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Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK): Peter Adrian.

© dpa/Sebastian Gollnow

„Unser Land ist auf dem Holzweg“: DIHK-Chef glaubt nicht an schnelle Erholung der Wirtschaft

Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer sieht tiefgreifende Probleme. Eine Analyse für die Autoindustrie untermauert Befürchtungen: Der Gewinn brach um die Hälfte ein.

Stand:

Schlechte Prognose für Deutschland: Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, hält eine schnelle Erholung der deutschen Wirtschaft kaum für möglich. „Ich glaube nicht, dass wir da kurzfristig wieder rauskommen. Aber wir müssen jetzt endlich die richtigen Schritte einleiten, um gegenzusteuern“, sagte Adrian den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Wir haben in der Grundstoffindustrie tiefgreifende Probleme, ebenso bei der Transformation im Fahrzeugbereich und dessen Zulieferindustrie. Auch der Maschinenbau ist betroffen und die Bauwirtschaft wegen des schwierigen Finanzierungsumfelds sowieso“ sagte Adrian.

Das zusammen mache gut 40 Prozent der industriellen Wirtschaftsleistung aus – und dort sei jetzt vielfach die Wertschöpfung heruntergefahren worden. „Wie soll da wieder Wirtschaftswachstum entstehen? Wir müssen nun dringend die Voraussetzungen schaffen, dass diese Bereiche wieder auf die Beine kommen“, so Adrian.

Wir müssen umdenken und bereit sein, schneller und einfacher neue Technologien zuzulassen.

Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK)

Mit Blick auf nötige Produktivitätssteigerungen sagte der DIHK-Chef: „Der Druck, das hinzubekommen, ist groß. Aber auch da ist unser Land leider insgesamt wegen der weit verbreiteten Technologiefeindlichkeit auf einem Holzweg. Produktivitätssteigerungen können wir ja nur mit Innovationen erreichen.“ Solche Fortschritte fänden derzeit eher in anderen Ländern statt. „Wir müssen umdenken und bereit sein, schneller und einfacher neue Technologien zuzulassen.“

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Prozent weniger Umsatz machten die deutschen Autobauer.

Europa fange zu oft damit an, Richtlinien und Gesetze aufzulegen, damit sich bloß nichts in die falsche Richtung entwickelt. „Dabei haben wir noch gar nicht richtig losgelegt. Vielleicht haben wir da die falsche Herangehensweise. Ein Apparat von Restriktionen, um jegliche mögliche Fehlentwicklung in Vorhinein zu verhindern, bremst eben.“  

Das von der EU beschlossene Verbot zur Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 kritisierte Adrian. „Grundsätzlich bin ich dagegen, dass irgendeine Bürokratie vorgibt, was die Wirtschaft machen darf oder nicht.“

Er glaube zwar auch, dass E-Mobilität eine große Zukunft habe. „Aber man muss den Wettbewerb um die effizientesten Systeme zulassen. Und vielleicht haben die Verbrenner ja in einem ganz bestimmten Anwendungsbereich eine Zukunft“, schränkte Adrian ein.

Mit Blick auf die politische Entscheidung der Bundesregierung, Ende des vergangenen Jahres die Kaufprämie für E-Autos wieder zurückzunehmen, äußerte Adrian ebenfalls Kritik. „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln hilft jedenfalls auch nicht. Das plötzliche Aus der Kaufprämie war nicht hilfreich“, erklärte er. Deutschland sei aus seiner Sicht aber auch nicht komplett abgehängt, was E-Mobilität angehe. „Da können wir noch aufholen.“

Adrians Befürchtungen für die deutsche Wirtschaft werden durch eine Analyse für die Autoindustrie untermauert: Die Krise der drei deutschen Hersteller nimmt demnach weiter an Fahrt auf.

Roboter arbeiten an der Karosserie von verschiedenen Automodellen.

© dpa/Daniel Josling

Von Juli bis September lag der operative Gewinn (Ebit) von Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz bei rund 7,1 Milliarden Euro – und brach damit im Vergleich zum dritten Quartal 2023 um annähernd die Hälfte ein. Der Umsatz sank um fast sechs Prozent auf 145,4 Milliarden Euro. Das geht einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa zufolge aus einer Analyse hervor, für die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY die Finanzkennzahlen der 16 weltweit größten Autohersteller aufgewertet hat.

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ging der Gewinn dem Bericht zufolge um 18 Prozent zurück, der Umsatz sank leicht um 0,4 Prozent.

Vor allem hinter den drei Unternehmen liegt nach Angaben von EY-Marktbeobachter Constantin Gall ein „rabenschwarzes Quartal“. Die Rekorde der Nach-Corona-Jahre hätten tiefliegende strukturelle Probleme verdeckt, die nun schonungslos zutage träten.

Die nächsten Jahre könnten brutal werden.

Constantin Gall, Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY

So falle es der deutschen Autoindustrie schwer, im Elektrobereich das Tempo der neuen Angreifer – zum Beispiel aus China – mitzugehen. Die Kosten seien zu hoch, die Apparate zu schwerfällig. „Die nächsten Jahre könnten brutal werden.“

Die Autoindustrie steckt angesichts schwacher Konjunktur in der Krise und leidet unter der schwachen Nachfrage vor allem nach E-Autos. Ford will bis 2027 in Deutschland 2.900 Stellen streichen. Im komplett auf Elektro umgestellten Werk in Köln, wo bereits Kurzarbeit gilt, soll jeder vierte Job wegfallen.

Bei VW stehen Lohnkürzungen, Werksschließungen und ein Stellenabbau im Raum. Dem Betriebsrat zufolge sind drei Werke und Zehntausende Jobs bedroht.

Mit Warnstreiks will die IG Metall dagegen mobil machen. Auch die Zulieferer Bosch, ZF, Continental und Schaeffler wollen Tausende Stellen abbauen. (lem)

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