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Saudi-Arabien hat im Westen einen schlechten Ruf, weil Mohammed bin Salman Kritiker ins Gefängnis stecken lässt und nach Erkenntnissen der USA und der UNO verantwortlich war für den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi.

© picture alliance/dpa/Saudi Press Agency

Saudi Arabien setzt auf Erneuerbare: Vom Öl-Riesen zum Wasserstoff-Giganten

Mit Milliarden-Investitionen in erneuerbare Energien will Saudi Arabien vom „Schmuddelkind-Image“ wegkommen.

Saudi-Arabien verdient so viel Geld wie noch nie. Der steile Anstieg des Ölpreises seit dem Beginn des Ukraine-Krieges hat dem staatlichen Ölkonzern Aramco allein von April bis Juni einen Profit von 48 Milliarden Dollar beschert – ein Weltrekord.

Der Gewinn fließt zum Teil in den weiteren Ausbau der Ölförderung, doch Riad investiert auch in eine Energiequelle, die dem Königreich über das Ölzeitalter hinaus eine globale Führungsposition im Energiesektor sichern soll: Saudi-Arabien will vom Öl-Riesen zum Wasserstoff-Giganten werden und plant schon den Transport nach Europa.

Wasserstoff wird für eine klimafreundliche Energieversorgung gebraucht. Derzeit werden nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur (IEA) in Paris nur 0,2 Prozent des weltweit produzierten Stroms aus Wasserstoff gewonnen; die IAE schätzt aber, dass die Welt bis zum Jahr 2050 rund zehn Prozent ihres Energiebedarfs aus klimafreundlichem Wasserstoff beziehen wird.

Im selben Zeitraum wird der Öl-Bedarf nach IEA-Berechnungen von derzeit 100 Millionen Barrel (159 Liter) täglich auf 77 Millionen Barrel sinken.

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Saudi-Arabien unter Kronprinz Mohammed bin Salman will den Absprung nicht verpassen und plant zwei Anlagen für sauberen Wasserstoff. Eine davon soll in der Zukunftsstadt Neom entstehen, die der Prinz für 500 Milliarden Dollar aus dem Wüstenboden im Nordwesten Saudi-Arabiens stampfen will und die bis zum Jahr 2045 neun Millionen Menschen ein CO2-neutrales Leben bieten soll.

Ab 2026 soll in Neom für fünf Milliarden Dollar Baukosten so genannter grüner Wasserstoff hergestellt werden, der mit erneuerbaren Energien gewonnen und deshalb besonders klimafreundlich ist. Eine zweite, 110 Milliarden Dollar teure Anlage im Osten des Landes ist für blauen Wasserstoff gedacht. Dabei wird Wasserstoff mit Erdgas gewonnen, das anschließend abgefangen und unterirdisch gelagert wird.

Noch ist die Herstellung von sauberem Wasserstoff teuer

Saudi-Arabien biete ideale Voraussetzungen für beide Vorhaben, glaubt die Regierung in Riad. Solar- und Windanlagen in der Wüste sollen Strom zur Herstellung des grünen Wasserstoffs liefern, während das riesige Erdgasfeld Dschafurah für den blauen Wasserstoff angezapft werden soll.

Der saudische Energieminister Prinz Abdulaziz bin Salman will Saudi-Arabien, den größten Öl-Exporteur der Welt, zum weltweit größten Anbieter von Wasserstoff machen und peilt für das Jahr 2030 die Ausfuhr von jährlich vier Millionen Tonnen Wasserstoff an.

Das ist angesichts der internationalen Bemühungen um eine Senkung von CO2-Emissionen zwar wenig: Allein Deutschland strebt bis 2030 einen jährlichen Bedarf von drei Millionen Tonnen sauberem Wasserstoff an. Aber für Saudi-Arabien soll das erst der Anfang sein.

Der weltweite Markt für grünen Wasserstoff könnte nach einem Bericht der „Financial Times“ bis 2050 ein Volumen von 600 Milliarden Dollar erreichen. Der ehemalige ThyssenKrupp-Manager Roland Käppner, Chef des Wasserstoff-Projektes in Neom, sagt voraus, die Zukunftsstadt in der Wüste werde „eines der weltweit führenden Zentren für die Entwicklung von grünem Wasserstoff“ sein.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vereinbarte im März eine erste Lieferung von blauem Wasserstoff aus den VAE nach Deutschland noch für dieses Jahr.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vereinbarte im März eine erste Lieferung von blauem Wasserstoff aus den VAE nach Deutschland noch für dieses Jahr.

© dpa

Noch ist die Herstellung von sauberem Wasserstoff teuer und der Transport schwierig. Die saudischen Behörden hoffen aber, diese Probleme lösen zu können. Riad erwartet, dass grüner Wasserstoff aus Saudi-Arabien besonders günstig sein wird, weil in der Wüste von Neom fast immer die Sonne scheint, was den Solarstrom billig macht.

Trotz der Transportkosten werde saudischer Wasserstoff bis 2030 in Europa konkurrenzfähig sein, schätzt die saudische Denkfabrik Kapsarc. Bei einem Besuch in Athen im Juli schlug Mohammed bin Salman der griechischen Regierung bereits vor, saudischen Wasserstoff über Griechenland nach Europa zu schicken.

Berlin sieht die Saudis als strategischen Partner

Der Kronprinz verfolge mit der Wasserstoff-Initiative drei Ziele, sagt Sebastian Sons, Experte für die arabischen Golfstaaten beim Bonner Forschungsinstitut CARPO. Zum einen sollen Jobs für junge Saudis entstehen, deren Unterstützung der Prinz für seine Reformen braucht.

Zudem will Mohammed bin Salman sein Land aus der Abhängigkeit vom Öl befreien. Und schließlich biete das Engagement im Zukunftsfeld der erneuerbaren Energien für Saudi-Arabien die Chance, vom „Schmuddelkind-Image“ wegzukommen, sagte Sons dem Tagesspiegel.

Saudi-Arabien hat im Westen einen schlechten Ruf, weil Mohammed bin Salman Kritiker ins Gefängnis stecken lässt und nach Erkenntnissen der USA und der UNO verantwortlich für den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi war.

Nun wolle der Prinz zeigen, dass Saudi-Arabien bei der „grünen Energiewende“ mitmache, sagte Sons. Die Bemühungen des Thronfolgers zeigen Wirkung. Deutschland hat in Riad ein „Wasserstoff-Diplomatiebüro“ eingerichtet, weil Berlin die Saudis in diesem Bereich als strategischen Partner sieht.

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Allerdings strebt nicht nur Saudi-Arabien nach einer Führungsrolle beim Wasserstoff. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) suchen eine Zukunft ohne Öl und Gas, haben viel Geld und viel Sonne – und können anders als die Saudis schon jetzt exportieren.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vereinbarte im März eine erste Lieferung von blauem Wasserstoff aus den VAE nach Deutschland noch für dieses Jahr. Südkoreanische Firmen wollen in den VAE für eine Milliarde Dollar eine Anlage zur Gewinnung von grünem Wasserstoff bauen. Der saudische Kronprinz Mohammed muss sich beeilen.

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