zum Hauptinhalt
Ivan, der Verlässliche: Der Bus der McMurdo-Station in der Antarktis.

© National Science Foundation (NSF)/Laura Gerwin

Ein Bus namens Ivan : Der Ikone der Antarktis-Forschung droht der Schrottplatz

„Ivan the Terra Bus“ ist ein Kraftfahrzeug, wie es kein zweites gibt. Jahrzehntelang brachte er Polarforscher sicher – und oft viel zu warm – ans Ziel. Doch nun ist Schluss.

Stand:

„Die Bushaltestelle am Ende der Welt“ wäre mal ein netter Romantitel. Orte, auf die diese Beschreibung zutrifft, gibt es jedenfalls: am Nordkap zum Beispiel, oder am Cabo Fistera (Finesterre) am Ende des Jakobsweges in Spanien, wo die Pilger mit ihren geschundenen Füßen dann ganz besonders gerne einsteigen. Oder in Ushuaia ganz im Süden von Patagonien.

Es geht aber auch noch weiter südlich: Von der McMurdo-Forschungsstation in der Antarktis fährt auch ein Bus ab, vor allem zu zwei nicht ganz nahen Landebahnen, aber auch zur benachbarten neuseeländischen Scott-Station. Oder besser: Er fuhr. Denn „Ivan the Terra Bus“ wurde jetzt, zum Südherbst 2025, außer Dienst gestellt.

Wie das Webportal „Atlas Obscura“ zuerst berichtete, ist das riesige rote Vehikel mit einem der letzten Schiffstransporte des gerade zu Ende gegangenen Südsommers nach Christchurch in Neuseeland gebracht worden. Nun hoffen viele, die mit ihm besondere Erinnerungen verbinden, dass er nicht, wie zunächst geplant, verschrottet wird, sondern als Museumsstück erhalten bleibt.

30
Minuten brauchte Ivans Diesel-Maschine mindestens zum Warmlaufen.

Jedenfalls hat eine entsprechende Initiative offenbar großen Zuspruch ehemaliger Forschender und anderer Stationsmitarbeiter bekommen. Für viele scheint „Ivan“ mehr zu sein als nur ein großer alter Blechkasten.

Der Bus, produziert vom Spezialfahrzeughersteller „Foremost“ in Calgary, Kanada, wurde 1994 per Schiff ausgeliefert. „Terra Bus“ ist der Modellname des Herstellers. „Ivan“ hieß er aber noch nicht. Dafür, dass er schon ganz am Anfang als etwas anderes als einfach nur ein weiteres allradgetriebenes Vehikel wahrgenommen wurde, spricht die Tatsache, dass sofort ein Wettbewerb um einen Namen begann.

Es gewann nicht eines der erwartbaren Popkultur-Zitate, sondern „Ivan the Terra Bus“. Der Name klingt nach dem notorischen russischen Zaren, der auf Englisch eben „Ivan the Terrible“ heißt. Gleichzeitig erinnert er an die beiden Berge nahe der McMurdo-Station: „Erebus“ und „Terror“, die wiederum nach zwei ikonischen Polarforschungsschiffen benannt sind.

Ivan ist 15 Meter lang, vier Meter hoch, sein Wendekreis beträgt 22 Meter. Und mit ihm auf dünnem Eis zu fahren ist bei 25 Tonnen Leergewicht keine gute Idee.

Innen ist er offenbar recht gediegen ausgestattet, mit Power-Heizung, Holzvertäfelung und bevorzugt mit Jazz bespieltem Soundsystem für die maximal 56 Fahrgäste. Zahlreiche von Passagieren auf dem lackierten Holz hinterlassene Aufkleber erzählen inzwischen auch eine eigene Geschichte der Südpolarforschung.

Ivan ist einfach durch alles durchgekommen.

Bex Henderson, Extrembusfahrerin

Legendär ist auch seine Verlässlichkeit. Während andere Allrad-Fahrzeuge und auch der 65 Passagiere fassende, von einem Riesentraktor gezogene Kress-Anhänger in Schnee, Sturm und Eis gerne mal schlapp machten, sei „Ivan einfach durch alles durchgekommen“, so die ehemalige Antarktis-Busfahrerin Bex Henderson gegenüber der Website.

Schön mit dem Holz: Ole Zeisings Insiderbild von Ivan.

© Alfred-Wegener-Institut / Ole Zeising

Der Glaziologe Ole Zeising vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut landete im November 2022 auf einer der zwei Pisten, die Ivan anfuhr. Er war unterwegs zu einer Expedition zum Thwaites Gletscher in der Westantarktis.

Antarktische Erwärmung

„Um die Strecke von mehr als fünfzehn Kilometern nach ‘McMurdo’ zurückzulegen, stand ‘Ivan The Terra Bus’ bereit, ein in die Jahre gekommener Bus mit übergroßen Reifen für Geländefahrten“, erinnert sich Zeising. Draußen habe das Thermometer minus 26 Grad angezeigt. „Mit der warmen Polarkleidung saßen wir dicht gedrängt auf schmalen Bänken.“

Es wurde so heiß, dass ich froh war, als die Fahrt an der McMurdo-Station endete.

Ole Zeising, Gletscherforscher, Alfred-Wegener-Institut

Die 45 Minuten in Ivans Innerem hat Zeising nicht nur wegen der eindrucksvollen Fahrt „zunächst über das Schelfeis, dann auf die Ross Insel, vorbei an der Scott Base und weiter über einen Hügel nach McMurdo“ in Erinnerung, sondern vor allem wegen der legendären Heizung hinten: „Da ich genau daneben saß, wurde es während der Fahrt so heiß, dass ich froh war, als die Fahrt an der McMurdo Station endete und wir angekommen waren.“

Ole Zeising in der Antarktis.

© Alfred-Wegener-Institut / Coen Hofstede

Im gerade vergangenen Süd-Sommer machten dann Gerüchte von Ivans bevorstehender Ausmusterung und Verschiffung auf einen kalifornischen Schrottplatz die Runde. Um den langjährigen Mitarbeiter des US-Antarktis-Programms, Eric Chevreuil, fand sich aber eine Gruppe zusammen, die das verhindern wollte.

Ein erster Erfolg ist der jetzige Zwischenstopp in Neuseeland. „Ivan ist derzeit in Christchurch geparkt, während die NSF mit Partnern zusammenarbeitet, um sein langfristiges Zuhause zu bestimmen“, so die Sprecherin der Nationalen Wissenschaftsstiftung der USA (NSF), Cassandra Eichner, gegenüber dem Tagesspiegel.

Ein neuer Bus ist bislang nicht in Dienst gestellt. Die Transporte werden jetzt von anderen Fahrzeugen abgedeckt.

Damit sind ein paar der südlichsten Bushaltestellen der Welt nun also erst einmal eisige Geschichte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })