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Wirtschaft: SPD will mehr Wohlstand

Neues Programm fordert Qualitätsoffensive und Erneuerung der Marktwirtschaft / Partei rückt von „Heuschrecken“-Kritik ab

Berlin - Die SPD will mit dem neuen Grundsatzprogramm ihren wirtschaftspolitischen Glaubenskanon gründlich entrümpeln. Der Einsatz für soziale Gerechtigkeit stehe „nicht im Widerspruch zu einer Politik, die für möglichst hohen Wohlstand sorgt“, heißt es in dem von Parteichef Kurt Beck mit führenden Sozialdemokraten erarbeiteten Impulspapier „Neue Werte schaffen!“, das dem Handelsblatt vorliegt. Die Programmskizze, die auch von den SPD-Linken Andrea Nahles und Heiko Maas unterzeichnet wurde, fordert weder die Vermögensteuer noch gesetzliche Mindestlöhne. Die frühere harsche Kritik an der Arbeit von Finanzinvestoren wird weitgehend relativiert.

Relativ lautlos bereitet die SPD derzeit ein neues Grundsatzprogramm vor, mit dem das bisherige Manifest von 1989 an die politischen und ökonomischen Veränderungen nach dem Untergang des Kommunismus angepasst wird. Das 17-seitige Wirtschafts-Papier, das auf einer Programmkonferenz am kommenden Montag diskutiert werden soll, hat zwar noch keinen offiziellen Charakter. Bereits wenige Tage später will der Parteivorstand jedoch den kompletten Rohentwurf des Parteiprogramms fertigstellen. Dabei dürfte er die von Vertretern unterschiedlicher Strömungen formulierten Wirtschaftspositionen de facto übernehmen.

Die Autoren, zu denen neben Beck, Nahles und Maas auch Umweltminister Sigmar Gabriel, Finanzminister Peer Steinbrück und SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler gehören, fordern angesichts der rasanten technologischen Entwicklung, der zunehmenden internationalen Konkurrenz und der demografischen Entwicklung in Deutschland: „Wir müssen die Soziale Marktwirtschaft erneuern, wenn wir sie erhalten wollen.“ Den bisherigen „wirtschaftspolitischen Defensivstrategien“ müsse eine „offensive Strategie des Qualitätswettbewerbs“ entgegengesetzt werden. Als Hochlohnland könne Deutschland nur mit besseren Produkten und Dienstleistungen überleben.

Dazu will die SPD auf eine „dritte industrielle Revolution“ setzen, in deren Mittelpunkt die Energie- und Ressourceneffizienz stehen soll. Zudem sollen die Sozialsysteme stärker über Steuern finanziert werden. Dadurch werde die „Kostenfalle“ dieser Dienstleistungen, die bislang über die Löhne finanziert würden, überwunden. Insbesondere die Gesundheitswirtschaft könne dann „als Faktor für Fortschritt, Wachstum und Beschäftigung“ begriffen werden, heißt es in dem Papier.

Bemerkenswert sind die Ausführungen zu den Kapital- und Finanzmärkten. Dort wird eingangs für eine „differenzierte Betrachtung“ der Entwicklung geworben. Die Diskussion, wie die Werte und Ziele der sozialen Marktwirtschaft mit den Spielregeln der globalen Finanzmärkte in Einklang gebracht werden könnten, stehe erst am Anfang: „Einfache Antworten sind nicht möglich.“

Auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung im November 2004 und später im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf im Frühjahr 2005 hatte der heutige Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) die Finanzinvestoren mit Heuschrecken verglichen, die kurzfristig einfliegen, „Substanz absaugen“ und „Unternehmen kaputtgehen“ lassen. Die SPD-Bundestagsfraktion verfasste damals eine Liste, die von Apax über Goldman Sachs bis zu KKR viele Branchengrößen an den Pranger stellte.

Von derart pauschalen Urteilen ist die maßgeblich von Finanzminister Steinbrück formulierte Passage des Impulspapiers weit entfernt. „Zu einem leistungsfähigen Finanzstandort gehört eine aktive Private-Equity-Branche“, heißt es dort. Die Finanzinvestoren legten jährlich rund 30 Milliarden Euro in Deutschland an. Die von ihnen finanzierten Unternehmen böten 800 000 Menschen Arbeit. Die SPD wolle deshalb „vernünftige Rahmenbedingungen“ für die Branche schaffen. Auch die Wettbewerbsfähigkeit bereits regulierter deutscher Hedge-Fonds wolle man „verbessern“. Allerdings sei darauf zu achten, dass die Fonds „nicht nur spekulative Strategien verfolgen, sondern ihre Kontrollfunktion wahrnehmen“. Die SPD wolle „prüfen“, ob „weitere Regulierungen erforderlich“ seien.

Auch an anderen Stellen hat sich Parteichef Beck mit seiner pragmatischen Linie durchgesetzt: So plädiert das Papier für eine „vorrangig tarifvertragliche Mindestentlohnung im unteren Einkommensbereich“. Gesetzliche Mindestlöhne werden nirgendwo erwähnt. Die von SPD-Parteitagen erhobene Forderung nach der Wiedereinführung der Vermögensteuer bleibt ebenfalls außen vor. In einem Halbsatz verlangen die Autoren nur allgemein, Unternehmen und vermögende Privathaushalte müssten sich „angemessen und zum Teil stärker als bisher“ an der Finanzierung von Bildung und Infrastruktur beteiligen. Die Unternehmensteuerreform wird ausdrücklich gelobt: „Ihre Zielsetzungen entsprechen sozialdemokratischer Steuer- und Wirtschaftspolitik.“ doe (HB)

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