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Berge oder Meer? Heiß oder kalt?: Die Genetik des Urlaubens
Ein Gentest-Anbieter warb einst mit personalisierten Reisezielen auf Basis genetischer Daten. Eine absurde Idee – oder steckt doch mehr dahinter?

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Es herrschten fast 40 Grad im Schatten. Nur gab es auf dem antiken Geröllfeld irgendwo in Sizilien keinen. Doch die kulturhistorische Begeisterung meines Vaters war längst entflammt.
Gefährlich gerötet und auf umgestürzte Säulen deutend, dozierte er unverdrossen über Stylobat, Echinus und Kanneluren. Der Rest der Familie hingegen konnte sich für diese spontane Lehrstunde in griechisch-römischer Architektur bei sengender Hitze nicht erwärmen.
Was einen gelungenen Urlaub ausmacht, darüber gehen die Meinungen bekanntlich weit auseinander. Während die einen tagelang über ermüdend steile Berge wandern wollen, gammeln andere lieber mit kühlem Cocktail am Strand herum.
Wenn es also eine Typ-Frage ist, welchen Zeitvertreib man wählt, spielen dann die Gene bei der Wahl des Domizils eine Rolle? Sollte man seine Wurzeln beim Buchen berücksichtigen, wie es etwa die inzwischen insolvente Gentest-Firma „23andme“ ihren Kunden nahelegte: „Wo Du Urlaub machen solltest, auf Grundlage Deiner Gene“?
Der Erbonkel ist skeptisch. Damals, auf besagtem sizilianischem Geröllhaufen, bezweifelte der schwitzende Teenager eher jegliche Verwandtschaft mit dem über Säulen kletternden Mann. Dennoch liegt es auf der Hand, dass das jeweilige genetische Rüstzeug auch die Wahl des Urlaubsortes oder der Ferienaktivitäten mitbestimmt.
Urlaubsmitbestimmende Gene
Es fängt schon bei der Anreise an. So wird die zu etwa 70 Prozent von Genen mitverursachte Reisekrankheit oder auch die Neigung zu Flugangst die Wahl des Fortbewegungsmittels maßgeblich beeinflussen.
Wer die Erfahrung gemacht hat, ein Mückenmagnet zu sein, was zu etwa 65 Prozent von diversen Genvarianten abhängt, wird tropische Regenwälder meiden oder zumindest den halben Koffer voller Insektenschutz packen. Naheliegend auch, dass Menschen mit Höhenangst, ebenfalls teilweise genetisch vorbestimmt, Klettersteige im Urlaub eher meiden werden.
Und Sahara, Death Valley oder karibische Strände werden besonders Hellhäutige spätestens nach den ersten Sonnenbranderfahrungen zu meiden lernen.

© Frank Van Hulst
Aber gerade das letzte Beispiel zeigt, dass Homo sapiens eben doch keine Maschine ist. Das Gehirn erlaubt freie Entscheidungen über instinktive Reflexe, genetisch programmierte Verhaltensmuster hinaus.
Menschen sind frei, sich das Sonnenbad zu gönnen und hohes Hautkrebsrisiko, frühzeitigen Faltenwurf und Pigmentstörungen in Kauf zu nehmen. Oder aber sie entschließen sich, ihre Gehirne komplett abzuschalten und am Ballermann ausschließlich ihren Neandertalerinstinkten zu folgen. Auch das ist, paradoxerweise, der Intelligenzfähigkeit des Menschen geschuldet.
Wie dem auch sei, der Erbonkel macht jetzt auch Urlaub. In der Bretagne. Nicht zuletzt wegen der Austern. Und ja, ob man die liebt oder hasst, auch dabei spielen Gene eine Rolle. Schöne Ferien!
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