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© ddp

Stromversorger: Sozialtarife spalten Energiebranche

Umweltminister Gabriel will billigen Strom für Arme. Die Energiekonzerne Eon und RWE finden das gut, Vattenfall und EnBW allerdings nicht. Uneinigkeit besteht auch darin, wer die Mehrkosten übernehmen soll.

Berlin - Die Forderung nach Einführung von Sozialtarifen für Arme stoßen in der Energiebranche auf unterschiedliche Resonanz. Während Marktführer Eon bereits seit Anfang dieses Jahres bei all seinen sieben Regionalversorgern Billigtarife für sozial Schwache anbietet, prüft der Branchenzweite RWE derzeit die Einführung eines solchen Sozialtarifs. „Wir nehmen den Vorstoß des Umweltministers sehr ernst“, sagte ein Sprecher am Freitag auf Anfrage.

Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte am Donnerstag niedrigere Strom- und Gaspreise für arme Haushalte gefordert und das mit den drastisch gestiegenen Energiekosten begründet. Seit dem Jahr 2000 seien die monatlichen Ausgaben eines Durchschnittshaushalts um 75 Euro gestiegen. Währenddessen hätten die Energieversorger durch die kostenlose Zuteilung von Verschmutzungsrechten milliardenschwere Zusatzgewinne gehabt. Eigentum verpflichte, sagte Gabriel, „alle Energieversorger sollten dauerhaft einen solchen Sozialtarif in der Grundversorgung anbieten“.

Bei EnBW (Energie Baden-Württemberg) blitzt Gabriel dagegen mit seinem Vorstoß ab. „Wir haben keinen Sozialtarif, und wir planen auch keinen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Vielmehr suche man in Einzelfällen nach flexiblen Lösungen. Das tut auch Vattenfall. „Die Stromabschaltung ist das letzte Mittel“, betonte Sprecher Olaf Weidner. In Berlin geschehe das jedes Jahr rund 20 000 Mal. In den meisten Fällen fände man jedoch mit den säumigen Kunden eine gütliche Lösung, etwa über Ratenzahlungen oder Stundungen.

Einen Sozialtarif gibt es bei Vattenfall nicht. Der Versorger ist nach eigenen Angaben zwar für Gespräche offen, will aber nur gemeinsam mit den Sozialpartnern und der Politik nach Lösungen suchen. Nach Meinung des Deutschen Mieterbundes spielen die Versorger auf Zeit. „Ich habe erhebliche Zweifel, dass sich die Energiekonzerne als Samariter betätigen werden“, sagte der Präsident des Mieterbundes, Franz-Georg Rips, dem Tagesspiegel. „Dafür ist der Hunger nach Rendite zu groß.“ Dennoch begrüßte Rips den Vorschlag Gabriels. „Alles, was die betroffenen Haushalte entlastet, ist hilfreich“, betonte der Mieterschützer. Allerdings dürfe das nicht dazu führen, dass sich die Politik aus der Verantwortung für sozial Schwache zurückziehe. Auch Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, unterstützt Gabriel. Die Mehrkosten könnten aus den Gewinnen der Konzerne bezahlt werden und dürften nicht auf die übrigen Verbraucher abgewälzt werden, warnte der Verbraucherschützer jedoch.

Das Bundeskartellamt sieht das anders. Für soziale Transfers sei der Staat zuständig und nicht die Unternehmen, kritisierte eine Sprecherin den Vorstoß Gabriels. Transferzahlungen sollten direkt an sozial Schwache fließen, ein Ausgleich über subventionierte Stromtarife sei nicht sinnvoll.

Der Staat hat sich aus der Tarifgestaltung im Energiebereich zurückgezogen. Bis Mitte vergangenen Jahres hatten die Versorger ihre amtlichen Tarife noch von den Länderwirtschaftsministern genehmigen lassen müssen, seit dem 1. Juli 2007 sind sie in ihrer Tarifgestaltung frei. Konsequenz: Zum Stichtag 1. Juli hatten 113 Versorger ihre Preise erhöht. Sozialtarife gibt es seit der Privatisierung der einstigen Staatsunternehmen nur noch selten. Zu den wenigen Ausnahmen gehört die Deutsche Telekom. Auch Eon steht mit seinen Sozialtarifen in der Branche allein da. Bei Eon sind bedürftige Kunden von der Grundgebühr befreit. Je nach Anbieter liegt die Ersparnis bei den sieben Regionaltöchtern zwischen 60 bis 120 Euro im Jahr, berichtete ein Sprecher. Als Nachweis für die Bedürftigkeit gilt die Befreiung von der Rundfunkgebühr.

Eon hatte mit rund 32 000 Verträgen gerechnet, tatsächlich sei die Nachfrage aber deutlich geringer, hieß es. Nur die Hälfte des Kontingents werde derzeit in Anspruch genommen. Der Tarif werde aber nicht aktiv beworben, betonte ein Sprecher. Eon wolle sich mit seinem Engagement nicht in den Vordergrund spielen.

Nach Einschätzung von Branchenkennern sind es aber nicht nur edle Motive, die für die Einführung eines Sozialtarifs sprechen. Vielmehr sei es für die Versorger teuer, säumige Kunden anzuschreiben, zu mahnen und hinter dem Geld herzulaufen. Ein solcher Kunde bringe keinen Gewinn mehr. Daher sei es auch betriebswirtschaftlich sinnvoll, von vorneherein günstigere und damit bezahlbare Tarife anzubieten.

Von billigen Sozialtarifen würde aber auch die öffentliche Hand profitieren. Bei Hartz IV sind die Stromkosten im Regelsatz enthalten. Zudem werden die Mietkosten übernommen, in denen auch die Heizkosten enthalten sind. Auch bei der Grundsicherung für arme Rentner und Erwerbsunfähige trägt der Staat die Energiekosten.

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