zum Hauptinhalt
Volker Geyer (links), der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke (mi.) und die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei Tarifverhandlungen.

© dpa/Christophe Gateau

Vom Postboten zum Spitzengewerkschafter : Volker Geyer wird Chef des Beamtenbundes

Der Tarifpolitiker Volker Geyer führt künftig den Dachverband der Beamten mit 1,3 Millionen Mitgliedern. Er folgt auf Ulrich Silberbach, der wegen einer Erkrankung vorzeitig abtritt.

Stand:

Der fitteste deutsche Gewerkschaftsboss ist ein Beamter. Volker Geyer joggt mehrmals die Woche im Berliner Tiergarten, er stemmt Gewichte im Sportstudio und bleibt mit Yoga beweglich. An diesem Programm soll sich auch künftig nichts ändern, wenn der 59-Jährige am 23. Juni dann zum Bundesvorsitzenden des Beamtenbundes (dbb) gewählt worden ist.

Mit 1,3 Millionen Mitgliedern ist der dbb der größte gewerkschaftliche Dachverband nach dem Deutschen Gewerkschaftsbund (5,6 Millionen Mitglieder). Während die DGB-Spitze traditionell der SPD angehört, reihen sich die dbb-Vorsitzenden ebenso traditionell bei der Union ein. Geyer tritt an die Stelle von Ulrich Silberbach, der seit 2017 den Beamtenbund geführt hat und aufgrund einer Krebserkrankung zurücktritt.

41 Gewerkschaften versammeln sich unter dem Dach des dbb, vom Berufsverband Bayerischer Hygieneinspektoren über den Fachverband Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung bis zum Verein der Rechtspfleger im Bundesdienst. Die bekanntesten dbb-Organisationen sind wegen ihrer Streikaktivitäten die Gewerkschaften der Lokführer (GDL) und Piloten (VC Cockpit).

Beamte dürfen nicht streiken, das setzt dem Tarifpolitiker und ehemaligen Postbeamten Geyer Grenzen.

Auf Großvaters Spuren

Geyer wandelt auf den Spuren seines Großvaters. Im Haus der Großeltern in der Nähe von Bamberg gab es eine Poststelle, und der Großvater vertrat als Personalrat die Interessen der Bediensteten. Geyer lernte Postbote, studierte anschließend und schlug eine Laufbahn im mittleren Dienst ein. Er ging dann doch in eine andere Richtung.

1000 Beschäftigte eines fränkischen Postamts wählten den erst 27-jährigen Geyer Mitte der 1990er-Jahre zum Personalratsvorsitzenden. Das war eine wilde Zeit, die Post wurde in mehreren Schritten privatisiert, und es entstanden drei Aktiengesellschaften: Deutsche Post, Deutsche Telekom und Deutsche Postbank. Im Laufe der Jahre schloss eine Postfiliale nach der anderen.

Der öffentliche Dienst muss generell attraktiver werden.

Volker Geyer, designierter dbb-Vorsitzender

Er habe viel gelernt fürs Leben, erinnert sich Geyer an die Postreform und deren Folgen für die Beschäftigten. Zehn Jahre amtierte er als Vorsitzender der Kommunikationsgewerkschaft DPVKOM und wurde 2017 stellvertretender dbb-Vorsitzender.

Seit rund einem Jahr vertritt Geyer den erkrankten Silberbach, zuletzt im Frühjahr bei den Tarifverhandlungen für mehr als zwei Millionen Beschäftigte der Kommunen und des Bundes.

Ulrich Silberbach führte den Beamtenbund seit 2017.

© dpa/Christophe Gateau

Für den öffentlichen Dienst ist der dbb eine Tarifgemeinschaft eingegangen mit den DGB-Gewerkschaften. Man sitzt mit am Tisch, doch Verdi als mit Abstand größte Gewerkschaft und mit den meisten streikbereiten Mitgliedern führt die Verhandlungen, die im April erst nach einem Schlichtungsverfahren endeten.

