zum Hauptinhalt

Wirtschaft: VW-Betriebsrat greift EU-Juristen an

Gutachten zum VW-Gesetz soll fehlerhaft sein

Stand:

Berlin - Der Gesamtbetriebsrat von VW erhebt schwere Vorwürfe gegen den Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Verfahren gegen das VW-Gesetz. In einem Brief an EuGH-Präsident Vassilios Skouris, der dem Tagesspiegel vorliegt, fordert VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh das höchste europäische Gericht auf, das Gutachten des einflussreichen Generalanwalts Damaso Ruiz-Jarabo abzulehnen. Der Grund: Ruiz-Jarabos Schlussfolgerungen beruhten auf „zahlreichen falschen Tatsachenbehauptungen“.

Der Generalanwalt hatte Mitte Februar dem EuGH empfohlen, der Klage der EU-Kommission gegen das VW-Gesetz stattzugeben. In den meisten Fällen folgen die Richter der Empfehlung der Generalanwälte. Das Gesetz, so Ruiz-Jarabo, beschränke den freien Kapitalverkehr, indem es den Einfluss des Landes Niedersachsen und der Bundesregierung stärke. Niedersachsen ist mit 20,2 Prozent hinter Porsche (letzte Angaben: 27,3 Prozent) Großaktionär bei VW. Nach dem Gesetz kann niemand mehr als 20 Prozent Stimmrechte bei VW ausüben, selbst wenn er mehr Aktien besitzt. Die Bundesregierung und das Land Niedersachsen halten die Regelung zur Verhinderung feindlicher Übernahmen für EU-konform.

Osterloh weist in seinem Brief auf „zahlreiche falsche Annahmen hinsichtlich der Fakten“ hin. Unter anderem korrigiert er Aussagen im Gutachten zu den Rechten von Bund und Land, Vertreter in den VW-Aufsichtsrat zu entsenden. Anders als dargestellt, säßen darin nicht „vier Vertreter der öffentlichen Hand“, sondern nur zwei Vertreter aus Niedersachsen. Die Bundesregierung habe seit 1988 kein Entsenderecht mehr. Auch die Darstellung, die Stimmrechtsbeschränkung verhindere, dass sich andere Aktionäre „an der Verwaltung“ des Autokonzerns beteiligen könnten, sei falsch. „Die Porsche AG zeigt gegenwärtig sehr deutlich, dass ihr gerade nicht ,jede Beteiligung an der Verwaltung’ verwehrt ist“, schreibt der Betriebsratschef. Die Darstellung der Entstehung des VW-Gesetzes greift Osterloh ebenfalls an. Der Generalanwalt stütze sich auf „eigene Quellen“ – etwa „besondere Kenntnisse über ,Herbie-Filme“, „englischsprachige Sekundärliteratur“ und das „zwielichtige Internetlexikon Wikipedia“. Dabei seien ihm „wesentliche Fehler“ unterlaufen.

Die scharfe Kritik des VW-Betriebsrats wird von der Landesregierung geteilt. Nach Informationen des Tagesspiegels soll die Staatskanzlei in Hannover das zuständige Bundesjustizministerium auf sachliche Fehler und die Quellenlage im Gutachten hingewiesen haben – verbunden mit der Bitte, die Gelegenheit einer weiteren öffentlichen Anhörung vor dem EuGH zu nutzen. Der Bund soll darauf aber nicht eingegangen sein. Eine Frist, in der eine Anhörung hätte beantragt werden können, ließ er verstreichen.

Ein Sprecher der Landesregierung teilte auf Anfrage mit, man sei nicht Verfahrensbeteiligter in dem Rechtsstreit. In einem „sachlich-konstruktiven Gedankenaustausch“ mit der Bundesregierung sei die Möglichkeit der „Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung“ auf Referentenebene aber kurz erörtert worden. „Am Ende hat es hinsichtlich der Verfahrensführung der Bundesregierung jedoch stets großes Einvernhemen gegeben“, so der Sprecher. Eine Stellungnahme des Justizministeriums war am Dienstag nicht zu erhalten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })