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Ein ICE der Deutschen Bahn.

© dpa/Boris Roessler

Update

Nach gescheiterten Verhandlungen: EVG geht in Urabstimmung über unbefristete Streiks bei der Bahn

Die Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn sind gescheitert. Nun soll die Aussicht auf einen harten Arbeitskampf den Arbeitgeber überzeugen – womöglich mitten in den Sommerferien.

| Update:

Bei der Bahn drohen möglicherweise noch im Sommer unbefristete Streiks mit zahlreichen Zugausfällen. Der Bundesvorstand der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat am Donnerstag in Berlin beschlossen, die Mitglieder in einer Urabstimmung darüber entscheiden zu lassen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.

Den Fahrgästen der Deutschen Bahn und auch der Konkurrenzunternehmen könnten damit unruhige Wochen bevorstehen.

Für unbefristete Streiks braucht die EVG bei der Urabstimmung 75 Prozent Ja-Stimmen. Das sagte EVG-Chef Martin Burkert am Donnerstag in Berlin. Angeschrieben werden in den kommenden Tagen demnach 110.000 Mitglieder, die alle Beschäftigte der Deutschen Bahn sind. Damit die Abstimmung gültig ist, müssen mindestens 75 Prozent der Angeschriebenen ihre Stimme abgeben. „Ich gehe von einer großen Beteiligung aus“, sagte Burkert.

Wenn drei Viertel für unbefristete Streiks stimmen, werde der Bundesvorstand der Gewerkschaft die konkreten Streikmaßnahmen beschließen. Burkert geht davon aus, dass es bis dahin vier bis fünf Wochen dauern wird, also bis Ende Juli. Warnstreiks sind in dieser Zeit nicht ausgeschlossen.

Wir fordern nichts Unmögliches. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind es, die dafür sorgen, dass Bus und Bahn trotz aller nicht von ihnen zu verantwortenden Widrigkeiten täglich fahren.

EVG-Chef Martin Burkert

Auf die Frage, ob sich die Gewerkschaft parallel zur Urabstimmung auf ein Schlichtungsverfahren einlassen würde, sagte EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch: „Vorstellen kann man sich grundsätzlich viel. Aber heute haben wir was anders beschlossen, und da werden wir jetzt erstmal unseren Weg weitergehen.“

Am Mittwochabend hatte die Tarifkommission der EVG die Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn für gescheitert erklärt. Sie begründete den Abbruch damit, dass die von der Bahn angebotene Gehaltserhöhung - nach dpa-Informationen 420 Euro im Monat - zu niedrig sei und zu spät komme. Die dabei vorgesehene Vertragslaufzeit von 27 Monaten sei „deutlich zu lang“, hieß es.

„Wir werden jetzt in die Vorbereitung der Urabstimmung gehen, mit allen damit verbundenen Folgen. Unbefristete Streiks werden dadurch möglich“, sagte EVG-Chef Martin Burkert. „Wir sind nach wie vor verhandlungsbereit.“ Um zu einem Abschluss zu kommen, müsse die Deutsche Bahn jetzt noch mal „ordentlich nachlegen“.

„Wir fordern nichts Unmögliches. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind es, die dafür sorgen, dass Bus und Bahn trotz aller nicht von ihnen zu verantwortenden Widrigkeiten täglich fahren und erwarten dafür zu Recht eine angemessene Bezahlung“, sagte Burkert.

Diese Eskalation ist absolut unnötig, wir waren ganz kurz vor dem Abschluss.

Bahn-Sprecher Matthias Waha

Angesichts der immer noch hohen Inflation erwarteten die Beschäftigten „umgehend“ eine kräftige Lohnerhöhung. „Die DB AG wollte aber in einem ersten Schritt nicht mehr als 200 Euro mehr zahlen und das auch erst im Dezember.“ Das sei zu wenig und zu spät. „Dass wir unsere Forderung nicht in voller Höhe durchsetzen werden, ist völlig klar, aber in die Nähe wollen wir schon kommen“, sagte Burkert.

Die Bahn reagierte erbost auf die Ankündigung durch die EVG. „Diese Eskalation ist absolut unnötig, wir waren ganz kurz vor dem Abschluss“, erklärte Bahn-Sprecher Matthias Waha. Es sei ein „Unding“, Reisende mit Streikdrohungen zu verunsichern und ihnen möglicherweise „die Sommerferien zu vermiesen“.

„Es liegen 140 Seiten unterschriftsreifer Tarifvertrag auf dem Tisch“, fuhr der Bahnsprecher fort. Alles bisher in den Verhandlungen Erreichte sei nun weg und ein Abschluss der Tarifrunde werde durch die Urabstimmung um Monate verzögert. An der Bahn liege es nicht, betonte Waha, „sie ist weiterhin lösungsbereit“.

Die Tarifrunde zwischen Bahn und EVG hatte bereits Ende Februar begonnen. Zwei Mal gab es begleitend zu den Verhandlungen bereits Streiks.

Die EVG ging mit dem Ziel einer Festbetragserhöhung von mindestens 650 Euro im Monat oder zwölf Prozent bei den oberen Lohngruppen in die Gespräche. Die Laufzeit sollte nach ihren Vorstellungen ein Jahr betragen.

Die Bahn hat nach eigenen Angaben zuletzt einen hohen Festbetrag, eine Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro und weitreichende strukturelle Verbesserungen bei 27 Monaten Laufzeit des Tarifvertrags in Aussicht gestellt.

Durch den Vorstandsbeschluss von Donnerstag könnten die Sommerferien in mehreren Bundesländern nun durch lange Streiks gestört werden. In Nordrhein-Westfalen haben die Ferien schon begonnen, am 6. Juli folgen Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt.

Zu Beginn der laufenden Woche hatte die EVG mit Tarifeinigungen bei einigen Privatbahnen überrascht, bei denen Lohnerhöhungen von 420 Euro in mehreren Stufen, eine Laufzeit von meist 21 Monaten und 1000 bis 1400 Euro Inflationsausgleichsprämie vereinbart wurden.

Die auch bei diesen Eisenbahn-Unternehmen zunächst geforderten 650 Euro mehr pro Monat bei zwölf Monaten Laufzeit hatten aber offensichtlich hohe Erwartungen ausgelöst: Unter den Mitgliedern der EVG wurden die Abschlüsse kontrovers diskutiert. (dpa)

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