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Hendrik Streeck in einem Labor seines Instituts in Bonn.

© Federico Gambarini/dpa

Update

Coronavirus-Pandemie: Virologe Streeck sieht Lockdown, Tracing-App und Masken kritisch

Der Virologe Hendrik Streeck bewertet einige Corona-Maßnahmen kritisch. Sein Interview mit der NOZ empfindet er aber als nicht immer richtig wiedergegeben.

Von Michael Schmidt

Der Bonner Virologe Hendrick Streeck bezweifelt, dass der Lockdown im März wirklich nötig war. Nach den ersten Einschränkungen wie den Absagen von Großveranstaltungen habe das Infektionsgeschehen bereits abgenommen, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Am späteren Mittwochabend präzisierte er einige seiner Äußerungen über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Die NOZ zitiert ihn mit der Feststellung, „die weiteren Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen hätte ich dann vom tatsächlichen Verlauf abhängig gemacht" - auch um zu sehen, wie die einzelnen Beschränkungen wirken und ob zusätzliche Schritte wirklich nötig seien. 

„Dafür sind wir aber zu schnell in den Lockdown gegangen, weil die Sorge überwog, dass die Intensivbetten womöglich nicht reichen und auch ein gewisser Druck in der Öffentlichkeit bestand", so Streeck.

Auch den Nutzen der von der Bundesregierung angekündigten Corona-App zieht er in Zweifel. Sie käme „ein bisschen spät“sagte er, „zumal man nicht weiß, ob sie überhaupt etwas dazu beitragen kann, in Deutschland eine Pandemie zu kontrollieren“.

Den Nutzen der zahlreichen Corona-Tests stellte der Direktor des Instituts für Virologie der Universität Bonn angesichts der hohen Kosten ebenfalls infrage. „Je nach Labor kommen im besten Fall 59 Euro pro Test auf das Gesundheitssystem zu - bei 400.000 Stück pro Woche bedeutet es eine Stange Geld. Wenn dann noch systematisch gescreened werden soll, wird es noch mehr. Wenn wir nur 1 positives Ergebnis auf 100 Tests sehen, fragt sich ja, ob das noch lohnt.

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Streeck regte zudem eine Diskussion über die Maskenpflicht an. „Am Anfang der Pandemie wurde ja dezidiert gewarnt vor Masken. Die Gründe dafür gelten immer noch, auch wenn sie merkwürdigerweise keine Rolle mehr zu spielen scheinen. 

Die Leute knüllen die Masken in die Hosentasche, fassen sie ständig an und schnallen sie sich zwei Wochen lang immer wieder vor den Mund, wahrscheinlich ungewaschen. Das ist ein wunderbarer Nährboden für Bakterien und Pilze.“

Mit Blick auf Schulen und Kitas erklärte der Professor, „Kinder sind nicht die großen Virenschleudern“. Virologisch sei zur Frage der Öffnung alles gesagt. „Die Entscheidung muss nun politisch getroffen werden. Lehrer jedenfalls haben kein höheres Infektionsrisiko als andere Berufsgruppen, die in vergleichbarer Weise mit Menschen arbeiten.“

Am Abend gab Streeck über den Kurznachrichtendienst Twitter zu verstehen, er sehe sich in der Berichterstattung nicht zu hundert Prozent richtig wiedergegeben. „Leider“ seien mehrere Aussagen aus dem Interview „aus dem Kontext genommen worden“.

In drei Threads stellte er klar:

- zum Lockdown: „Ich habe immer die Politik für die ersten Maßnahmen gelobt. Auch sind die Politiker, diejenigen die entscheiden. Darauf habe ich immer hingewiesen. Um die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen GETRENNT beurteilen zu können, sind wir zu schnell in den Lockdown gegangen.“

- zur Maskenpflicht: „Masken wirken. Aber falsch angewendet und ungewaschen sind sie Nährboden für weitere Krankheitserreger, darauf weißt auch die WHO hin.“

- und zum Thema Testen und Nachverfolgung: „Beides ist wichtig. Wenn symptomatische Personen präferentiell Viren übertragen, sollte man diese auch präferentiell testen.“ (mit KNA)

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