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„Wohlstand akut in Gefahr“: Ifo-Chef Fuest warnt eindringlich vor Niedergang der Wirtschaft
Aus Sicht des Münchner Top-Ökonomen ist die Lage in Deutschland „mittlerweile dramatisch“. Von der Merz-Regierung fordert er ein Reformkonzept, das weit über den Koalitionsvertrag hinausgehen müsse.
Stand:
Der Ifo-Chef schlägt Alarm: Ökonom Clemens Fuest warnt vor einem weiteren Verfall der deutschen Wirtschaft und fordert ein größeres Reformkonzept. „Deutschland befindet sich seit Jahren in einem wirtschaftlichen Niedergang. Die Lage ist mittlerweile dramatisch“, sagte Fuest der „Bild am Sonntag“ unter Verweis auf eine neue Studie seines Münchner Instituts. Diese zeige, dass der Staatskonsum seit 2015 um gut 25 Prozent gestiegen ist, während die Unternehmensinvestitionen wieder auf das Niveau von 2015 zurückgefallen sind.
„Während die staatlichen Ausgaben immer weiter steigen, sinken die privaten Investitionen“, warnte Fuest. „Damit ist Deutschlands Wohlstand akut in Gefahr, denn weniger private Investitionen bedeuten mittelfristig weniger Wachstum, weniger Steuereinnahmen und damit auch weniger Geld für staatliche Leistungen.“
Millionen Bürger erleben bereits, dass ihr Lebensstandard sinkt.
Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts
Schon länger stagniere der durchschnittliche Lebensstandard. „Millionen Bürger erleben bereits, dass ihr Lebensstandard sinkt.“ Dies führe zu einer Spaltung der Gesellschaft, denn bei anderen steige er dagegen. Fuest warnte, es drohten „italienische Verhältnisse“ in Deutschland.
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VdK-Chefin warnt vor Aushöhlung des Sozialstaats
Der Ökonom forderte die Bundesregierung auf, in den nächsten sechs Monaten ein umfassendes Reformkonzept vorzulegen, das weit über den Koalitionsvertrag hinausgeht. Das Gesamtkonzept müsse bis spätestens Frühjahr 2026 vorliegen.
Fuest schlägt umfassende Sozialreformen vor. So müsse etwa die Mütterrente gestoppt werden. „Stattdessen sollte die Regierung konsequent dafür sorgen, dass die Beiträge nicht weiter steigen.“
Firmen müssten konsequent bei Bürokratie entlastet werden, zum Beispiel durch Wegfall von Dokumentationspflichten bei CO₂, Lieferketten, Mindestlohn. Die verursachten nur Kosten, brächten aber nichts, sagte Fuest. Das könnte jährlich bis zu 146 Milliarden Euro zusätzlichen Wohlstand bringen.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte dem Blatt: „Wir sollten Clemens Fuest ernst nehmen. ,Mittelstand first‘ muss jetzt die Devise lauten. Alles andere muss hinten angestellt werden.“ Am Donnerstag wird das Statistische Bundesamt die Konjunkturzahlen für das 3. Quartal vorlegen – die Monate Juli bis September.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, beobachtet hingegen laut eigener Aussage mit Entsetzen die Aushöhlung des Sozialstaats.
De facto münden manche politischen Entscheidungen gerade darin, dass arme Menschen gegen noch ärmere Menschen aufgehetzt werden.
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK
Wichtige Errungenschaften würden einkassiert, um vermeintlich das Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung zu bedienen, sagte sie einem Bericht der Agentur epd zufolge in ihrer Kanzelrede am Sonntag in der evangelischen Erlöserkirche in München-Schwabing laut Redemanuskript. Dabei sei ein zuverlässiger und starker Sozialstaat die beste Erfindung der deutschen Geschichte.

© Imago/dts Nachrichtenagentur
„Wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, erwacht schnell das Misstrauen, es könnten Menschen von sozialen Wohltaten profitieren, die das gar nicht verdient haben“, sagte Bentele.
„De facto münden manche politischen Entscheidungen gerade darin, dass arme Menschen gegen noch ärmere Menschen aufgehetzt werden“, sagte sie etwa zur Debatte ums Bürgergeld.
Dieses solle das Recht auf Teilhabe sicherstellen. „Schon jetzt ist mehr als fragwürdig, ob dafür die Höhe der Geldleistungen genügt.“
Das gesparte Geld werde aber nicht umverteilt, sagte Bentele. „Bestenfalls werden Löcher im Haushalt gestopft – und zwar nur die ganz kleinen Löcher. Richtig was zu holen gäbe es woanders.“ Mindestens 100 Milliarden Euro mehr könnte der Staat in der Kasse haben, wenn Steuerbetrug wirksam bekämpft würde.
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