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Gefahr in Dosen. Experten sagen, Energydrinks können Herzrasen auslösen.

© dpa

Klöckner will kein Verbot: Wie gefährlich sind Energydrinks für Kinder?

Einige Länder verbieten den Verkauf von Energydrinks an Kinder. Hierzulande passiert nichts – Ernährungsministerin Klöckner will Forschungsergebnisse abwarten.

Red Bull, „roter Bulle“, oder „Monster“ könnten auch aus Abenteuergeschichten für Kinder und Jugendliche stammen. Es sind die Markennamen der beliebtesten Energydrinks. Jede Dose enthält eine kräftige Dosis der psychoaktiven Substanz Koffein. In immer mehr europäischen Ländern ist man zu der Auffassung gelangt, dass diese Produkte nichts für Kinder sind.

So dürfen Händler in Litauen Minderjährigen schon seit vier Jahren keine aufputschenden Brausen mehr verkaufen. In Großbritannien haben viele Handelsketten den Verkauf von Energydrinks an Jugendliche unter 16 Jahren eingestellt, weil sich Kreislaufkollaps-Fälle gehäuft hatten. Auch Lidl und Aldi machen seit März bei der freiwilligen Selbstbeschränkung auf der Insel mit.

Im Oktober wollen die Niederlande nachziehen. Kinder unter 14 Jahren sollen dann im Nachbarland keine Energydrinks mehr bekommen. Zwar gibt es kein offizielles Verkaufsverbot – wohl aber Appelle der Regierung an Schulen, Sportvereine und Unternehmen, Energydrinks aus den Regalen und Getränkeautomaten zu entfernen. Der Druck zeigt Wirkung: Aldi und Lidl haben angekündigt, in Holland ab Herbst keine der koffein- und zuckerhaltigen Limonaden mehr an Unter-14-Jährige abzugeben.

Warnhinweise statt Verbot in Deutschland

In Deutschland bleibt dagegen alles beim Alten. Hier können selbst Sechsjährige die Aufputschlimo kaufen und sich für den Matheunterricht in der ersten Stunde dopen. Auf Anfrage erklären Aldi und Lidl, dass sie hierzulande weiterhin Energydrinks an Kunden aller Altersgruppen abgeben werden, so lange es keine gesetzlichen Altersbeschränkungen gibt. Wichtig ist den Discountern jedoch, dass sie über die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise (erhöhter Koffeingehalt, für Kinder, schwangere und stillende Frauen nicht empfohlen) hinausgehen. Beide Discounter mahnen ihre Kunden zusätzlich zu mäßigem Genuss und raten ausdrücklich davon ab, Energydrinks mit Alkohol zu mischen oder bei intensivem Sport den Durst mit den Koffein-Limonaden zu löschen.

Besonders wirksam ist das nicht. Der Absatz von Energydrinks steigt. 778 Millionen Euro wurden 2012 in Deutschland mit diesen Getränken umgesetzt, drei Jahre später war es schon eine Milliarde Euro, haben die Marktforscher von Euromonitor herausgefunden. Für 2020 rechnen sie mit 1,2 Milliarden Euro. Marktführer Red Bull steigert seinen Gesamtumsatz von Jahr zu Jahr. Von 794 Millionen Euro im Jahr 2000 haben es die Österreicher im vergangenen Jahr auf über sechs Milliarden Euro weltweit gebracht.

Die meisten Jugendlichen trinken Energy Drinks

Nach einer Studie der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit trinken 68 Prozent der Zehn- bis 19-Jährigen Energydrinks, zwölf Prozent sogar monatlich sieben Liter. Der Branchenverband für alkoholfreie Getränke hält die Drinks und ihre Zutaten für sicher und sieht keinen Anlass für gesetzliche Einschränkungen. „Ein handelsüblicher Energydrink (250 Milliliter) enthält typischerweise 80 Milligramm Koffein – das entspricht ungefähr dem Koffeingehalt einer Tasse Filterkaffee“, erklärt der Verband. Die EU-Lebensmittelbehörde findet bei Kindern und Jugendlichen drei Milligramm Koffein pro Kilo Körpergewicht am Tag unbedenklich. Viele Heranwachsende trinken aber mehr.

Kinder- und Jugendärzte warnen wegen des Koffeins vor Herzrasen, Kopfschmerzen und der Gefahr von Kreislaufkollapsen – und wegen des hohen Zuckeranteils vor Diabetes und Übergewicht. Deutsche Verbraucherschützer fordern daher ein Verkaufsverbot von Energydrinks für Minderjährige. Auch die SPD macht sich dafür stark.

In der Bundesregierung stoßen sie aber auf taube Ohren. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will zunächst klären lassen, ob langfristig hohe Koffeinaufnahmen von Kindern und Jugendlichen zu Herz- und Kreislaufschäden führen. „Angesichts zunächst abzuwartender Forschungsarbeiten sowie bestehender nationaler und EU-rechtlicher Regelungen sind zusätzliche rechtliche Maßnahmen wie eine Einschränkung des Verkaufs von Energydrinks derzeit nicht angebracht“, sagte eine Ministeriumssprecherin dem Tagesspiegel. Statt Verboten setzt Klöckner auf Aufklärung. Faltblätter, Internet- und Hörfunkbeiträge sollen Eltern und Heranwachsende vor übermäßigem Genuss warnen.

Sophie Herr kann weder Klöckner noch die Discounter verstehen. Der Verkaufsstop von Energy-Drinks an Kinder in den Niederlanden sei eine gute Nachricht, sagte die Ernährungsexpertin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Aldi und Lidl ihre Entscheidung nicht auch hierzulande umsetzen. „Energy Drinks haben in Deutschland die gleiche Wirkung wie in den Niederlanden, sie enthalten viel Koffein und sollten nicht an Kinder verkauft werden.“

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