
© Wild Orca
Orca-Spiele: Fang den Wal! Oder die Jacht!
Es wurde viel darüber spekuliert, warum Orcas Boote im Mittelmeer beschädigen. Die Art macht auch andere Gewässer unsicher – alles aus einem Grund, sagen Fachleute.

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Es begann wohl als so etwas wie ein Dummejungenstreich. Aber wenn gar nicht so dumme junge Orcas (Orcinus orca) auch noch größer, schneller und stärker werden, kann ihr Spiel gefährlich werden. Leidtragende sind Boote vor Spaniens und Portugals Küsten oder in der Karibik und auch Meeresmitbewohner, die eigentlich gar nicht in ihr Beuteschema passen. Ist das Rätsel um die angeblichen Attacken der iberischen Orcas damit gelöst?
Mit diesem Ergebnis endete zumindest ein von der Internationalen Walfangkommission im Februar ausgerichteter Workshop, auf dem Forschende mit spanischen und portugiesischen Behördenvertretern die Ereignisse bewerteten. An die 700 Begegnungen von Booten und Walen waren seit 2020 erfasst worden.
Die meisten verliefen harmlos, bisweilen wurde aber das Ruder von Segelbooten beschädigt und seit 2021 haben Wale vier Jachten und zwei Fischerboote versenkt. Es gebe jedoch keine Belege dafür, dass ihr Verhalten aggressiv sei, urteilen die Fachleute. Es habe mehr mit Marotten gemein, die auch andere Populationen der Wale phasenweise entwickeln.
So erscheint es aus menschlicher Sicht grausam, ist aber wahrscheinlich auch nur spielerisch motiviert, wenn Orcas vor der nordamerikanischen Pazifikküste Schweinswale töten. Andere Populationen jagen die kleinen Wale, diese aber ist auf Lachse spezialisiert und frisst die getöteten Schweinswale auch nicht, berichteten Forschende in der Fachzeitschrift „Marine Mammal Science“. Schwertwale, so die deutsche Bezeichnung für Orcas, sind soziale Tiere. Sie können solche Verhaltensweisen weitergeben, von der Mutter an ihre Kälber, aber auch von Jungtier zu Jungtier, ähnlich Dummejungenstreichen.

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Ein weiterer Faktor begünstigt das gefährliche Spielverhalten der iberischen Schwertwale. Sie fressen vor allem Rote Thunfische (Thunnus thynnus). Deren Bestände haben in den vergangenen Jahren zugenommen und aufgrund klimatischer Veränderungen könnten sie sich anders als früher ganzjährig im Jagdgebiet der iberischen Orcas aufhalten. „Aufgrund der Bestandserholung der Thunfische haben die Wale, besonders die Jungtiere, vielleicht mehr Zeit, neue Verhalten auszuprobieren“, vermuten die Teilnehmer des Wal-Workshops.
Boote zu belästigen könnte ein solches Verhalten sein, das sich unter den Jungtieren verbreitet wie eine Challenge unter menschlichen Online-Video-Guckern.
Sind diese Erkenntnisse über das Leben der Orcas neu? Eher nicht. „So lange ein Trupp der Mordfische sich auf der Jagd befindet, eilt er ohne Aufenthalt seines Weges dahin“, schrieb der Zoologe Alfred Brehm Ende des 19. Jahrhunderts über den Schwertwal. „Gesättigt aber, gefällt er sich in wilden Spielen.“
Die Bootsbeschädigungen als umweltschützerisch oder gar antikapitalistisch motivierte Racheakte zu deuten, ist wohl nur eine moderne menschliche Marotte.
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