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Klonschaf Dolly wurde nicht alt, es starb mit sechs Jahren.

© Curtis/picture-alliance/dpa

25 Jahre Klonschaf Dolly: Ein Leben für die Forschung

Es war ein sensationeller Durchbruch als Forschende 1996 erstmals ein Säugetier klonten. Heute hat sich die Aufregung weitgehend gelegt.

„Lebensfähige Nachkommen aus fötalen und adulten Säugetierzellen erhalten.“ Mit diesem nüchternen Titel verkünden Forschende im Februar 1997 eine Sensation: die Geburt des ersten Klons eines erwachsenen Säugetiers, besser bekannt als Dolly. Fast acht Monate hatten die Wissenschaftler den Durchbruch geheim gehalten. 

Das Schaf war bereits am 5. Juli 1996 zur Welt gekommen. Am 5. Juli 2021 wäre also der 25. Geburtstag von Dolly, die bis zum 14. Februar 2003 gelebt hat. 

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Das Team um Ian Wilmut vom Roslin-Institut nahe Edinburgh in Schottland hatte den Kern aus der Euterzelle eines erwachsenen Schafs in eine entkernte Eizelle eines anderen Schafes eingesetzt. Der so entstandene Embryo wurde von einem dritten Schaf ausgetragen. Mit der Geburt von Dolly stand fest, was viele Wissenschaftler nicht für möglich gehalten hatten: Das Klonen von erwachsenen Säugetieren ist möglich.

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Genetiker sprechen heute noch von einem Wunder

"Ich bin noch immer fasziniert davon, dass Klonen überhaupt funktioniert", sagt Claudia Klein, Leiterin des Instituts für Nutztiergenetik am Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI). "Sie nehmen eine ausdifferenzierte Zelle wie etwa eine Bindegewebszelle, und wenn Sie die in eine Eizelle stecken, wird daraus auf einmal ein Embryo. Das ist für mich immer noch ein absolutes Wunder."

"Zum ersten Mal war der Mensch in der Lage, den Kreislauf der Vermehrung bei Säugetieren selbst zu gestalten", erinnert sich Christoph Then vom Institut Testbiotech in München. "Das hatte fast eine metaphysische, auf jeden Fall eine größere gesellschaftliche Dimension."

Vor 25 Jahren reagierte die Wissenschaftsgemeinde weniger staunend, sondern eher schockiert. Es gab Befürchtungen, das Klonen von Menschen sei der unvermeidliche nächste Schritt, Forderungen nach einem weltweiten Moratorium wurden laut. Andere fürchteten den Schwund der Artenvielfalt, sahen mit Beginn des "Klonzeitalters" die Einzigartigkeit des Lebens insgesamt infrage gestellt und warnten vor den unabsehbaren Folgen der Gentechnik. 

Ein menschlicher Klon wurde bisher nicht erschaffen

Heute hat sich die Aufregung weitgehend gelegt. Ein menschlicher Klon wurde nicht nachweislich erschaffen. Eher im Stillen haben Forscher in den vergangenen Jahren andere Säugetiere zu Forschungszwecken geklont, darunter Mäuse, Ziegen, Rinder, Schweine, Katzen, Hunde, Pferde und auch Affen.

Kommerziell genutzt wird die Technologie beim Klonen von geliebten Haustieren oder hochwertigen Renn- und Polopferden. Auch in der medizinischen Forschung spielt Klonen eine Rolle, etwa bei der Zucht von tierischen Spenderorganen.

Früh diskutierten Experten das Potenzial der Klontechnologie in der Tierzucht. Die grundlegende Idee dahinter: Man macht Klonkopien von jenen Tieren, die durch ihr gutes Fleisch, besonders viel Milch oder Wolle auffallen, und erhält diese Eigenschaften so über den Tod der Tiere hinaus. Wird so etwas heute gemacht - und gelangen damit womöglich auch Produkte geklonter Tiere in den Lebensmittelhandel?

In Deutschland und der EU spiele das Klonen in der Tierzucht bisher eine untergeordnete Rolle, sagt Claudia Klein, Leiterin des Instituts für Nutztiergenetik am Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI). "Das Verfahren ist so aufwendig, dass es – wenn überhaupt – nur in Spezialfällen zur Anwendung kommt." Geklonte Tiere dürften hierzulande nicht in die Lebensmittelkette gelangen.

