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Plastisch. Mit einem 3-D-Ultraschall kann man das Ungeborene erkennen. Aus medizinischer Sicht ist das nicht immer sinnvoll.

© Wolfgang Henrich

3-D- und 4-D-Ultraschall während der Schwangerschaft: Bitte kein Babykino!

Mit einer neuen Verordnung soll 3-D- und 4-D-Ultraschall in der Schwangerschaftsvorsorge eingeschränkt werden – das führt zu Verunsicherungen.

Als Karola Saage (Name von der Redaktion geändert) in die Praxis ihrer Hebamme kommt, ist die Welt für sie in Ordnung: Saage ist in der 30. Schwangerschaftswoche und obwohl 42 Jahre alt, verläuft ihre Schwangerschaft unproblematisch. Die Mutter eines Fünfjährigen blickt recht entspannt auf die letzten Untersuchungstermine und die Geburt, auch wenn diese Schwangerschaft wegen ihres Alters als Risikoschwangerschaft gilt. Doch dann erzählt ihre Hebamme von einer neuen Verordnung und davon, dass Ultraschall und damit auch die Kardiotokografie, das sogenannte CTG, vielleicht doch schädlich sein könnten. Mit Hilfe des CTG können Auffälligkeiten im kindlichen Herzschlag festgestellt und bei der Geburt die Wehen der Mutter überwacht werden. „Nach dem Besuch bei meiner Hebamme war ich so beunruhigt, dass ich beim nächsten Frauenarzttermin auf das CTG verzichtet habe und auch wegen des nächsten Ultraschalls sehr verunsichert war“, sagt Saage.

Sehr wahrscheinlich unnötig, wie einschlägige Studien, die Meinung von Ultraschall-Experten und Physikern sowie ein Studienüberblick der Weltgesundheitsorganisation zeigen: „Trotz intensivster jahrzehntelanger Forschung gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft dem ungeborenen Kind schaden können“, sagt Kai-Sven Heling, Berliner Pränataldiagnostiker und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin. Im Gegenteil, die Pränataldiagnostik sorge dafür, dass Auffälligkeiten wie Herzfehler oder Nierenfehlbildungen schon im Mutterleib erkannt würden und noch vor oder direkt nach der Geburt gesundheitserhaltende oder sogar lebensrettende Maßnahmen ergriffen werden könnten. Wolfgang Henrich, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin an der Charité gibt außerdem zu bedenken: „Angesichts der Tatsache, dass 18 Prozent der Berliner Schwangeren rauchen und neun Prozent Alkohol trinken, kann die Visualisierung des Ungeborenen die Mutter-Kind-Bindung stärken und so zu einer gesundheitsbewussteren Lebensweise der Mutter führen.“

Wovon Karola Saages Hebamme gehört hat, ist die neue „Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen“ die am 31. Dezember 2020 in Kraft tritt. Ab dann ist es untersagt, das ungeborene Kind im Mutterleib mittels Ultraschall abzubilden, wenn dies nicht aus medizinischen oder Vorsorgegründen geschieht. Damit soll laut Bundesumweltministerium (BMU) jedoch nicht der Nutzen von Ultraschalluntersuchungen infrage gestellt werden. Die drei in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen Ultraschalluntersuchungen sind daher nicht von der neuen Verordnung betroffen, genauso wenig wie alle weiteren Ultraschall- oder CTG-Untersuchungen aus medizinischen Gründen. Allein das nicht medizinisch motivierte 3-D- oder 4-D-„Baby-Kino“ in Echtzeit, mitunter mit Beschallungszeiten von 30 Minuten und mehr, ist dann nicht mehr zulässig. Dies wird derzeit von Ärzten und Hebammen aber auch in kommerziellen Studios durch medizinische Laien angeboten.

„Da nicht sicher ist, ob es in dieser Länge und Intensität – vor allem bei der unkontrollierten Durchführung durch Laien – doch zur Erwärmung des menschlichen Gewebes und damit zu möglichen Schäden kommen kann, ist diese Risiko-Nutzen-Abwägung aus heutiger Sicht sinnvoll“, sagt Eberhard Merz, Professor für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Frankfurt. Dreidimensionale Ultraschalluntersuchungen haben gegenüber zweidimensionalen den Vorteil, dass mögliche Herz- oder Hirnauffälligkeiten besser gesehen werden können. Vierdimensional würde in wenigen Fällen nur für Sekunden geschallt, wenn man den Bewegungsablauf des Fetus darstellen wolle.

Beim 3-D-Ultraschall wird in Sekundenbruchteilen ein Volumen fächerförmig aufgenommen und dann im Gerät gespeichert. Im Gegensatz zur 2-D-Sonografie können dann verschiedene Untersuchungen aus dem gespeicherten Volumen vorgenommen werden, ohne dass weiterhin Schallwellen ausgesendet werden. Damit ist die Schallintensität insgesamt noch geringer als bei der herkömmlichen 2-D-Sonografie. Bei diesem Verfahren wird die Schallenergie auf ein kleines Fenster über dem Blutgefäß appliziert, allerdings nur für wenige Sekunden, um den Strömungswiderstand im Gefäß zu untersuchen. Bei einem auffälligen Gefäßwiderstand können Gefahrenzustände für das Ungeborene erkannt werden. Bei sachgerechter Anwendung dieser Technik bestehe aber auch hier kein Risiko für das heranwachsende Kind, sagt Merz. Hinzu komme, dass dieses Verfahren nur zum Teil an fetalen Gefäßen, zum anderen Teil hingegen an mütterlichen Gefäßen zum Einsatz kommt, um einen Hinweis zu bekommen, wie die Plazenta versorgt wird. „Da diese Gefäße vom Kind deutlich entfernt liegen, ergibt sich hier erst recht keine fetale Erwärmung“, sagt Merz.

Wenn Arzt oder Hebamme jedoch nebenher ein 3-D- oder 4-D-„Baby-Viewing“ anbieten, gilt dies ab 2021 als Ordnungswidrigkeit

„Problematisch kann etwas anderes sein“, sagt Henrich von der Charité. „Ein unerfahrener Ultraschaller kann durchaus falsch positive oder falsch negative Befunde vom Entwicklungsstand des Fetus erheben oder Verdachtsdiagnosen stellen.“ Ein falsch positiver Befund sei zum Beispiel die falsche Einschätzung einer zu geringen Fruchtwassermenge, was zur verfrühten Empfehlung zur Geburtseinleitung führen könne. Falsch negativ könne ein Befund beispielsweise sein, wenn der Arzt schwerwiegende Herzfehler nicht sieht, die einer Geburt am Perinatalzentrum bedürfen und unmittelbar nach der Geburt intensiv behandelt werden müssten. Wenn solche Herzfehler verkannt werden, könne das lebensgefährlich sein, sagt Henrich. Auch könnten Faktoren wie eine ungünstige Lage des Kindes oder eine Mehrlingsschwangerschaft den Befund erschweren. Daher sei es am sichersten, zur Abklärung von Chromosomenabweichungen das Ersttrimester-Screening mit vollendeter 12. bis 13. Schwangerschaftswoche und das Zweittrimester-Screening zur Beurteilung des kindlichen Wachstums und der Organentwicklung mit 21. bis 22. vollendeter Woche von einem Feindiagnostiker durchführen zu lassen, sagt Henrich.

Für die Gesundheitsvorsorge in der Schwangerschaft ändert sich laut BMU durch die neue Verordnung also nichts, und auch der Berufsverband der Frauenärzte sieht keinen Grund, die Verordnung nicht zu befolgen. Auch für Hebammen, die im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge ein CTG machen, bleibt alles beim Alten. Wenn Arzt oder Hebamme jedoch nebenher ein 3-D- oder 4-D-„Baby-Viewing“ anbieten, gilt dies ab 2021 als Ordnungswidrigkeit.

Manche Kritiker nehmen allerdings das Verbot – teilweise eventuell aus ideologischen Gründen – zum Anlass, um Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft generell als potenziell gefährlich darzustellen. Solche Einschätzungen tauchen unter anderem auf Internetseiten des Hebammenwesens, in einem Familienmagazin oder in sozialen Netzwerken wie Facebook auf. Das Ergebnis ist eine Verunsicherung von Schwangeren und Hebammen wie im Fall von Kornelia Saage. Doch auf Grundlage aller bisherigen Erkenntnisse sehr wahrscheinlich zu Unrecht.

„Angesichts der Tatsache, dass rund sechs Prozent aller Neugeborenen Fehlbildungen oder auch Störungen aufweisen, die noch im Mutterleib behandelt werden können, gleicht eine Verdammnis der Pränataldiagnostik einem Rückschritt ins Mittelalter“, sagt Merz. Andersherum könne die größte Mehrzahl der Schwangeren mittels Ultraschall beruhigt werden, dass mit ihnen und dem Kind alles in Ordnung sei, sagt Henrich. Auch Kornelia Saage sieht dies nach dem letzten unauffälligen Ultraschalltermin wieder so. Und freut sich, dass ihr Erstgeborener aller Voraussicht nach in Kürze ein gesundes Schwesterchen bekommen wird.

Eva Steiner

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