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Die große Nabelschau: Von Flusen, Mikroben und inneren und äußeren Typen
Merz, Scholz, Habeck, Weidel – die mitunter peinliche Nabelschau der Kandidaten lässt sich vor Wahlen kaum vermeiden. Nehmen wir’s wörtlich und schauen auf die Narbe, die jeder Mensch trägt.

Stand:
Bei der Wassergeburt unserer Tochter war der Erbonkel der Erste, der sie in Händen halten und der erschöpften Mutter in die Arme legen durfte. Und der die Nabelschnur durchschnitt. Das merkwürdige, irgendwie knirschende Geräusch ist immer noch im Ohr. Die Hebamme verband den stummeligen Rest des Organs, der in den ersten Lebenstagen des frischgepressten Säuglings allmählich vertrocknete und irgendwann abfiel.
Zurück blieb der Bauchnabel, die erste „Narbe“ jedes höheren Säugetiers (mit Ausnahme der Beuteltiere). Die Frage ist nur: Warum wölbt sich dieser „Anulus umbilicalis“ mal nach innen und mal nach außen? Spielen die Gene eine Rolle?
Die meisten Menschen haben einen nach innen gestülpten Nabel, die nach außen gewachsene Form ist seltener. Welchen Typ jemand hat, ist jedoch nicht genetisch bedingt, sondern offenbar Zufall. Je nachdem, wie die „Wunde“ verheilt, die der abfallende Nabelschnurrest hinterlässt, entsteht mal eine Mulde, mal eine Wölbung. Der Nabel-Typ der Eltern spielt dabei offenbar keine Rolle, eine familiäre Häufung der einen oder anderen Form ist nicht festzustellen.
Vielmehr ist der Nabel eine sehr individuelle Sache. Zwar haben Fingerabdrücke gegenüber Nabelabdrücken offensichtliche Vorteile, wenn es um die Identifizierung einer Person etwa am Flughafen geht. Dennoch ist vor allem der Inhalt der nach innen gestülpten Bauchnabel bei jedem Menschen einzigartig.
So fand das „Belly Button Biodiversity Project“ in North Carolina insgesamt 2368 verschiedene Bakterienarten in den Bauchnabeln von rund 500 Besuchern des dortigen Naturkundemuseums. Etwa die Hälfte der Mikroben gehört zu einer der Wissenschaft bis dahin unbekannten Spezies – ein „Dschungel“, betitelte das Team des Biologen Rob Dunn ihre Forschungsarbeit. Jeder Mensch beherbergt demnach im Schnitt etwa 67 verschiedene Bakterienarten in seinem Nabel, allerdings in sehr individueller Zusammensetzung.
Und es sind nicht nur Bakterien, die sich aus dem Nabel pulen lassen. Karl Kruszelnicki von der Universität Sydney erhielt 2002 den Ig-Nobelpreis für seine Sammlung und Untersuchung von 4799 Bauchnabelflusen. Seine Forschung ergab, dass die kleinen Wollknäuel aus den Fasern der Kleidung bestehen, zusammengehalten durch abgestorbene Hautzellen. Meist seien sie bläulich gefärbt, da diese Farbe in westlichen Gesellschaften vorherrscht – eine „reiche Quelle potenziellen Wissens“, meint zumindest der deutsche Forensiker Mark Benecke.
Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.
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