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Auf Schienen zu den Maya: Umstrittener Schnellzug durch Yucatán
Der „Tren Maya“ sollte Touristen zu den Kultstätten der Maya bringen, die Wirtschaft ankurbeln und das jahrtausendalte Kulturgut bewahren helfen. Doch einiges ging schief.
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Promeza klingt im Spanischen wie ein Versprechen: una Promesa. Mexiko-Touristen verspricht das „Programm zur Verbesserung archäologischer Stätten“, das Programa de Mejoramiento de Zonas Arqueológicas (Promeza), spannende Einblicke in die Welt der Maya-Kultur. Künftig sollen sie diese Kultstätten bequem mit einem modernen Schnellzug, dem „Tren Maya“, erreichen können.
Wichtige archäologische Funde wurden zerstört.

Nikolai Grube, Institut Archäologie und Kulturanthropologie Universität Bonn
Doch der Bau des Tren Maya hat auch zu massiven Umweltzerstörungen geführt. Für das umstrittene Prestigeprojekt des Ex-Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, wurden breite Schneisen durch die Urwälder Yucatáns geschlagen, riesige Flächen für Bahnhöfe, Materiallager und Werkhallen gerodet oder auch Stahlbetonpfeiler in Karsthöhlen gerammt. Diese „Cenotes“, die heute wichtig für die Wasserversorgung der Bevölkerung sind, galten den Maya einst als heilige Orte für Opfergaben.
„Wichtige archäologische Funde wurden zerstört“, sagt Mayaforscher Nikolai Grube vom Institut für Altamerikanistik der Universität Bonn. Mit ihm teilen „die meisten internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Sorge um den Erhalt des tropischen Waldes und den Schutz der Kulturgüter der Maya“. Auch das Unesco-Naturerbe „Reserva de la Biosfera Calakmul“, Mexikos größtes tropisches Waldgebiet, werde durch den Tren Maya zerschnitten.
Kernbereich der Maya-Hochkultur
Der Plan war ein anderer: Die 1554 Kilometer lange Eisenbahnstrecke, unterteilt in sieben Abschnitte, sollte fünf mexikanische Bundesstaaten auf und am Rande der Yucatán-Halbinsel verbinden: Chiapas, Tabasco, Campeche, Yucatán und Quintana Roo. Den Kernbereich der Maya-Hochkultur, die sich zwischen 900 vor Christus und 1550 nach Christus entwickelte. 29 archäologische Zonen, die unterschiedliche Bau- und Kunststile der Maya repräsentieren, fährt der Maya-Schnellzug jetzt an.

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Bedrohte archäologische Regionen an der Strecke zu schützen und Monumente und Strukturen vor der Zerstörung zu bewahren, war Aufgabe des Projekts „Salvamento Arqueológico“ des Nationalen Instituts für Anthropologie und Geschichte (INAH). Es betreut 193 archäologische Zonen und 162 Museen im ganzen Land, so auch den Bau des Tren Maya. Dennoch wurden Zerstörungen gemeldet: „Nachdem die Archäologen ihre Untersuchungen vor Ort beendet hatten, kam schweres Gerät und walzte alles nieder“, heißt es in einem Bericht.
Der Direktor des INAH, Diego Prieto Hernández, sieht das anders. Das Projekt habe „sehr wertvolle Informationen“ gesichert, die „unser Wissen über die große mesoamerikanische Maya-Zivilisation verändern“ würden. Es seien bislang fast 65.000 Gebäudestrukturen und knapp 2000 Haushaltsgegenstände, Werkzeuge und andere Gebrauchsgüter registriert und konserviert worden, 700 Gebeine waren aus Grabstätten geborgen und über 2000 Hinweise auf menschliche Nutzung von Höhlen und Cenotes entdeckt worden. 1600 Skulpturen, Vasen, Urnen und andere Gefäße befänden sich in Restaurierung, 1,5 Millionen keramische Fragmente harren noch der Untersuchung.
„Revolution“ in der Archäologie
Der Bonner Mayaforscher Nikolai Grube hingegen ist weniger euphorisch: „Die meisten der Tren Maya-Projekte sind noch nicht, oder nur sehr unzureichend publiziert.“ Tatsächlich gebe es keine wirklich neuen Interpretationen oder Perspektiven auf die Maya-Kultur, die sich aus den zahlreichen Zufallsfunden der archäologischen Rettung ergeben hätten. „Die eigentlichen Erkenntnisse dürften wohl im Bereich der Siedlungsarchäologie liegen.“

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Dabei spielt die LiDAR-Methode eine wichtige Rolle. Diese „Light Detection and Ranging“-Technologie habe die Forschung „revolutioniert“, sagt Grube. Angebracht an Drohnen oder Flugzeugen wird der Boden mit Lasern abgetastet, wodurch verborgene Strukturen sichtbar gemacht werden. „Wir können nun zum ersten Mal durch die dichte Urwalddecke hindurchsehen und Bodenmodelle erstellen, die uns auch kleinste Siedlungsspuren zeigen.“

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Dadurch sei es möglich, ein neues Bild von der Bevölkerungsdichte des Maya-Tieflands zu gewinnen. Die Ergebnisse zeigten, dass sie viel größer war, als man es lange Zeit angenommen hatte. „Das gesamte Maya-Tiefland war während der klassischen Zeit von 300 bis 900 nach Christus eine große Kulturlandschaft”, sagt Grube.
Ob das Versprechen des Ex-Präsidenten Obrador, der Tren Maya werde den Menschen im überwiegend armen Südosten Mexikos „Fortschritt und Wohlstand, Arbeitsplätze, Mobilität, soziale Stärke und durch den explodierenden Tourismus wirtschaftlichen Aufschwung“ bringen, von seiner Nachfolgerin, Mexikos erster Präsidentin Claudia Sheinbaum, eingelöst werden kann, ist offen.
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