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Bas räumt Fehler der Politik ein: „Wenn Geld gefehlt hat, wurde in die Rentenkasse gegriffen“
Die Sozialministerin hat ihren Vorschlag bekräftigt, auch Beamte in die Rentenversicherung einzubeziehen. Die größte deutsche Gewerkschaft sieht bei dem Thema dringenden Handlungsbedarf.
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In der Krise sind funktionierende Sozialsysteme noch wichtiger als in normalen Zeiten. Und Geld dafür ist da, jedenfalls nach Einschätzung der IG Metall: Mit Vermögen-, Erbschafts- und Ertragssteuern könnten die Sozialversicherungen auch die demografischen Herausforderungen bewältigen, sagt Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall.
Die größte deutsche Gewerkschaft veranstaltet einen zweitägigen Sozialstaatskongress in Berlin mit dem programmatischen Motto „Der Sozialstaat ist mehr wert, als er kostet“. Zentrale Forderungen der IG Metall sind ein höheres Rentenniveau sowie eine Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege, in die alle Erwerbstätigen einzahlen.
Wenn wir vom Sozialstaat reden, dann meinen wir Ausbau.
Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall
Als „Gerechtigkeitsskandal“ werde zunehmend die „Zwei-Klassen-Medizin“ wahrgenommen. Auch deshalb sei die Abschaffung der privaten Krankenversicherung überfällig.
„Wenn wir vom Sozialstaat reden, dann meinen wir Ausbau“, sagte Urban auf dem Kongress, auf dem auch die neue Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) auftrat. Deren Vorschlag, auch Beamte in die Rentenversicherung einzubeziehen, war kürzlich vom Koalitionspartner CDU/CSU zurückgewiesen worden.
Bas bekräftigte ihn am Dienstag aber. Es werde ein langer Weg, aber eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen, sei ihr wichtig. Und sie gab sich in Sachen Rente ehrlich: „Die Wahrheit ist auch: Die Politik hat immer wieder, wenn Geld gefehlt hat, in die Rentenkasse gegriffen. Egal welche Farbe und wer gerade regiert hat.“
Ob Rente, Bürgergeld oder Arbeitszeitgesetz: Bei den Themen ihres Ressorts sei in den kommenden Jahren mit viel Streit zu rechnen. Sie wolle pragmatisch für Lösungen arbeiten.
Zuvor war die Ministerin beim „Tag der Jobcenter“ aufgetreten und hatte dort angekündigt, wie im Koalitionsvertrag verabredet, die Regeln für Bürgergeld-Bezieher zu verschärfen. „Ein Termin im Jobcenter muss auch wahrgenommen werden. Wenn nicht, dann muss das auch spürbare Konsequenzen haben“, sagte Bas.
Später, bei der IG Metall, sprach sie verschiedene Themen an, um die sie sich kümmern muss. Etwa KI, die das Potenzial habe, zum Instrument für Kontrolle bis hin zur Diskriminierung zu werden. Die Beschäftigten sollten bald per Gesetz geschützt werden. Die Ministerin sagte auch: „Es bringt mich echt in Rage, wenn immer unterstellt wird, es wird in diesem Land zu wenig gearbeitet.“
Um die Sozialstaatsdebatte mit Fakten zu unterlegen, hatte die IG Metall im vergangenen November ihre Mitglieder befragt. Ergebnis: Die gesetzliche Rente ist zu gering, um den Lebensstandard zu sichern, und die Gesundheitsversorgung sowie die Situation in der Pflege werden immer schlechter.
89 Prozent der 5400 Teilnehmenden glauben nicht, die anfallenden Kosten im Fall einer Pflegebedürftigkeit tragen zu können.
Auffallend negativ fallen die Aussagen über die Tragfähigkeit der Sozialsysteme bei Metallern mit Migrationshintergrund und bei Ostdeutschen aus. Ursächlich dafür sind die vergleichsweise schlecht bezahlten Arbeitsplätze, die damit zusammenhängende Angst vor Altersarmut und das geringe Vermögen.
„Der Sozialstaat ist eine Investition in die Zukunft“
„Der Koalitionsvertrag enthält keinen strategischen Entwurf für eine sozialverträgliche Transformation“, kritisierte IG-Metall-Vorstand Urban. Das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Rentenniveau von 48 Prozent sei nur bis 2031 vorgesehen, die Ampel dagegen habe das Niveau bis 2040 sichern wollen.
„Der Sozialstaat ist keine Last, sondern eine Investition in unsere gemeinsame Zukunft“, sagte Urban. Zwei Drittel der befragten Gewerkschaftsmitglieder würden sogar höhere Sozialabgaben und Steuern akzeptieren, „wenn dem auch bessere Leistungen gegenüberstünden“.
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