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Eindruck aus dem BUA-Workshop für Jugendliche.

© Foto: BUA

Berlins Unis werben um Zivilgesellschaft : Jugendliche Forschungs-Scouts

Die Berlin University Alliance will Jugendliche einbeziehen, um Forschungsthemen der Zukunft zu finden. Wie funktioniert das?

Woran sollten Berlins Universitäten künftig gemeinsam forschen, was ist zukunftsrelevant? Diese Fragen machen Wissenschaftler:innen gewöhnlich unter sich aus. Doch an diesem Nachmittag im Humboldt-Forum denken darüber auch rund vierzig Jugendliche nach. Zwei davon sind Marie und Moritz, und sie haben auch schon eine Idee: „Pilze!“, sagen die beiden.

Auf den ersten Blick mag das etwas abseitig klingen. Doch die beiden können sehr schlüssig erklären, warum Pilze sehr wohl das Potenzial für ein wichtiges Zukunftsthema haben.

Diese könnten nämlich eingesetzt werden, um alternative Dämm- und Baustoffe zu entwickeln. „Nachhaltige Materialien bei Neubauten zu entwickeln, um deren Energiebedarf zu senken, ist sehr wichtig“, sagt Moritz. Sehr aktuell sei es auch, Stichwort Energiekrise und Russland.

Moritz und Marie nehmen an einem ungewöhnlichen Format der Berlin University Alliance teil: Ein Workshop für Schülerinnen und Schüler, der über mehrere Wochenende geht und in dem diese Vorschläge für die nächste „Grand Challenge“ der BUA erarbeiteten.

Die BUA will die Zivilgesellschaft einbeziehen

Das sind die umfassenden Großvorhaben der BUA, nach „Globaler Gesundheit“ und „Sozialer Zusammenhang“ soll im kommenden Frühjahr über ein drittes entschieden werden. Die Workshops gehören zu dem Ansatz des Exzellenzverbunds, mehr mit der Zivilgesellschaft zu interagieren, die Öffentlichkeit mit und für die Wissenschaft zu engagieren.

Tatsächlich. geht das Format weit darüber hinaus, was Hochschulen interessierten Laien normalerweise anbieten. In der Langen Nacht der Wissenschaften etwa präsentieren Forschende allgemeinverständlich ihre Ergebnisse. Jetzt werden die Jugendlichen selber zu Wissenschaftler:innen. Sie bereiten echte Vorlagen für die BUA vor, quasi kleine Forschungsanträge.

Ideensammlung für die „Grand Challenge“ der BUA.
Ideensammlung für die „Grand Challenge“ der BUA.

© Tilmann Warnecke/Tagesspiegel

Die erste Idee hatte Marie selber: Dass Pilze wärmedämmend wirken könnten, hatte sie im Chemieunterricht ihres Gymnasiums gehört. In den Workshops debattieren die Jugendlichen zunächst, was für sie überhaupt wirklich wichtig ist. Andere Vorschläge kommen aus Bereichen wie „Schule neu denken“, „Bio Hacks“, oder „Meere retten“.

Danach werden die Jugendlichen von Wissenschaftler:innen der BUA unterstützt: Kann das Thema überhaupt realistisch in Berlin umgesetzt werden, gibt es dazu Expertise in den Unis? Welche anderen Themenfelder können eingespannt werden? Die Vorhaben sollen schließlich transdisziplinär sein.

Moritz und Marie sitzen an diesem Nachmittag mit einer Architektin zusammen, die fachkundige Hinweise gibt. Mit Schule habe das Ganze auf jeden Fall nichts zu tun, sagt Moritz: „Das ist ein ganz anderes Arbeiten.“

Einen „radikalen Ansatz“ nennt Audrey Podann, Leiterin der Stabsstelle Science and Society an der TU, die Workshops: Es gehe um echte Partizipation. Die Unipräsidien hätten erstmal überzeugt werden müssen, ebenso Wissenschaftler:innen. In den Unis befürchteten einige, es könne der Eindruck entstehen, die BUA lasse sich ihre Forschungsthemen von außen diktieren, und das auch noch von Jugendlichen.

Dem ist natürlich nicht so, am Ende entscheiden die Präsident:innen immer noch selber. Aber, sagt Podann: „Wir wollen die originellen Ideen der Jugendlichen.“ Dank der BUA-Mittel sei es erstmals möglich, „idealtypisch“ einen solchen Beteiligungsprozess aufzusetzen.

Der BUA-Workshop mit Jugendlichen im Humboldt-Forum.
Der BUA-Workshop mit Jugendlichen im Humboldt-Forum.

© Tilmann Warnecke/Tagesspiegel

So denkt auch Wolfgang Schäffner, an der HU Professor für Wissens- und Kulturgeschichte und bei der BUA für den Wissenschaftsaustausch zuständig. „Wir müssen Berlin aktivieren.“

Die Jugendlichen würden als Akteure ernst genommen, die eine bestimmte Perspektive auf die Gesellschaft haben. „Sie haben am längsten damit zu leben, was wir heute entscheiden. Natürlich müssen die einbezogen werden.“ Der Blick von der Uni zur Schule sei enorm wichtig. Schäffner findet, Forschung sei doch eigentlich sogar spannender als Sport – nur würden den Hochschulen bisher die Formate fehlen, die Jugendliche begeistern.

Berlinweit wurde um Schülerinnen und Schüler geworben

Berlinweit habe die BUA um Schülerinnen und Schüler geworben, sagt Podann. Eher zufällig sei ein ziemlich repräsentativer Querschnitt durch die Gesellschaft zusammengekommen, Schüler:innen von Gymnasien genauso wie von Berufsschulen.

Dabei sind auch die beiden Ukrainierinnen Anastasia und Sophia, die kurz vor ihrem Studienbeginn stehen. Eigentlich war ihr Vorschlag, zu erforschen, ob es auf der Welt überhaupt Waffen geben muss. In den ersten Diskussion habe das aber wenig Resonanz gefunden, wahrscheinlich sei es einfach zu utopisch, meint Anastasia bedauernd.

Jetzt haben sie sich Plastikersatzstoffe als Thema gewählt. Die katastrophale Auswirkung von Plastik auf die Meere kennt Anastasia aus ihrer Heimatstadt Odessa, wo sie zu einer Gruppe gehörte, die Müll am Strand aufsammelte.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die BUA am Ende wirklich die Ideen der Jugendlichen umsetzt? Wenn, dann dürfte das Erarbeitete zu Unterpunkten eines übergreifenden Themas werden. Der Weg zur dritten Grand Challenge ist lang, im kommenden Jahr gibt es noch mehrere Konferenzen, bei denen auch Vorschläge anderer Akteure der Zivilgesellschaft einfließen werden und die von Forschenden selber.

Die Jugendlichen würden auf jeden Fall auch zu diesen Konferenzen eingeladen und darauf vorbereitet, sich und ihre Vorschläge dort zu präsentieren, sagt Podann. „Wir werden dafür kämpfen, dass ihre Ideen da nicht untergehen.“

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