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„Der Spargroschen“ (Wilhelm Leibl, 1877) gilt als Symbol fleißigen Sparens.

© Antje Zeis-Loi/Medienzentrum Wuppertal

Erste Sparkassengründungen: Wie das Sparen zum Volkssport der Deutschen wurde

Im Mittelalter haben Sparer ihre Münzen noch vergraben. Erst um 1800 brachten die Menschen ihr Geld zur Bank. Geschichte einer zeitlosen Tugend.

Von Carla Neuhaus

„Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind.“ Fast zehn Jahre ist es her, dass Kanzlerin Angela Merkel zusammen mit dem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück vor die Kameras trat und diesen Satz sagte. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise wollte sie eine Panik unter den Sparern verhindern. Denn wären die in Scharen zur Bank gelaufen, um ihre Konten leer zu räumen, wäre die Krise noch sehr viel heftiger ausgefallen. Dabei ist der Wunsch der Deutschen, Ersparnisse zu bilden und sie beschützt zu wissen, bereits Jahrhunderte alt. „Sparer, seid beruhigt“ – so stand es schon vor 200 Jahren auf einem Sparkassen-Plakat. Seit dieser Woche feiert das Deutsche Historische Museum die Tugend des Sparens in einer Sonderausstellung.

In kaum einem Land sparen die Menschen so viel wie in Deutschland. Die Sparquote – also der Teil des Vermögens, den wir nicht verprassen, sondern für später zu Seite legen – liegt hierzulande bei fast zehn Prozent und ist damit zum Beispiel fünfmal größer als in den USA. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, heißt es im Volksmund. Und daran halten sich die Deutschen selbst heute noch, obwohl die Zinsen derzeit niedrig sind. Auf dem Sparbuch etwa verliert ihr Geld real an Wert – trotzdem ist es weiterhin die beliebteste Anlageform.

Um zu verstehen, warum das Sparen so stark in der Gesellschaft verankert ist, hilft der Blick zurück. Bereits Jahrzehnte bevor es Banken gab, die auch für die breite Bevölkerung Gelder verwahrten, hat man hierzulande gespart.

Lange stand die Vorsorge für Notfälle im Vordergrund

Im Mittelalter war es zum Beispiel noch üblich, sein Erspartes zu vergraben, um es vor Dieben zu schützen. Im 14. Jahrhundert setzte sich dann das Sparschwein als Aufbewahrungsort durch. Erste Büchsen, in denen Menschen Münzen sammelten, gab es aber aber auch schon vorher. Als eine der ersten gilt ein Tongefäß aus dem zweiten Jahrhundert vor Christi, das die Form eines griechischen Schatztempels hatte. Diese Tempel nannte man auch Thesaurus, woraus später der Begriff des Tresors wurde. Die Form des Schweins setzte sich für die Spardose schließlich durch, weil es für den Wohlstand symbolisierte: Wer sich ein Schwein leisten konnte, galt lange als gut situiert und privilegiert. Selbst heute noch besitzt jeder zweite Deutsche mindestens ein Sparschwein.

Dabei stand in der Geschichte des Sparens lange die Vorsorge für Notfälle im Vordergrund. Die ersten Knappschaften sammelten zum Beispiel in der Frühen Neuzeit Gelder bei Bergleuten ein, um gemeinsam für den Fall vorzusorgen, dass einer von ihnen verunglückte und nicht mehr arbeiten konnte. Über solche Institutionen hinaus hatte die breite Bevölkerung jedoch lange keinen Zugang zur Bank. Erst Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich die  Einstellung durch, dass auch einfache Arbeiter die Möglichkeit haben sollten, Ersparnisse zu bilden und sie zur Bank zu bringen. „Die frühen Sparkassengründer betrachteten den Fleiß und die Sparsamkeit des Einzelnen als Weg aus der Abhängigkeit von Almosen“, schreibt Ausstellungskurator Robert Muschalla.

Deshalb wurden ersten Sparkassen dann auch in erster Linie für Dienstboten, Tagelöhnern und Seeleuten gegründet. Sie sollten ihre „sauer erworbenen Noth- und Braut-Pfennig sicher zu einigen Zinsen“ aufbewahren können. So steht es in der Satzung der ersten Sparkasse, die 1778 in Hamburg als „Ersparungs-Classe“ gegründet wurde. Nach und nach entstanden daraufhin auch in anderen Städten Sparkassen, in Berlin war das zum Beispiel vor 200 Jahren der Fall. Allein die Verbreitung dieser Institute animierte die Deutschen zum Sparen. So erklären sich Experten auch den Unterschied zu den USA, wo bis heute das Leben auf Pump gesellschaftlich sehr viel stärker akzeptiert wird als hierzulande: Viele Amerikaner hatten lange schlichtweg keinen Zugang zur Bank – noch 1910 hatte gerade einmal ein Viertel von ihnen ein Sparkonto.

Mit der Einführung der D-Mark gingen 94 Prozent der Ersparnisse verloren

Hierzulande wurde das Sparen dagegen in der Geschichte nicht nur als Tugend gefeiert, sondern auch immer wieder politisiert. Karl Marx konnte dem Sparen ebenso viel abgewinnen wie die Gegner der Arbeiterbewegung, für die er stand. So gründeten Unternehmer wie Alfred Krupp zum Beispiel Fabriksparkassen, um die Arbeiter stärker an sich zu binden. Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurden Verbraucher dann zum Sparen animiert, damit der Staat über Einlagen und Kriegsanleihen die Kriegsausrüstung finanzieren konnte.

Dabei ist es angesichts der deutschen Geschichte eigentlich verwunderlich, dass die Deutschen stets am Sparen festgehalten haben. Schließlich ist ihr Geld im 20. Jahrhundert gleich zwei Mail entwertet worden: erst 1923 mit der Hyperinflation und dann noch einmal 1948 mit der Währungsreform und der Einführung der D-Mark. Allein während letzterer gingen 94 Prozent der Ersparnisse verloren. Und trotzdem fingen die Verbraucher sofort nach dem Krieg wieder an, Geld zur Seite zu legen. Die steigenden Einkommen während der Wirtschaftswunderjahre nutzten viele nicht nur, um sich neu auszustatten – sondern auch, um neue Ersparnisse zu bilden. Von 1950 bis 1960 stiegen die Spareinlagen der Deutschen so um das Zehnfache an. Die Banken honorierten das und erfanden immer neue Formen des Sparens: vom Vereinssparen bis zum Prämiensparen, bei dem man jedes Jahr zusätzlich ein Lotterielos bekam. So wurde das Sparen zu einem Volkssport, dem die Deutschen bis heute nachgehen.

„Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“. Deutsches Historisches Museum, bis 26. August 2018

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