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Anleitung zur Auferstehung: Forscher bringen uralte Pflanzensamen zum Blühen
Seltene und ausgestorbene Pflanzenarten lassen sich aus teils 100 Jahre alten Samen wieder anziehen – wenn man weiß, wie. Versuche aus dem Labor, die Hoffnung machen.
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Was die Fortpflanzung angeht, haben Pflanzen im Laufe der Evolution ihre ganz eigenen Tricks entwickelt. Sie können ihren Nachwuchs regelrecht in die Zukunft reisen lassen.
„Die Samen etlicher Pflanzenarten können sich im Boden sehr lange Zeit schlafen legen. Sie bilden dort dann eine Samenbank“, sagt der Pflanzenökologe Peter Poschlod von der Universität Regensburg. Auf diese Weise können Pflanzenarten ungünstige Umweltbedingungen von einer Dürre bis zu einer Schadstoffschwemme abwarten. In besseren Zeiten keimen sie dann auf einmal.
Zehn Jahre und in einigen Fällen noch länger können Pflanzensamen im Boden schlafen, bestätigt der Vegetationsökologe Tobias Donath. Ein bekannter Fall aus dem eigenen Garten ist die Vogelmiere. „Die zupft man jedes Jahr, und dann ist sie im nächsten Jahr wieder da, weil sie eine reiche Samenbank im Boden hat.“
Einzelne Funde deuten aber an, dass einige Pflanzenarten noch viel weiter in die Zukunft reisen können: In einer Höhle in Israel fanden Archäologen einen 2000 Jahre alten Dattelkern – und topften ihn ein. Eine Palme wuchs heran. Genauso spross aus einem Samen des Bilsenkrautes nach 600 Jahren Nachwuchs, erzählt Poschlod.

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Das brachte den Wissenschaftler auf die Idee, an Standorten ausgestorbener Pflanzen im Erdreich nach deren Samen zu suchen. Mit einem Zylinder sticht sein Team dafür einen Kern des oberen Erdreichs heraus. Der Boden wird im Labor dünn auf Aussaatschalen verteilt. Über Monate bestimmen die Forschenden dann, welche Arten keimen.
„Es ist aber nicht trivial, einen schlafenden Pflanzensamen aufzuwecken“, stellt Poschlod klar. Kein anderer Forscher hierzulande kennt die Tricks bei an die tausend Pflanzenarten gründlicher als er.
Manche Körner muss Poschlods Team anritzen. Die Verletzung setzt die Keimung in Gang. Andere brauchen erst einmal einen Kälteschock und anschließend Wärme, um aufzuwachen. Wieder andere muss sein Team einfach liegen lassen, bis der Embryo im Inneren, von außen unsichtbar gereift ist.
Dabei glückte dem Regensburger Spezialisten jüngst eine noch unveröffentlichte Sensation. Ein Vertreter der Naturschutzbehörde in Baden-Württemberg zeigte ihm die letzten bekannten Standorte des dort fast ausgestorbenen Weiher-Veilchens. Auf Moorwiesen gedieh die zart weiß blühende Blume einst.
Es ist wichtig, diese verborgene Vielfalt im Boden bei künftigen Erhaltungsmaßnahmen zu berücksichtigen.
Peter Poschlod, Professor für Botanik an der Universität Regensburg
Poschlod nahm zwölf Liter pechschwarze Erde vom Fundort des verschwundenen Veilchens mit in sein Institut. Nicht einmal so viel, wie ein kleiner Sack Blumenerde. „Wir haben tatsächlich 14 Samen des Veilchens darin gefunden und haben hier blühende und samenbildende Pflanzen daraus ziehen können“, erzählt er.
Suche nach den letzten Standorten
Der Boden, sagt er, ist eine Schatztruhe der Pflanzensamen bedrohter Arten. Die Suche an den letzten Standorten bereits verschwundener Arten würde sich für die Rettung lohnen, so seine neue Erkenntnis. Im Einzelfall ließen sich die nachgezogenen Exemplare dann nämlich wieder auspflanzen.
„Es ist wichtig, diese verborgene Vielfalt im Boden bei künftigen Erhaltungsmaßnahmen zu berücksichtigen“, fordert Poschlod. Rote Listen müssten um die Standorte, an denen die Pflanzen zuletzt heimisch waren, und um ihr Vorkommen im Boden ergänzt werden.
In den achtziger Jahren ruhten schon einmal große Hoffnungen auf den Bodensamenbanken. „Man glaubte, wenn man Flächen nach ihrer landwirtschaftlichen Nutzung wieder sich selbst überließe, würden die ursprünglich heimischen Wildpflanzen aus der Bodensamenbank von allein wieder sprießen“, schildert Vegetationsökologe Donath.
Seltene Arten
Doch diese Erwartungen wurden enttäuscht. „Die Bodensamenbanken auf intensiv genutzten Flächen sind aufgezehrt. Oft finden wir in der Erde nicht einen einzigen Samen der seltenen Ackerwildkräuter“, berichtet er von seinen Nachforschungen. Der Grund: Alle Samen sind infolge der Düngung und über die Jahre nach und nach gekeimt. Die Jungpflanzen schafften es dann aber auf den Feldern nicht zu überleben.
An naturnahen Standorten kann ein Blick in die noch intakte Bodensamenbank nach seltenen Arten indes lohnen. Wie groß das Potenzial ist, zeigte Poschlod auch an Sumpfpflanzen. Da Flüsse begradigt und Fischteiche aufgelassen wurden, sind zwei Drittel unter ihnen bedroht. Im Schlamm von 108 Teichen in Süddeutschland fand er aber reichlich Samen von Sumpfpflanzen.
Ein Drittel der Flora ist vom Aussterben bedroht
In allen bis auf drei Teichen stieß er auf mehrere Arten der nationalen oder regionalen roten Liste. Teils waren die Samen im Boden so üppig vorhanden, dass schon ein Liter reiche Ernte brachte: bis zu 3000 Samen. Poschlod rekonstruierte, dass die Pflanzensamen bereits bis zu 100 Jahre im Schlamm der Teiche schliefen. In seinem Institut konnte er die Vegetation von damals wieder auferstehen lassen.
Ausgestorbene Pflanzen im Boden aufzuspüren, im Labor anzuziehen und wieder auszupflanzen, könnte bei sehr seltenen Arten sinnvoll sein, wenn sie an ihrem ursprünglichen Standort nun wieder gute Bedingungen haben, kommentiert der Vegetationsökologe Tobias Donath von der Universität Kiel. Auf diese Weise könnten sie punktuell wieder angesiedelt werden. Grundsätzlich sei es aber eine aufwändige und kostspielige Methode der Erhaltung von Arten.
Zweifelsohne wäre es weitaus günstiger, der Mensch würde die Arten erst gar nicht so dezimieren wie derzeit der Fall. Ein Drittel der Flora ist vom Aussterben bedroht. Die Hauptursache für den Niedergang ist zu viel Stickstoff, der in Form von Dünger ausgefahren wird und teils in die Luft geht und so auch entlegene Teile des Landes erreicht.
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