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Ein Platz im Sechser-Liegewagen des ÖBB-Nachtzuges nach Rom.

© dpa-tmn

Deutsche Bahn: Warum der Traum vom Schlafwagen in Deutschland wohl nicht so bald wahr wird

Österreich und die Schweiz bauen ihr klimaschonendes Nachtzugnetz aus. Die Deutsche Bahn nicht. Einige Initiativen versuchen, das zu ändern.

Im Nachtzug nach Lissabon – oder an einen anderen Sehnsuchtsort zu reisen, klingt nicht nur nach Fortbewegung, sondern auch nach einem Traum. Durch die Nacht zu fahren, unterwegs zu sein, während man quasi bei sich bleibt, die Nacht zu nutzen, um sich fortzubewegen, ohne hinter dem Steuer sitzen zu müssen – und nicht zuletzt: Der romantische Traum vom Reisen im Schlafwagen, am nachdrücklichsten beflügelt durch Namen wie „Orient-Express“ oder „Transsibirische Eisenbahn“.

Hamburg ist der Ort, an dem am nächsten Wochenende Akteure aus ganz Europa zusammentreffen, die sich für einen Ausbau des Nachtzugverkehrs einsetzen – und die Wiederaufnahme durch die Deutsche Bahn AG. Der größte deutsche Staatskonzern hat alle seine klassischen Nacht- und Autozüge vor drei Jahren trotz großer Proteste aufgegeben.

Mit der Klimadebatte rückt nun die Bahn als nachhaltige Alternative zu den umweltschädlichen Billigflügen verstärkt in den Fokus. Initiativen wie Back on Track fordern seit Jahren, dass gerade Nachtzüge mit komfortablen Schlaf- und Liegewagen zum festen Bestandteil einer Verkehrswende werden. Die deutsche Politik und die DB-Spitze um Konzernchef Richard Lutz sollen wachgerüttelt werden. Denn im Klimapaket fehlen die Nachtzüge.

Österreich als Nachtzug-Vorbild

Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) sind mit 26 Linien größter Nachzuganbieter in Europa. Auch einige frühere DB-Verbindungen haben die Wiener übernommen und zeigen seither mit ihrem Nightjet, wie man es besser machen kann. „Besonders gefragt sind die Verbindungen von Hamburg nach Zürich und Wien, ebenso Innsbruck-Hamburg“, sagt Sprecher Bernhard Rieder. Rund 1,4 Millionen Reisende nutzen das gesamte Nachtzugangebot pro Jahr. „Tendenz steigend“, betont Rieder.

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Die Klima- und Flugschamdebatte bringt offenbar neue Kunden. „Gerade in den letzten Monaten sehen wir ein weiteres Wachstum“, berichtet der ÖBB-Sprecher. Man rechne auf einigen Linien mit bis zu zehn Prozent mehr Fahrgästen in diesem Jahr. Besonders in Skandinavien, Benelux, der Schweiz und Deutschland sei „eine starke Bewegung zum umweltfreundlichen Reisen entstanden“. Auch Politiker und Bahnen beschäftigten sich dort wieder verstärkt mit Nachtreisen.

Zumindest im Berliner DB-Tower scheint dieser Trend noch nicht angekommen zu sein. „Ein erneutes Angebot mit klassischen Schlaf- und Liegewagen ist aktuell nicht geplant“, sagt eine Sprecherin von Berthold Huber, DB-Vorstand Personenverkehr. Man unterstütze aber die Angebote von Kooperationspartnern wie der ÖBB und baue das eigene Angebot nächtlicher ICE- und Intercity-Züge aus.

In Österreich investiert die Bahn in Liegewaggons.
In Österreich investiert die Bahn in Liegewaggons.

© DPA

Immerhin kommt der Staatskonzern dem Wunsch nach mehr Verbindungen in der Nacht etwas entgegen. Zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember gibt es in Kooperation mit den ÖBB auf den Strecken Zürich-Berlin und Zürich-Hamburg eine Intercity-Nachtverbindung. Dabei fahren die Nacht-IC erstmals im Verbund mit den klassischen Nachtzügen der ÖBB.

Die Fahrgäste können also entweder Liege- und Schlafplätze in den ÖBB-Wagen buchen oder im selben Zug Sitzplätze im IC-Wagen. Vorteil: Bei den IC-Tickets gibt es wie im Tagverkehr für Bahncard-Besitzer einen Rabatt von wenigstens 25 oder manchmal sogar 50 Prozent – die nächtliche Fahrt wird also günstiger, denn für ÖBB-Tickets gibt es den Bahncard-Rabatt nicht. Was wieder einmal zeigt, dass die Tarifsysteme im Schienenverkehr eine Welt für sich sind.

200 Millionen für neue Nightjets

Anders als die DB AG treibt die ÖBB den Ausbau der klassischen Nachtlinien voran. Für mehr als 200 Millionen Euro sind 13 neue Nightjets bestellt, die Produktion bei Siemens hat begonnen. Ab Anfang 2022 sollen die neuen Züge im Einsatz sein, versprochen werden ein hochmodernes Design und noch mehr Komfort.

Auch die SBB AG in der Schweiz will die Nachtzugangebote verstärken und hat dazu eine enge Kooperation mit der ÖBB vereinbart. Die Nightjet-Verbindungen von Zürich über Basel nach Hamburg sowie Berlin hätten ihre Kapazitätsgrenzen erreicht, betonen die beiden Staatsbahnen der Nachbarländer. Auch zwischen Zürich und Prag soll mit der Tschechischen Bahn (CD) der Einsatz zusätzlicher Liegewagen geprüft werden.

Außerdem wollen SBB und ÖBB möglichst weitere Städte in Europa ins Nachtzugnetz aufnehmen und sich dafür einsetzen, dass die Politik die umwelt- und klimaschonenden Angebote besser fördert. So könnten Energieabgaben und Trassenpreise für die Nutzung der staatlichen Netze gesenkt werden. Auch in Deutschland gibt es seit Jahren gute Vorschläge, die von der Regierung nicht aufgegriffen werden.

Billigflieger sind eine zu starke Konkurrenz

So macht sich das Bündnis Bahn für Alle für das europaweite Nachtzugnetz „Luna-Liner“ stark, das über Kooperationen der nationalen Bahnen von Lissabon bis Moskau und von Oslo bis Athen und Istanbul reichen könnte. Schlaf- und Liegewagen hätten „mehr denn je Zukunft“, seien auf längeren Strecken die einzige gute Alternative zum Flugzeug und ermöglichtes klimafreundliches, komfortables Reisen, sagt Sprecher Bernhard Knierim.

In der Realität jedoch sind in den letzten Jahrzehnten wegen der Konkurrenz durch die Billigflieger immer mehr Angebote eingestellt worden, zuletzt verstärkt in Osteuropa. In Hamburg blieben dank der ÖBB-Nightjets wenigstens einige Verbindungen nach Wien, Innsbruck und Zürich erhalten. Noch in den 1990er Jahren allerdings fuhren Nachtzüge direkt bis Venedig, Stockholm, Minsk und Moskau.

Joachim Holstein, Mitbegründer von Back on Track und früher Betriebsrat bei der eingestellten DB-Nachtzugsparte, befürchtet, dass mittelfristig auch den letzten Nachtzugangeboten in Hamburg-Altona das Aus drohen könnte. Der dortige Fernbahnhof soll einer neuen Station außerhalb in Diebsteich weichen, ein hoch umstrittenes DB-Projekt, das einige Parallelen zu Stuttgart 21 aufweist.

Der neue „Mini-Bahnhof“ mit nur noch sechs Gleisen würde „nie und nimmer“ genügend Kapazitäten für die Nachtzüge haben, warnt Holstein. Die Initiative Prellbock Altona e.V. setzt sich für die Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs ein und den Ausbau zu einem Zentrum des Nacht- und Autozugverkehrs. Das Motto: „Unser Bahnhof bleibt, wo er ist!“

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