
© dpa/AP/Sonoma Biotherapeutics/Bearbeitung: Tagesspiegel
20 Stunden nicht erreichbar: Der Nobelpreisträger, der nicht ans Handy ging
Fred Ramsdell war auf Campingausflug in Montana. Offline, zufrieden, ohne jede Ahnung. Bis seine Frau aufschrie und 200 Nachrichten auf ihrem Handy aufleuchteten.
Stand:
Als Fred Ramsdell seine Frau plötzlich aufschreien hörte, hielt er vieles, aber nicht alles für möglich. Vielleicht hatte sie einen Grizzlybären gesehen. Immerhin waren sie irgendwo im Hinterland im Westen der USA unterwegs, mit zwei Hunden, einem Wohnwagen und einer Vorliebe für abgelegene Gegenden.
Es kam ein bisschen spektakulärer. Laura O’Neill hatte ihr Handy eingeschaltet – Empfang! – und blickte auf das Display. „Du hast den Nobelpreis gewonnen!“, rief sie. Ramsdells Reaktion laut der „New York Times“: „Nein, habe ich nicht.“ Daraufhin seine Frau: „Ich habe 200 Nachrichten, die sagen, dass du es hast!“
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Ramsdell keine Ahnung, dass er und seine Kollegin Mary Brunkow aus Seattle und sein Kollege Shimon Sakaguchi aus Osaka gerade mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet worden waren.
Die drei hatten herausgefunden, wie das Immunsystem Freund von Feind unterscheiden kann und Angriffe auf den eigenen Körper verhindert. Ihre Entdeckung gilt als entscheidend für das Verständnis von Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Morbus Crohn oder Multipler Sklerose. Und sie könnte dazu beitragen, diese Krankheiten künftig besser zu behandeln.
Der 64-Jährige hatte keinen wichtigen Anruf erwartet – und war offline, Digital Detox, wie so oft im Urlaub. Seine Frau hingegen schrieb noch mit Freunden und Familie. Der Besuch in Montana nahe dem Yellowstone-Nationalpark war das Ende eines dreiwöchigen Roadtrips durch die Bergketten von Idaho, Wyoming und Montana.
Es kam mir nicht einmal in den Sinn.
Fred Ramsdell über seine Auszeichnung mit dem Nobelpreis für Medizin
Das Nobelpreiskomitee konnte den Immunologen erst 20 Stunden nach der Verkündung erreichen. Ramsdell sprach in einem Hotel in Montana mit Thomas Perlmann, dem Generalsekretär der Nobelversammlung. Perlmann sagte in einem Interview, es sei noch nie so schwierig gewesen, einen Preisträger zu erreichen, seit er das Amt 2016 übernommen habe.
Dass er den Preis bekommt, hatte Ramsdell nicht im Geringsten erwartet. „Es kam mir nicht einmal in den Sinn“, sagte er der „New York Times“ später. Er sei dankbar, demütig und freue sich über die Anerkennung der Arbeit, „und vor allem darauf, sie mit meinen Kolleg:innen zu teilen.“
Am Dienstag wollten Fred Ramsdell und seine Frau Laura O’Neill wieder nach Hause zurückfahren. Nach Whitefish, einem kleinen Ort am Rande des Glacier-Nationalparks, wo sie den Herbst und Winter verbringen. Und vielleicht einfach weiter ganz bei sich bleiben.
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