Tiere zum Verzehr zu klonen scheint nicht praktikabel

Grundsätzlich scheint es wegen des hohen Aufwands wenig praktikabel, Tiere für den unmittelbaren Verzehr zu klonen. Naheliegender ist die Idee, Klone von besonders hochwertigen Zuchttieren zu erschaffen, um mit deren Sperma weiteren Nachwuchs zu zeugen. 
Sterblichkeit und Krankheitsanfälligkeit sind bei geklonten Tieren höher als bei normal gezeugten. Sie können an Herz-Kreislauf-Versagen, Immundefekten, Leberversagen, Atemproblemen oder Abnormalitäten von Nieren, Muskeln und Skelett leiden. Einige Nachkommen von Klontieren sind zudem extrem groß, was als Large Offspring Syndrome bekannt ist.

Die Zukunft des Klonens 

Klonen könnte künftig mehr Bedeutung erlangen, wenn es in Kombination mit anderen mittlerweile verfügbaren Gentechnologien eingesetzt würde, etwa der Genschere Crispr/Cas9, sagt Klein. Damit könnten präzise Veränderungen in das Genom von Zellen eingefügt werden, deren Kerne dann wie beim Dolly-Verfahren in entkernte Eizellen übertragen würden. Am Institut erforsche man die Möglichkeit, etwa hornlose Rinder zu züchten oder Schweinepest-resistente Schweine, sagt Klein.

Anwendungen dieser Art hatte Ian Wilmut bereits im Kopf, als er an der Erzeugung von Dolly arbeitete. «Die Kerntransfer-Forschung am Roslin-Institut wurde mit dem Ziel initiiert, präzise genetische Veränderungen in Nutztierarten einführen zu können, indem man die gewünschte Veränderung in Zellen vornimmt, die dann als Kernspender verwendet werden», schrieb er 2015 in einem Artikel.

Diese vier Tiere sind Kopien des berühmten Schafs "Dolly", das vor 20 Jahren geboren wurde. Ihnen geht es genauso gut wie gewöhnlichen Schafen. 
Diese vier Tiere sind Kopien des berühmten Schafs "Dolly", das vor 20 Jahren geboren wurde. Ihnen geht es genauso gut wie gewöhnlichen Schafen. 

© University of Nottingham

In den USA ist dieser Ansatz kommerziell umgesetzt. Im Dezember 2020 genehmigte die FDA erstmals gezielt gentechnisch-veränderte Schweine für die Herstellung von Lebensmitteln und für Medizinprodukte. Das Unternehmen Revivicor - ein Ableger des britischen Unternehmens PPL Therapeutics, das in Kooperation mit dem Roslin-Institut Dolly erschuf - hatte mit Hilfe der Genschere und des Klonverfahrens Schweine erzeugt, die aufgrund eines fehlenden Enzyms keine Alpha-Gal-Zucker mehr auf den Oberflächen ihrer Zellen tragen.

Fleisch dieser Tiere könne auch von Menschen verzehrt werden, die allergisch auf diese Zucker reagieren, so das Unternehmen. Auch bestimmte Medizinprodukte, die mit Hilfe von "GalSafe"-Schweinen produziert werden, etwa der Blutverdünner Heparin, seien für diese Allergiker sicherer.

Nach Ansicht von Klein ließe sich Klonen darüber hinaus einsetzen, um vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen zu erhalten. "Wir haben das hier exemplarisch am Institut mal ausprobiert und einen Lakenvelder-Bullen geklont. Das hat gut geklappt, Frodo lebte hier am Institut und hat auch mehrere Nachkommen gezeugt." Im größeren Maßstab werde das aber noch nicht praktiziert.

Die Tierzucht wurde nicht revolutioniert

Noch sind es Nischen, in denen das Klonen in den vergangenen 25 Jahren Einzug gehalten hat. "Das hat die Tierzucht nicht revolutioniert", sagt Testbiotech-Geschäftsführer Then. Wie es mit dem Klonen im nächsten Vierteljahrhundert weitergeht? Dass die Technologie doch noch Mainstream wird, glaubt Then nicht, eher das Gegenteil. "Vielleicht ist das Klonen in 25 Jahren ein Fall für's Museum."

Dieses Schicksal hat zumindest Dolly ereilt, den ersten Säugerklon der Welt: Das berühmte Schaf steht ausgestopft im schottischen Nationalmuseum in Edinburgh, wo es die Besucher freundlich und auch ein bisschen fragend aus einer Vitrine heraus anschaut.

Mit dem Klonen hatte Dollys früher Tod – eigentlich werden Schafe bis zu 20 Jahre alt – nach Angaben der Forscher nichts zu tun. Sie litt an einem durch Viren hervorgerufenen Lungentumor und an einer Gelenkentzündung im Hinterbein. Letzteres könnte eine, wenn auch nicht eine unmittelbare Folge des Klonens gewesen sein. Denn Dolly wurde für die vielen Fototermine mit Futter animiert – und war schließlich übergewichtig. (dpa)

Anja Garms

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