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Etwas bedröppelt sah die Verhandlungsführerin der GEW, Ilse Schaad, vor zwei Jahren aus, als es keinen Abschluss für die Lehrer gab. Das soll in diesen Tagen anders werden, dafür haben die ostdeutschen Lehrkräfte protestiert, die deutlich schlechter entlohnt werden als im Westen.

© picture alliance / dpa

Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst: Ohne Lego gibt es Ärger in der Schule

Die Lehrer stehen im Mittelpunkt des Tarifpokers für den öffentlichen Dienst. An diesem Freitag wird bei den Verhandlungen in Potsdam ein Abschluss erwartet.

Geld ist Männersache. Nicht unbedingt zu Hause, aber in der großen Welt des deutschen Tarifsystems. Frauen sind so gut wie nie dabei, wenn es in langen Nächten um Gehälter oder Arbeitszeiten geht. Auf beiden Seiten des Pokertisches sitzen Männer, weil Verbände und Gewerkschaften von Männern geführt werden. Ilse Schaad ist eine Ausnahme. Seit Donnerstag spielt zwar wieder Verdi-Chef Frank Bsirske die tragende Rolle der Gewerkschaften am Templiner See in Potsdam, wo im Kongresshotel um einen Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst der Länder gerungen wird. Doch Schaad ist in einer herausragenden Nebenrolle dabei, weil es vor allem um ihre Leute geht: Lehrerinnen und Lehrer. „Seit 25 Jahren steht das Thema Lehrereingruppierung bei mir ganz oben.“ Jetzt soll das endlich abgehakt werden.

Die 1949 in Hessen geborene Schaad ist Lehrerin für Deutsch und Englisch. 1978 kam sie nach Berlin, wo sie bis 1995 an der Carl-von-Ossietzky-Schule in Kreuzberg unterrichtete; dann wurde sie Hauptamtliche bei der Lehrergewerkschaft GEW und schließlich Vorstandsmitglied. In diesem Frühjahr, wenige Monate vor dem Ruhestand, will sie in den Tarifverhandlungen Lego durchsetzen. Lego steht für Lehrerentgeltordnung und meint eine bundesweit einheitliche Eingruppierung der Lehrer, die nicht verbeamtet sind. Und das sind einige Hunderttausend – in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern gibt es überhaupt keine verbeamteten Lehrer.

Die Arbeitgeber nutzen den rechtsfreien Raum für ihre angestellten Lehrer, um sie mehr oder weniger willkürlich einzugruppieren: In Ostdeutschland insgesamt um rund eine Gehaltsgruppe niedriger als im Westen, die Sachsen liegen sogar zwei Gruppen unter Westniveau. Unerträglich findet das Schaad, die überhaupt eine ständige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Lehrer konstatiert. So sei etwa deren Arbeitszeit „so hoch wie seit 1904 nicht mehr“.

„Die Bezahlung der Lehrer ist eigentlich eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung; die wird aber nicht wahrgenommen“, sagt Schaad. Da Lehrer inzwischen für Grundschulen und überhaupt für naturwissenschaftliche Fächer knapp werden, werben sich die Länder das Personal ab: In Baden-Württemberg ist der Köder bis zu 800 Euro groß, in Berlin sind 500 Euro nicht unüblich. Mit diesem „Schwarzmarkt bei der Lehrereingruppierung wollen wir Schluss machen“, sagt Schaad und freut sich über den Druck von der Straße. „In diesem Jahr haben doppelt so viele Lehrkräfte, die in der GEW organisiert sind, gestreikt wie 2011.“ Wenn die Arbeitgeber das nicht beeindruckt und der ganze Aufwand ergebnislos bleiben sollte wie bei den letzten Tarifverhandlungen vor zwei Jahren, „bereiten wir uns auf einen Erzwingungsstreik vor“. Dann würden in den Ländern die Schulen bestreikt, in denen es viele angestellte Lehrer gibt: Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Bremen und – Berlin.

Ein Arbeitskampf ist immer ein Abenteuer, das weiß Schaad aus dem Jahr 1989. In den Berliner Kitas hatte sich Verdruss aufgestaut, der rot-grüne Senat mit dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper (SPD) stellte auf stur. Fast drei Monate kämpften die Erzieherinnen und Erzieher für längere Vor- und Nachbereitungszeiten und kleinere Gruppen in den Kitas. Sie verloren. „Nach elf Wochen waren die Eltern am Ende“, erinnert sich Schaad. Der Arbeitskampf musste ohne Ergebnis abgebrochen werden, weil die Eltern, die lange zu den Streikenden gehalten hatten, nicht mehr ohne Kinderbetreuung zurechtkamen. Eine bittere Stunde für die Tarifpolitikerin Schaad.

Jetzt geht es um die Lehrer. In den Verhandlungen vor zwei Jahren scheiterte eine Einigung am Votum des sächsischen Finanzministers Georg Unland (CDU), der für die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) die Verhandlungen mit seinen Minister- respektive Senatorkollegen aus Magdeburg und Bremen führt. Diesmal soll es klappen. Auch deshalb weil die Sachsen kapiert haben, welche Probleme die schlechte Bezahlung bei der Nachwuchsrekrutierung schafft. Deshalb hat Schaad zufolge die Dresdner Landesregierung bereits ein Gesetz zur höheren Eingruppierung vorbereitet. „Das hält sie aber zurück, weil sie die Lehrerentgeltordnung in den Tarifverhandlungen mit der allgemeinen Tariferhöhung verrechnen will.“

Schaad veranschlagt die Kosten von Lego mit 100 Millionen Euro für alle Länder, davon entfallen rund 32 Millionen auf Sachsen. Die Arbeitgeber rechnen ganz anders und kommen auf Kosten von knapp einer Milliarde Euro. Vermutlich liegt die Wahrheit, wie meist bei den Tarifverhandlungen, in der Nähe der Mitte. Mit einem Schlag wird das sowieso nichts, es geht um einen Stufenplan, der über viele Jahre zu einer einheitlichen Lehrergruppierung führt. „Wir müssen schauen, wie man die Schritte, die zusätzliche Kosten auslösen, strecken kann“, sagte Bsirske dem Tagesspiegel.

An diesem Freitag gibt es in Potsdam diverse Optionen: Ein Tarifabschluss mit einem ersten Lego-Schritt. Ein Abschluss ohne Lego, aber die Arbeitgeber verpflichten sich auf separate Verhandlungen über Lego nach dem Ende der Tarifrunde. Oder Schaad ruft ihre Mitglieder zur Urabstimmung über einen Arbeitskampf. Nach den Osterferien würde dann auch der Unterricht in Berliner Schulen dauerhaft eingestellt. Wenn es sein muss, elf Wochen oder mehr.

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