wie wir Bestandsfahrzeuge einbeziehen“, sagte Kagermann. Hier seien Effizienzsteigerungen, die Digitalisierung sowie eine Verlagerung des Verkehrs auf Schiene und ÖPNV notwendig.

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Der Ölkonzern BP, der sich heute als „integriertes Energieunternehmen“ definiert, will Treiber der Kraftstoffwende werden. „Wir werden Maßstäbe setzen und wollen Tempomacher sein“, sagte Wolfgang Langhoff, Vorstandsvorsitzender von BP Europe. Bis 2030 strebe der Konzern eine Reduzierung der Öl- und Gasförderung um 40 Prozent an sowie eine Verzehnfachung bei Erneuerbaren Energien.

BP wolle vor allem beim Ausbau der Ladeinfrastruktur Tempo machen. Schon bis Ende dieses Jahres sollen 500 Schnellladepunkte an Aral-Tankstellen installiert sein. „Die Tankstelle hat Zukunft“, sagte Langhoff. Auch synthetische Kraftstoffe würden für Pkw gebraucht, weil die Bestandsflotte nicht anders dekarboniert werden könne. „2030 werden in Deutschland 49 Millionen Pkw auf der Straße sein, die können nicht alle elektrisch fahren.“

VDA-Präsidentin Hildegard Müller zeigte sich überzeugt, dass es auch in Zukunft „ein Bedürfnis nach individueller Mobilität“ geben wird – anders als die Grünen-Spitzenkandidatin für Berlin, Bettina Jarasch. „Ist das die Lebensrealität der Menschen?“, fragte Müller. Mobilität bedeute in erster Linie Teilhabe. Das autonome Fahren werde dazu als auch zu mehr Sicherheit beitragen – allerdings sei dafür der Ausbau des 5G-Netzes unerlässlich. 

Luisa Neubauer: Von alten Technologien verabschieden

Wäre ein festes Ausstiegsdatum für den Verbrennungsmotor hilfreich? Luisa Neubauer, Klimaaktivisitin von Fridays For Future (FFF), hält wenig von einer Diskussion um Jahreszahlen. „Wichtiger wäre es, wenn wir über Emissionsbudgets sprechen, die begrenzt sind“, sagte sie am Dienstag. So sei auch der deutsche „Bundesemissionshaushalt“ endlich, „damit müssen wir umgehen“. Dies passiere jedoch nicht, „weil man sich das politisch nicht traut“.

Der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2025 sei gleichwohl kein „politischer Tagtraum“, sondern wissenschaftlich gut begründet, sagte Neubauer und verwies auf eine Studie des Wuppertal-Instituts im Auftrag von FFF.

„Innovation müssen wir zweigleisig denken, das heißt, wir müssen uns von alten Technologien verabschieden.“ Trotz anders lautender Ankündigungen sei diese Erkenntnis bei den Autoherstellern noch nicht gereift. „Wir brauchen weniger Autos, bei den Herstellern geht es aber um Wachstum, um mehr Autos.“

Die Hersteller argumentieren, die milliardenschweren Investitionen in neue Antriebe und die Digitalisierung seien nur finanzierbar, wenn das Kerngeschäft floriere. Vor allem im Wettbewerb mit ganz neuen Konkurrenten steht die Branche vor großen Herausforderungen. „Die Autobauer entwicklen sich zu Tech- und Softwareunternehmen“, sagte Marianne Janik, Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland. Der Vorsprung der etablierten Tech-Konzerne werde sich nicht halten lassen. „Wir kommen auf Augenhöhe.“ Damit entstünden andere Partnerschaften, das „Geben und Nehmen“ zwischen Auto- und Tech-Branche werde sich anders ausbalancieren. „Auch hier gilt aber: Augen auf bei der Partnerwahl“, warnte Janik.

Daumenschrauben für den ÖPNV?

Wie schwergängig Partnerschaften beim Thema Datenaustausch sein können, beschrieb Thomas Jarzombek, Beauftragter für Digitale Wirtschaft und Start-ups und Koordinator für Luft- und Raumfahrt im Bundeswirtschaftsministerium. In scharfer Form griff er öffentliche ÖPNV-Betreiber an, die nicht bereit seien ihre Daten zur Verfügung zu stellen - etwa, um intermodale Mobilitäts-Apps zu ermöglichen. „Wir müssen hier Daumenschrauben anlegen, es gibt kaum Innovation“, sagte Jarzombek. „Aber wir können den ÖPNV nicht zwingen.“ Deshalb sei ein Mobilitätsdatengesetz nötig, das keine Zustimmungspflicht der Länder vorsehe. „Die vom Steuerzahler finanzierte Infrastruktur muss besser genutzt werden.“

Der Steuerzahler sollte nach Meinung des bayerischen Miniaterpräsidenten Markus Söder (CSU) sogar noch tiefer in die Tasche greifen, damit der ÖPNV moderner, vernetzter und kundenfreundlicher wird. „Wir brauchen den Ausbau und einen Paradigmenwechsel bei der Finanzierung, die bisher vor allem bei den Ländern liegt“, sagte Söder, dem eine „Erreichbarkeitsgarantie“ für Busse und Bahnen vorschwebt, die der Bund zu großen Teilen finanziert.

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