zum Hauptinhalt

Wissen: Das Chaos regeln

Wie geht es weiter mit der Hochschulzulassung?

Nachdem der Start des zentralen Bewerbungsportals für Studienplätze verschoben wurde, droht Abiturienten auch in diesem Jahr wieder ein Chaos bei der Uni-Suche. Gibt es Alternativen, um die Vergabe der Studienplätze doch noch zu vereinfachen – und sicherzustellen, dass in Zeiten knapper Studienplätze nicht schon wieder tausende unbesetzt bleiben?

Der Bund solle das alte Verfahren der ZVS (Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen) als Übergangslösung wieder einführen, hat Klaus Landfried, ehemaliger Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, gefordert. Die Bewerber in überlaufenen Fächern sollten von der ZVS-Nachfolgeorganisation Stiftung für Hochschulzulassung bundesweit verteilt werden. Das alte Verfahren sah vor, dass Abiturienten ihre Bewerbung zentral bei der ZVS einreichen. Dabei konnten sie zwar Wunschhochschulen angeben, die ZVS konnte ihnen je nach Verfügbarkeit aber auch eine ganz andere Uni zuteilen.

Unter Experten an den Unis hieß es am Mittwoch, es sei technisch unrealistisch, das Verfahren kurzfristig wiederzubeleben. Landfried hält das nicht für plausibel. Die Stiftung für Hochschulzulassung verteile schließlich immer noch bundesweit die Plätze für Medizin und Pharmazie, wenn auch inzwischen nach einem komplizierteren Modus. „Man muss es nur wollen“, sagt Landfried.

Die vorübergehende Rückkehr der ZVS müsse der Bund umgehend über ein Gesetz zur Hochschulzulassung regeln, für die er noch immer zuständig ist. Über ein solches Gesetz wird bereits diskutiert. Die Fraktion Die Linke hat jetzt einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Langfristig will die Partei die Hochschulen so weit öffnen, dass eine zentrale Verteilung der Studienplätze überflüssig wird, wie aus dem Antrag hervorgeht. Nur bis die ausreichende Zahl von Studienanfängerplätzen geschaffen sei – die Linke fordert eine Erhöhung von derzeit 350 000 auf mindestens 500 000 – müsse die Vergabe der Plätze bundesweit koordiniert werden. Dabei setzt die Linke auf eine verbesserte Version des zentralen Bewerberportals.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan lehnt ein Gesetz ab. Wer jetzt „gesetzgeberischen Aktionismus“ fordere, habe nicht verstanden, worum es überhaupt geht, sagte eine Sprecherin. Der Start des neuen Systems sei wegen technischer Probleme verschoben worden; die ließen sich durch ein Gesetz nicht lösen.

Die SPD sieht in einem Zulassungsgesetz des Bundes nur eine Notlösung. Der Bund müsse erst von seiner Kompetenz Gebrauch machen, wenn die Hochschulen nach einem Neustart des Bewerbungsportals nicht bereit wären, vollzählig teilzunehmen, erklärte Bildungsexperte Ernst Dieter Rossmann.

Die Grünen wollen bundeseinheitliche Zulassungsregeln, aber nicht per Bundesgesetz. Denn dabei hätten die Länder ein Abweichungsrecht. Effektiver wäre ein einvernehmlich ausgehandelter Bund- Länder-Staatsvertrag, sagte der hochschulpolitische Sprecher Kai Gehring. Eine Rückkehr zur alten ZVS sei „keine gangbare Alternative, da es am alten bürokratischen ZVS-System auch immer berechtigte Kritik gab“.

Wer ist schuld am Scheitern von „Hochschulstart“? Von mehreren Seiten wird die Hochschul-Informations-Service GmbH (HIS) verantwortlich gemacht, die bestehende Softwaresysteme der Hochschulen an das neue Zulassungssystem anschließen sollte. Eine Stellungnahme der Stiftung für Hochschulzulassung nennt die „unklare Situation bei der technischen Anbindung der HIS-Software“ als einen der Hauptgründe für die Verschiebung des Projekts. Knut Nevermann, Staatssekretär in der Berliner Wissenschaftsverwaltung, fordert, die Rolle der HIS müsse „kritisch beleuchtet“ werden.

Ein HIS-Sprecher sagte, seine Einrichtung habe mit den Anforderungen von über 100 Hochschulen, die HIS-Software einsetzen, vor einer äußerst komplexen Herausforderung gestanden. „Auf all die Besonderheiten, Anforderungen und Möglichkeiten der einzelnen Hochschulen musste eingegangen werden.“ Der knappe Zeitplan wäre nur einzuhalten gewesen, wenn im Projektverlauf keinerlei Probleme und Verzögerungen aufgetreten wären. Zudem sei die bestehende Software-Infrastruktur der Hochschulen bei der Konzeptionierung zu wenig berücksichtigt worden.

War der Zeitplan wirklich zu knapp bemessen? Tatsächlich hat die Firma T-Systems erst vor einem Jahr begonnen, die Software für „Hochschulstart“ zu programmieren. Doch zuvor haben Bund, Länder und Hochschulen sehr viel Zeit vertan. Denn schon 2007 wurde die damalige ZVS in die jetzige Stiftung umgewandelt. Die klare Aufgabe der Stiftung war bereits damals, den Unis bei dem kommenden Studierendenansturm unter die Arme zu greifen und die Bewerbungen zentral zu verwalten. Anfangs hieß es, ein neues System könne schon im Winter 2008/2009 getestet werden. Doch der Start verzögerte sich immer wieder. Erst 2009 fiel allen Beteiligten auf, dass es gar keine Software gibt, die alle Wünsche der Hochschulen berücksichtigt. Ein weiteres Jahr dauerte es dann, bis schließlich an T-Systems der Auftrag zur Programmierung erteilt wurde.

Die 15 Millionen Euro, die der Bund für das System bereitgestellt hat, seien in diesem einen Jahr aufgebraucht worden, sagt die Stiftung. Der größte Teil floss in die Programmierung der Software, weiteres Geld ging an HIS, die Stiftung selbst sowie die Hochschulen. Welche Zusatzkosten durch die Verschiebung des Starts entstehen werden, ließe sich noch nicht abschätzen, heißt es aus dem BMBF. Zahlen müssten ab 2012 die Länder, sie hätten zugesagt, die Weiterführung des Verfahrens zu gewährleisten.

Amory Burchard/Tilmann Warnecke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false