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Wirtschaft: Wenn die Jungen alt aussehen

Die Deutschen sollen künftig länger arbeiten. Vielen Beschäftigten macht das Angst – sie befürchten Rentenkürzungen

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Die Gewerkschaften hatten protestiert, die Sozialverbände hatten mit Klagen gedroht, doch gebracht hat das alles nichts: Vor gut zwei Wochen hat der Bundestag der Rente mit 67 zugestimmt, Ende des Monats soll der Bundesrat das neue Gesetz durchwinken. Dann steht endgültig fest: Künftig werden die Bundesbürger länger arbeiten müssen, um die volle Rente zu bekommen.

Das Problem. Die Deutschen leben länger, und sie beziehen länger Rente als früher. Renten werden heute im Schnitt 17 Jahre lang gezahlt, 1960 waren es nicht einmal zehn Jahre. Mit dem späteren Renteneintritt will die Politik gegensteuern und die Rentenbeiträge auch langfristig auf unter 22 Prozent drücken. Gewerkschaften und Sozialverbände fürchten jedoch, dass die Reform eine verkappte Rentenkürzung ist. Denn heute beschäftigt die Hälfte der deutschen Firmen keine Mitarbeiter über 55. Ändert sich das nicht, zahlen die Arbeitnehmer drauf. Denn wer vor 67 in Rente geht, muss künftig Abschläge hinnehmen.

Die Betroffenen. Der erste Jahrgang, der von den Änderungen voll getroffen wird, sind die 1964 Geborenen. Sie können in der Regel erst mit 67 abschlagsfrei in Rente gehen. Für die älteren Jahrgänge erhöht sich das Rentenalter schrittweise. Wer 1947 geboren ist, kann künftig erst mit 65 Jahren und einem Monat ohne Abzüge in den Ruhestand wechseln. Begonnen wird mit der schrittweisen Verlängerung im Jahr 2012, abgeschlossen ist der Prozess im Jahr 2029.

Die Verschonten. Wer vor 1947 geboren ist, bleibt von den Änderungen verschont. Auch Versicherte, die 45 Jahre Pflichtbeiträge gezahlt haben, können weiterhin mit 65 ohne Abschläge in Rente gehen. Bei den 45 Jahren werden auch Kindererziehungszeiten bis zum 10. Lebensjahr des Kindes angerechnet. Auch die Zehntausenden, die vor 1955 geboren sind und bis zum Ende des vergangenen Jahres einen Altersteilzeitvertrag unterschrieben haben, sind fein raus. Auch sie können – abschlagsfrei – mit 65 in Rente.

Früher in Rente. Wer heute früher in Rente gehen kann, kann das auch in Zukunft tun – allerdings entsprechend später. Für Schwerbehinderte steigt das Rentenalter ab Jahrgang 1952 stufenweise von 63 auf 65 Jahre. Bei den Erwerbsminderungsrenten wird der abschlagsfreie Rentenbeginn von 63 auf 65 Jahre verschoben. Auch langjährig Versicherte mit 35 (ab 2040 mit 40) Pflichtbeitragsjahren müssen nicht bis 67 durchhalten, sondern können schon mit 63 aufhören.

Mit Abschlägen. Wer früher in Rente geht als gesetzlich vorgesehen, muss lebenslange Abschläge hinnehmen. Diese betragen 0,3 Prozent für jeden Monat, 3,6 Prozent für jedes Jahr, das man sich spart. Langjährig Versicherte, die mit 63 und damit vier Jahre früher in Rente gehen als vorgesehen, müssen mit einem Rentenabschlag von 14,4 Prozent rechnen. Schwerbehinderte können bereits mit 62 Rentner werden und damit drei Jahre vor dem gesetzlichen Rentenbeginn, das kostet sie jedoch 10,8 Prozent ihrer Rente. Für Altfälle gibt es Vertrauensschutz. Wer nicht mehr arbeiten kann und vor 65 eine Erwerbsminderungsrente bezieht, muss Abschläge bis zu 10,8 Prozent in Kauf nehmen.

Beamte. Die Verschiebung des Rentenbeginns soll „wirkungsgleich“ auch auf Beamte übertragen werden. „Auch Beamte sollen künftig erst mit 67 in Pension gehen“, heißt es im Bundesinnenministerium. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist gerade in der Ressortabstimmung.

Arbeitsvertrag. „Arbeitsvertraglich wirft die Rente mit 67 keine großen Probleme auf“, sagt der Berliner Rechtsanwalt Volker Hagemeister von der Kanzlei Wilmer Hale. Das gilt vor allem dann, wenn im Arbeitsvertrag pauschal steht, dass der Vertrag mit dem Beginn der gesetzlichen Regelaltersrente endet und kein bestimmtes Jahr genannt ist. Aber auch dann, wenn der Vertrag mit Ablauf des 65. Lebensjahres auslaufen soll, lasse sich diese Klausel so auslegen, dass damit das – jeweils gültige – gesetzliche Rentenalter gemeint ist, meint der Arbeitsrechtler. Eine ausdrückliche Klarstellung im Vertrag sei nicht nötig.

Lebensversicherung. Viele Kapitallebensversicherungen sind so abgeschlossen, dass der Vertrag endet, wenn der Versicherte in Rente geht. Der Vorteil: Die Versicherungssumme wird dann ausgezahlt, wenn der Versicherungsnehmer nur noch seine – niedrigere – Rente bekommt und kein Gehalt mehr. Unterm Strich spart das Steuern. Wer seine Police derzeit auf das Endalter 65 abgeschlossen und das jetzt um zwei Jahre nach hinten verschieben will, riskiert Ärger mit dem Finanzamt. „Die Vertragsverlängerung gilt als Neuabschluss“, warnt Bianca Höwe vom Bund der Versicherten. Das heißt: Läuft der neue Vertrag kürzer als 12 Jahre, müssen die Erträge am Ende voll versteuert werden. Das ist eine deutliche Verschlechterung verglichen mit den Rahmenbedingungen für den Altvertrag. Denn Lebensversicherungen, die vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossen worden sind, sind – unter bestimmten Voraussetzungen – komplett steuerfrei, Policen, die danach unterschrieben worden sind und mindestens 12 Jahre laufen, zumindest hälftig. Beim Marktführer Allianz Leben geht man jedoch davon aus, dass in diesen Fällen nicht der gesamte Ertrag, sondern nur der Gewinn, der in den Jahren zwischen dem 65. und 67. Lebensjahr angefallen ist, versteuert werden muss. Verbraucherschützer raten, die Versicherungsgesellschaften beim Wort zu nehmen. „Lassen Sie sich vom Versicherer schriftlich zusichern, dass eine Verlängerung steuerlich keine Auswirkungen hat“, empfiehlt Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Dann könne der Kunde vom Versicherungsunternehmen notfalls Schadensersatz verlangen. Lasse sich die Gesellschaft darauf nicht ein, sollte man von einer Verlängerung absehen. „Lassen Sie sich das Geld dann mit 65 auszahlen und legen Sie es sicher bei einer Bank an“, rät der Verbraucherschützer.

Berufsunfähigkeitsversicherung. Schwierigkeiten kann es auch dann geben, wenn man seine Berufsunfähigkeitsversicherung um zwei Jahre verlängern will. „Der Versicherungsschutz ist für Ältere teurer“, heißt es bei der Allianz Leben. Daher sei es sinnvoll, den Vertrag schon in jungen Jahren zu verlängern.

Riester- und Rürup-Renten. Der spätere Rentenbeginn wird auch Konsequenzen für die staatlich geförderte private Altersvorsorge haben. Für Neuverträge, die ab dem 1. Januar 2012 abgeschlossen werden, soll der früheste Auszahlungstermin von 60 auf 62 Jahre verschoben werden. Bestehende Verträge sind davon nicht betroffen, betont Peter Ziegler aus dem Bundesarbeitsministerium. Wer seinen laufenden Vertrag jedoch von der Fälligkeit mit 60 Jahren auf 62 verlängern will, kann das tun. „Die staatliche Förderung läuft weiter“, so Ziegler.

Haben Sie Fragen an die gesetzliche Rentenversicherung? Dann können Sie diese heute stellen. Einzelheiten lesen Sie unten auf der Seite.

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