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Mitarbeiter finden und binden - das heißt auch Rücksicht nehmen auf die Religion der Leute, die an der Werkbank stehen.

© Hendrik Schmidt/dpa

Diversity-Konferenz: Ramadan im Schichtbetrieb

Glauben ist nicht einfach Privatsache. Arbeitgeber entdecken, dass es ihnen nutzt, wenn ihre Unternehmen für die Religiosität der Mitarbeiter offen sind.

Am Anfang war das Christentum. Christen, die auf der Reise einen Raum zum Beten suchten. Für sie entstand auf dem Flughafen von Frankfurt am Main eine kleine Kapelle. Dann kamen Juden, später Muslime. Inzwischen verfügt Europas größtes Flugkreuz über elf Gebetsräume, „ein kleines Jerusalem“ sagt Christian Meyer, der in der Flughafengesellschaft Fraport für Soziales und Diversity zuständig ist. Der Bedarf entstand mit den Gastarbeitern in den 1970ern. Seit langem aber betet in den Räumen auch Flughafenpersonal, und im Ramadan verköstigt Fraport nach Sonnenuntergang jetzt regelmäßig fastende Schichtarbeiter.

Die Angst vorm Kopftuch oder Kreuz

„Wenn Religion alles ist“ war das Thema des Podiums am Freitag. Für Firmen ist sie inzwischen mindestens ein Faktor des Personalmanagements. „Unternehmen sind nutzengetrieben“, sagt Hanna Daum, als CSR-Koordinatorin verantwortlich für gesellschaftliches Engagement beim Personaldienstleister Randstad. „Wir wollen Mitarbeiter finden und binden.“ Dafür müssen sie sich, wenn sie dies denn sind, auch als religiöse Menschen im Unternehmen angenommen fühlen. Wenn es Konflikte gibt – oder auch nur Angst davor – ums Kopftuch oder das Kreuz an der Halskette. Noch viel stärker aber im ganz normalen Alltag. „Den meisten Arbeitnehmern geht es um Offenheit“, sagt die Erlanger Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus. Darum, ob sie an einem religiösen Feiertag frei bekommen oder sich ohne schiefe Blicke zum Beten zurückziehen können.

Und wenn sie auf fünf Gebeten am Tag bestehen, fragt Moderator Ali Aslan, oder keine Alkoholika mehr ins Regal einsortieren wollen? „Der Arzt im OP wird nicht vom Patienten weglaufen, um zu beten“, sagt Spielhaus. Natürlich werde es da auch mal jemanden geben, „der einfach Stunk machen will“, ein großes Thema sehe sie da aber nicht.

"Unternehmen müssen Vorreiter sein"

Konflikte, das bestätigen alle auf dem Podium, befeuert auch die Mehrheitsgesellschaft. Noch 1970 machten Katholiken und evangelische Christen mehr als 90 Prozent der deutschen Bevölkerung aus, heute gerade noch 60 Prozent. Und die übrigen vierzig, sagt Eva Maria Welskop-Deffaa, Mitglied im Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi, seien „sehr bunt zusammengesetzt“. Die Vielfalt durch immer mehr Einwanderung werde größer, gleichzeitig gebe es immer noch viel „Zement in den Köpfen“.

Die Wirtschaft, meint Spielhaus, könnte viel davon wegklopfen. Nicht erst durch ein freundliches Arbeitsklima: „Das Problem liegt einen Schritt davor, beim Zugang zum Arbeitsplatz.“ Damit nicht noch mehr Hochqualifizierte in die Türkei, nach England oder die USA auswandern, wo sichtbare Religiosität ein geringeres Problem sei, müssten die Unternehmen auch einmal weiter sein als die Gesellschaft insgesamt. Sich „etwas trauen“.

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