
© dpa/Michael Kappeler
„Die Fakten und Realitäten wurden lange ignoriert“: Wirtschaftsministerin Reiche rechnet 2026 mit mehr Wachstum als bisher
Die Bundesregierung erwartet für das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent. Optimistisch gab sich Reiche trotzdem nur bedingt. Ein Großteil des Schubs geht auf den Staat zurück.
Stand:
Die Bundesregierung rechnet im nächsten und im übernächsten Jahr wieder mit einem spürbaren Wachstum der Wirtschaft. Nach 0,2 Prozent im laufenden Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt 2026 um 1,3 Prozent und 2027 um 1,4 Prozent steigen. Das ist das Ergebnis der Herbstprojektion der Regierung, die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat. Ihr Vorgänger Robert Habeck (Grüne) ging im Frühjahr nur von einem Wachstum von einem Prozent (2026) aus.
Die schwarz-rote Regierung liegt mit ihren neuen Prognosen damit auf einer Linie mit den führenden Wirtschaftsforschungsinstituten, die kürzlich ihre Gemeinschaftsgutachten vorgestellt hatten.
Wachstumsschub durch Sondervermögen
Der Aufschwung ist laut Reiche allerdings vor allem durch die Binnenwirtschaft sowie den Staat getrieben. Er gehe vor allem auf die hohen staatlichen Ausgaben für die Infrastruktur und die Verteidigungsfähigkeit zurück, so Reiche. Diese würden einen Wachstumsschub auflösen, vor allem am Bau. Die Bundesregierung hat im März ein 500-Milliarden-Euro schweres Sondervermögen sowie unbegrenzte Schulden für Rüstungsausgaben beschlossen. Reiches Abteilungsleiter teilte auf Nachfrage mit, der Wachstumseffekt gehe 2026 zu zwei Dritteln und 2027 zu einem Drittel auf das Sondervermögen zurück.
Auch der private Konsum soll das Wachstum stützen, da die Inflation perspektivisch nahe an dem EZB-Ziel von zwei Prozent bleibt und die Löhne vor allem bei kleineren Einkommen gestiegen sind. Von der Außenwirtschaft verspricht sich Reiche dagegen einen negativen Beitrag. Grund dafür sind die schlechteren weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Konkurrenz aus China sowie die Zölle des amerikanischen Präsidenten.
Wachstumspotenzial gesunken
„Deutschland droht zurückzufallen“, sagte Reiche in Berlin. Sie verwies unter anderem auf die hohen Energiekosten sowie die im Vergleich zum Bundeshaushalt gestiegen Sozialausgaben, während der Investitionsanteil gesunken sei. Auch ging sie auf das weiter sinkende Erwerbspotenzial ein: Während 1960 noch fünf Erwerbspersonen einen Rentner finanzierten, sind es heute nur noch 2,5 und 2035 gar nur noch zwei.
Das alles führt dazu, dass das Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft zunehmend zusammengeschrumpft ist. Es gibt an, viel stark sie unter voller Auslastung wachsen kann. In der letzten Dekade betrug es noch 1,5 Prozent. Heute sind es gerade einmal 0,5 Prozent. „Die Zahlen sind alarmierend“, sagte Reiche. „Die Fakten und Realitäten wurden lange ignoriert“.
Reiche mahnt zu Strukturreformen
Nun gehe es darum, zu kämpfen. Die Wirtschaftsministerin sieht Handlungsbedarf in mehreren Bereichen. „Um langfristiges Wachstum zu sichern, müssen wir den Reformstau auflösen: Energiekosten senken, private Investitionen fördern, die im internationalen Vergleich hohe Steuer- und Abgabenlast angehen, Bürokratie abbauen, Märkte öffnen und Innovationen ermöglichen“, sagte die CDU-Politikerin.
Deutlich einschneidendere Maßnahmen forderte Reiches Ökonomen-Beraterkreis in einem am Montag veröffentlichten Papier. Darin ist die Rede von einer Abschaffung der abschlagsfreien Frühverrentung („Rente mit 63“) und eine Anhebung des Renteneintrittsalters. Darauf angesprochen, wollte sich Reiche diese am Mittwoch nicht zu eigen machen. Fragen dazu wich sie aus und hob stattdessen beispielsweise die Wichtigkeit der privaten Altersvorsorge heraus.
Zum Reformbedarf insgesamt sagte Reiche: Allen im Kabinett sei klar, dass es kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem gebe. Das gehe man nun an. Nicht nur in diesem Herbst, sondern auch im nächsten. (mit Reuters/dpa)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: