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Autoindustrie: VW: Sicher in der Spur
VW hat den Härtetest des Krisenjahres 2009 bestanden. Nun soll es der zweite Heimatmarkt China richten.
Als VW-Chef Martin Winterkorn auf der Jahrespressekonferenz am Donnerstag die erste, auf Chinesisch gestellte Frage beantwortet, wird deutlich, wohin die Reise geht: gen Osten. Europas größter Autohersteller hat 2009 mit zwei Joint- Venture-Partnern in China zum ersten Mal mehr Autos als in Deutschland verkauft: 1,4 Millionen Fahrzeuge. Weltweit waren es gut 6,3 Millionen. Niemand wundert sich deshalb, dass Winterkorn von „unserem zweiten Heimatmarkt“ spricht. Mittelfristig will er hier zwei Millionen Fahrzeuge verkaufen. Inzwischen stößt VW schon an Kapazitätsgrenzen und denkt an eine neue Fabrik. Um 37 Prozent hat der Konzern in China zugelegt, so viel wie in keiner anderen Weltregion. 2010 soll der „Wachstumsmotor“ noch schneller werden.
Das muss er auch. Denn in Europa schrumpfen die Automärkte. Winterkorn erwartet, dass 2010 allein wegen China, Indien (mit dem VW-Partner Suzuki) und Brasilien weltweit etwa eine Million Autos mehr als im Vorjahr verkauft werden, insgesamt 53 bis 54 Millionen.
2009 sei ein „echter Härtetest“ für die Industrie gewesen. „Ein Autojahr, das an die Substanz gegangen ist.“ Trotzdem konnte sich Volkswagen mit seinen neun Marken VW, Audi, Skoda, Seat, Lamborghini, Bentley, Bugatti, Scania, VW Nutzfahrzeuge und der Hälfte von Porsche mit einem positiven Ergebnis nach Steuern von 911 Millionen Euro übers Jahr retten. Operativ blieben knapp 1,9 Milliarden Euro übrig, der Gewinn aus dem China-Geschäft in Höhe von 774 Millionen Euro ist darin nicht enthalten. Das erwähnte Finanzvorstand Dieter Pötsch am Donnerstag mehrfach, weil es relativiert, dass VW insgesamt 80 Prozent weniger verdient hat. Aber: Daimler, Fiat, Renault oder PSA Peugeot Citroen rutschten 2009 tief ins Minus. VW konnte seinen Anteil am Weltmarkt dagegen auf 11,3 Prozent ausbauen. Von Zerknirschung ist deshalb wenig zu sehen. Winterkorn bleibt aber vorsichtig: „Wer jetzt schon den Aufschwung ausruft, geht an der Realität vorbei.“ Umsatz, Absatz und Ergebnis sollen 2010 steigen. In welcher Größenordnung, sagte er nicht.
Tempomacher im VW-Konzern war zuletzt vor allem Audi. Rechnerisch stammten 86 Prozent des operativen VW-Konzerngewinns 2009 von den Ingolstädtern. „Die Zugehörigkeit zum Volkswagen-Konzern ist für Audi ein Erfolgsgarant“, sagte Winterkorn. Umgekehrt hätte der Konzern ohne Audi ein Problem. Denn wenig Freude bereiteten die Luxusableger Bentley (Absatzminus: 39 Prozent) und Lamborghini (minus 38 Prozent). Und die spanische Seat kommt nicht aus der Krise. Nach einem Verlust von 340 Millionen Euro soll jetzt ein Sanierungsprogramm helfen. Verluste wird Seat aber auch 2010 einfahren.
Der VW-Baukasten – Modularer Querbaukasten (MQB) genannt – entfaltet offenkundig nicht bei allen Konzerntöchtern die gleiche positive Wirkung. Und diese Gleichteilepolitik macht VW bei den Kosten auch nicht so effizient, wie es die hohen Stückzahlen nahelegen, wie Branchenkenner Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Essen-Duisburg am Donnerstag kritisierte. „Es genügt uns nicht, einfach nur möglichst viel zu sparen“, konterte VW-Finanzchef Pötsch. Das müsse schon an den richtigen Stellen geschehen. Weitere Baukästen sollen dabei helfen. So stellt sich Winterkorn eine eigene Plattform für Sportwagen vor, inklusive Porsche. Die Zuffenhausener, die schon zu 49,9 Prozent VW gehören, sollen vollständig in den Konzern integriert werden. In Kürze will sich VW dafür vier Milliarden Euro am Kapitalmarkt besorgen.
„Intelligent beherrschen“ will Winterkorn den immer größer werdenden Baukasten VW, der in wenigen Jahren mit einer Elektroflotte „ökonomisch und ökologisch“ Weltmarktführer sein soll. „Wir werden sehr genau darauf achten, dass wir sicher in der Spur bleiben“, sagte der VW-Chef – und in seiner Formulierung klingt die Antwort auf die Frage an, was VW aus dem Rückrufdesaster bei Toyota gelernt habe. Winterkorn bleibt zurückhaltend. „Wir haben aus den 80er Jahren gelernt“, sagte er lediglich und meinte die damals massiven Qualitätsprobleme von Audi in den USA. „Bei allen Gaspedalen, die VW in seine Fahrzeuge einbaut, gewinnt im Zweifel immer die Bremse“, erklärte Winterkorn. Für den VW-Konzern mit seinen knapp 370 000 Beschäftigten soll dies freilich nicht gelten: „Auch 2010 schalten wir nicht zurück“, kündigte der VW-Chef an.