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Aufarbeitung. Ravensbrück war das größte Frauen-KZ. Dort wurden Inhaftierte auch im Krankenrevier eingesetzt.

© picture alliance / dpa

Ausstellung: Häftlinge als Ärztinnen

Im KZ Ravensbrück wurden Inhaftierte zur Betreuung von Kranken eingesetzt - eine tägliche Zerreißprobe. Daran erinnert eine Ausstellung in der Charité.

Versonnen steht Jeanine Bochat vor der Fotokopie einer Zeichnung, die vor 71 Jahren entstanden ist: Sie zeigt eine schöne junge Frau. Und sie ist der Dank einer französischen Résistance-Kämpferin an Bochats Großmutter Erna Lugebiel. Beide waren Häftlinge im größten Frauen-Konzentrationslager der SS, in Ravensbrück, nur 80 Kilometer von Berlin. Lugebiel war zugleich Schreiberin im Krankenrevier. Ihrer Enkelin hat sie später immer wieder von dieser Zeit erzählt. „Auch dass sie oft Tote erst einen Tag später gemeldet hat, um die Brotrationen den Kranken geben zu können.“ Die Erzählungen prägten: Heute ist Bochat Vizepräsidentin des Internationalen Ravensbrück Komitees.

Das Porträt ihrer Großmutter ist nun auf dem Campus Mitte der Charité zu sehen, in der Wanderausstellung „… unmöglich, diesen Schrecken aufzuhalten“, die sich mit der medizinischen Versorgung durch Häftlinge in Ravensbrück beschäftigt. Dass ausgebildete Ärztinnen und Pflegekräfte, aber auch Laien in so großem Ausmaß für diese Funktionen herangezogen wurden, sei eine Besonderheit dieses KZs gewesen, sagt Kuratorin Christl Wickert bei der Eröffnung. „Die Perspektive der Patientinnen auf sie fanden wir zum Glück bei den vielen erhaltenen Zeichnungen.“ Konzipiert wurde die Ausstellung vom Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft in Kooperation mit der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, wo sie im April erstmals gezeigt wurde.

Auch Ärzte der Charité waren an grausamen Taten beteiligt

In Berlin fügt sie sich in das Projekt „GeDenkOrt.Charité – Wissenschaft in Verantwortung“ ein. Es gehöre zur traurigen historischen Wahrheit, dass sich auch Ärzte der Charité während des Nationalsozialismus in Ausübung ihres Berufes an grausamen Taten beteiligt haben, erinnerte der Charité-Vorstandsvorsitzende Karl Max Einhäupl im Vorfeld der Ausstellungseröffnung. So gehörten sieben der 23 Angeklagten im Nürnberger Ärzteprozess der Berliner Medizinischen Fakultät an.

Die Ausstellung widmet sich indes vor allem den Häftlingen, die im Krankenrevier eingesetzt waren, als Ärztinnen, in der Krankenpflege oder bei verschiedenen Hilfsdiensten. „Diese Frauen genossen Privilegien und einen gewissen Schutz, das waren begehrte Arbeitsplätze“, sagt Cordula Hundertmark, stellvertretende Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.

Zerreißprobe für die Häftlinge

Allerdings waren die, die sie bekamen, auch Tag für Tag einer Zerreißprobe ausgesetzt zwischen den Bedürfnissen der schwer kranken Frauen – die von den SS-Ärzten und -Schwestern oft als Simulantinnen eingestuft wurden – und den Befehlen ihrer Vorgesetzten. Die Ausstellung beschäftigt sich auch mit dem Werdegang der drei Häftlings-Pflegekräfte, die in den britischen Ravensbrück-Prozessen ab 1946 in Hamburg wegen Tötungsverbrechen angeklagt waren, darunter die zwielichtige, in der Nachkriegszeit medial viel beachtete Doppelagentin Carmen Maria Mory, die der Vollstreckung des Todesurteils zuvorkam, indem sie sich in der Haft die Pulsadern aufschnitt.

Wer sein Berufsethos unter den erniedrigenden Umständen hochhielt, litt angesichts der katastrophalen hygienischen Verhältnisse und der knappen Ausstattung Gewissensqualen. „Die ständige Frage: Wem gibst du die Medikamente? Ich durfte nicht parteiisch sein und auch nicht schuld am Tod einer Patientin, bei der noch der Hauch einer Hoffnung bestand“ – so beschrieb die slowenische Ärztin Majda Mackovšek es in ihren Erinnerungen.

Die Ausstellung ist bis zum 31. August montags bis freitags von 7 bis 20 Uhr im CharitéCrossOver auf dem Campus Mitte zu sehen.

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