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Rentner im Osten: Erst Gewinner, dann Verlierer

Von der deutschen Einheit haben viele Rentner im Osten zunächst profitiert. Doch das wird sich ändern: Gebrochene Berufsbiographien nach der Wende führen dazu, dass die gesetzliche Rente auf Dauer geringer ausfallen wird.

Für Norbert Blüm gab es keinen Zweifel: „Die Rentner sind die ersten Gewinner der deutschen Einheit“, erklärte der damalige Sozialminister im Januar 1995. Im Bundestag debattierten die Abgeordneten darüber, ob das nach der Wiedervereinigung geschaffene gemeinsame Rentenrecht für Ost und West geglückt sei. Für die Rentner in Ostdeutschland habe sich die Umstellung gelohnt, lobte der CDU-Politiker Blüm seine Reform. 16,7 Milliarden Ost-Mark hätten die letzten Rentenzahlungen in der DDR ausgemacht, inzwischen würden 63,5 Milliarden DM für den gleichen Personenkreis ausgegeben, rechnete er vor. Ein echter Fortschritt.

1990 wurden die Ostrenten eins zu eins auf DM umgestellt

Zum Start der Währungsunion waren die Ostrenten zunächst eins zu eins von Ost-Mark auf DM umgestellt worden. Mit dem „Rentenüberleitungsgesetz“, das am 1. Januar 1992 in Kraft trat, wurde anderthalb Jahre später ein gemeinsames Rentenrecht für Ost und West geschaffen. Die Altersbezüge werden seitdem im Grundsatz nach der gleichen Methode berechnet. Dazu gehört auch die jährliche Rentenanpassung, die es so in der DDR nicht gegeben hatte.

Frauen im Osten erhalten eine höhere Durchschnittsrente als ihre Geschlechtsgenossinnen im Westen

Die Statistiken der Deutschen Rentenversicherung Bund zeigen, dass Frauen im Osten davon profitiert haben. Im Schnitt erhalten sie eine höhere Altersrente als ihre Altersgenossinnen im Westen. Im Jahr 1992 lag der durchschnittliche Zahlbetrag im Osten bei 425 Euro, im Westen lediglich bei 367 Euro. Daran hat sich bis heute nichts geändert: 2013 erhielten Ost-Rentnerinnen im Schnitt 755 Euro, im Westen waren es 425 Euro. Das liegt auch an den unterschiedlichen Biographien: In der alten Bundesrepublik stiegen viele Frauen vorübergehend oder ganz aus dem Beruf aus, wenn sie Kinder bekamen. In der DDR hingegen fingen Mütter schnell wieder an zu arbeiten, sie konnten so durchgehende Arbeitsbiographien bis zum Rentenalter vorweisen.

Wer nach der Wende lange arbeitslos war, hat auch geringere Rentenansprüche erworben

Auch bei den Männern lagen zuletzt die durchschnittlichen Zahlbeträge im Osten (1096 Euro) leicht vor denen im Westen (1003 Euro). Das heißt allerdings nicht, dass die Einkommenssituation der Rentner besser ist als im Westen. Zu den Einkünften im Alter gehören neben der gesetzlichen Rente auch Betriebsrenten oder Kapitaleinkünfte. Im Osten sind diese kaum verbreitet, so dass Rentnerpaare im Westen in der Regel ein höheres Gesamteinkommen haben. Hinzu kommt: Auch bei der gesetzlichen Rente wird es zu Verschiebungen kommen. Inzwischen können viele Arbeitnehmer im Osten nicht mehr kontinuierliche Erwerbsbiographien vorweisen. Wer länger arbeitslos war, sich von einer ABM zur nächsten gehangelt hat oder sich mit Minijobs über Wasser hielt, erwirbt künftig auch geringere Rentenansprüche.

Der Rentenwert im Osten liegt inzwischen bei knapp 93 Prozent des Westniveaus

Auch 25 Jahre nach der Einheit ist das Rentensystem noch nicht ganz vereinheitlicht. Angesichts der großen ökonomischen Unterschiede in Ost und West beschloss man mit der Rentenreform 1992, bei der Berechnung der Renten mit unterschiedlichen Rechengrößen zu operieren – und zwar „bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse“. Diese Übergangszeit hält immer noch an. Bis heute ergibt sich die Rentenhöhe aus den individuell erworbenen Ansprüchen (Entgeltpunkte), die mit dem Rentenwert multipliziert werden. Da sich der Rentenwert nach den Durchschnittseinkommen richtet, fällt er im Osten niedriger aus. Ab dem 1. Juli dieses Jahres liegt er bei 92,6 Prozent des Westniveaus, 1992 war man bei 62 Prozent gestartet.

Spätestens 2020 soll es ein einheitliche Rentenwerte geben

Die Linkspartei fordert seit langem eine Angleichung der Rentenwerte in Ost und West. Doch was sich einfach anhört, ist im Detail kompliziert. Zur Rentenreform 1992 gehörte auch, dass die individuellen Einkünfte der Beschäftigten im Osten wegen der deutlichen Lohnunterschiede höher bewertet werden als sie tatsächlich sind. Würde man den Rentenwert Ost auf Westniveau anheben und auf diese Höherwertung verzichten, könnte es im Osten eine Menge Verlierer geben. Für das Problem hat die große Koalition bisher noch keine Lösung gefunden. Im Koalitionsvertrag stellen Union und SPD eine vollständige Angleichung der Rentenwerte spätestens für 2020 in Aussicht. 30 Jahre nach der Einheit wäre es dann soweit.

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