In diesem Jahr gibt es drei Prozent mehr Geld und im nächsten 2,8 Prozent, dazu höhere Zulagen für Schichtarbeiter, einen zusätzlichen Urlaubstag sowie die Möglichkeit, Geld in freie Tage zu tauschen.

„Leider mussten wir Bund und Kommunen jeden Cent, jede Minute und jeden noch so kleinen Fortschritt unendlich mühsam abringen“, klagte Geyer. Er stellt sich auf noch härtere Auseinandersetzungen ein. „Der öffentliche Dienst muss generell attraktiver werden“, und das bedeutet für Gewerkschafter vorrangig höhere Einkommen und attraktivere Arbeitszeiten.

5,4
Millionen Personen arbeiten im öffentlichen Dienst

Aktuell fehlen Geyer zufolge 570.000 Arbeitskräfte im öffentlichen Dienst, der nach einem langjährigen Stellenabbau wieder größer wird. Rund 5,4 Millionen Personen waren hier Mitte 2024 beschäftigt, 96.000 mehr als ein Jahr zuvor. Damit arbeiten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes knapp zwölf Prozent aller Erwerbstätigen im Staatsdienst, darunter rund zwei Millionen Beamte.

Mehr Personal gab es zuletzt vor allem in Schulen, Hochschulen und Kindertageseinrichtungen. In den Kitas hat sich die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher von 2009 bis 2024 auf 290.000 mehr als verdoppelt.

Trotzdem klaffen in den Kitas und Schulen und mehr oder weniger überall Personallücken. Digitalisierung inklusive Einsatz von KI und weniger Bürokratie könnten helfen. Die im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot beschriebenen Pläne findet der Beamtenbund gut: „Digitalisierung und moderne, effiziente staatliche Strukturen sind entscheidende Voraussetzungen für einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst.“ 

Zweifel am staatlichen Leistungsvermögen

In den Augen der Bürgerinnen und Bürger ist die Leistungsfähigkeit mindestens eingeschränkt. 70 Prozent halten den Staat in Bezug auf seine Aufgaben und Probleme für überfordert, ergab vor einem Jahr eine Umfrage des Beamtenbundes. „Diese verheerende Zahl hat auch mit nicht funktionierender Infrastruktur in Deutschland zu tun“, sagt Geyer und hofft auf das neue Sondervermögen von 500 Milliarden Euro.

Und er hofft auf mehr Geld. Der Tarifabschluss vom April wurde noch nicht auf die Beamten übertragen, und noch immer steht die Umsetzung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020 ganz oben auf der Agenda des Beamtenbundes.

Das Gericht hatte die Höhe der Besoldung bei Beamten mit mehr als drei Kindern als zu niedrig kritisiert und vor allem ein Mindestabstandsgebot gefordert: Demnach sollte die untere Besoldungsgruppe mindestens 15 Prozent mehr Geld bekommen als in der Grundsicherung vorgesehen.

Wenn die unteren Gruppen angehoben werden, müssten auch die oberen mehr bekommen. Kurzum: Das kostet eine Menge Geld, weswegen Gesetze der letzten Merkel-Regierung und auch der Ampelkoalition nicht über ein Entwurfsstadium herauskamen.

Bei Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), der am 23. Juni bei der Verabschiedung Silberbachs zugegen sein wird, will Geyer das Thema besprechen. Man kennt sich noch aus Dobrindts Zeit als postpolitischer Sprecher der Union.

Mit den Bundesländern wiederum steht die nächste Tarifauseinandersetzung im Herbst an. Wie immer geht es um Geld, aber trotz der Debatte um längere Arbeitszeiten auch um mehr Freizeit. „Das Arbeitszeitthema bleibt“, sagt Geyer. Mitte November wird er mit dem Verdi-Vorsitzenden die Tarifforderung der Gewerkschaften präsentieren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })