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Kolumne: Einreise erleichtern statt abschotten
Als wäre Forschung und Bildung gerade nicht schon schwer genug. Unser Kolumnist ärgert sich über deutsche Stöcke zwischen den Beinen ausländischer Akademiker
Stand:
An den Hochschulen herrscht Erleichterung. Laut „uni-assist“ wollen trotz Corona-Pandemie nicht einmal 20 Prozent weniger internationale Studienanfänger nach Deutschland einreisen als vor der Krise.
An den Hochschulen herrscht aber auch Sorge. Können die Bewerber wirklich kommen, oder enden ihre Aspirationen in vielen Fällen vor geschlossenen Konsulaten und Visa-Beantragungsstellen mit eingeschränkten Öffnungszeiten?
"Wichtiger Reisegrund"
Noch deutlich dramatischer scheint die Lage bei internationalen Wissenschaftlern zu sein, die für ihre Forschungsarbeit nach Deutschland kommen wollen. Besonders für Doktoranden und Postdocs. Anders als die Studierenden zählt die Bundesregierung Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nicht einmal grundsätzlich in die Gruppe Reisender aus „Drittstaaten, die einen wichtigen Reisegrund haben“.

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So wird aus Universitäten und Forschungseinrichtungen teilweise Haarsträubendes berichtet. Zum Beispiel stuft die Bundespolizei von den Akademischen Auslandsämtern ausgestellte Einreisebescheinigungen und Aufnahmevereinbarungen häufig als nicht ausreichend ein – unabhängig von der vorhandenen Finanzierung und den angestrebten Tätigkeiten der betreffenden Gastwissenschaftler.
Zusätzlich sollen Wissenschaftseinrichtungen ein ganzes Bündel an Fragen beantworten – zum Beispiel, warum die betreffenden internationalen Wissenschaftler nicht auch aus dem Heimatland arbeiten können, warum ihre Forschungsarbeit nicht von einer bereits im Land befindlichen Person ausgeführt werden kann. Oder die Universitäten sollen den wirtschaftlichen Schaden beziffern, der entsteht, wenn die internationalen Wissenschaftler aktuell nicht einreisen dürfen. Das spricht dafür, dass einigen Behörden ein einfühlsames Verständnis für die Logik von Grundlagenforschung, internationalem Wissenschaftsaustausch und akademischer Nachwuchsausbildung komplett abgeht.
Stipendien für die Weggebliebenen
Womit wir wieder bei den besonders betroffenen Doktoranden und Stipendiaten angekommen wären. Wie viele von ihnen derzeit nicht ins Land kommen können – keiner weiß es. Jetzt will sich die Allianz der Wissenschaftsorganisationen mit dem Thema beschäftigen und auf Klärung dieser und anderer Fragen drängen.
Derweil versucht die Wissenschaft, so gut es geht zu reagieren. Die Max-Planck-Gesellschaft etwa hat schon vor Monaten Covid-19-Stipendien für neue Doktoranden bereitgestellt, die wegen der Pandemie nicht einreisen können. Damit können die jungen Wissenschaftler die Wartezeit zu Hause überbrücken, Max Planck hält sie bei der Stange. Und musste erst neulich das Programm verlängern. Viele Universitäten haben dieses Geld nicht.
Es ginge - regelkonform - auch anders
Es ist ärgerlich und unverständlich, dass die Bundesregierung mit ihren Vorgaben und die Behörden mit ihrer Genehmigungspraxis den internationalen Austausch weiter ausbremsen – und damit die Forschungsarbeit an den Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen, die durch Corona ohnehin schon eingeschränkt ist. Noch dazu völlig ohne Not: Mit Corona-Tests und Pflichtquarantäne ließen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst aus Pandemie-Hotspots sicher ins Land holen.
Die Bundesregierung lobt sich gern selbst für ihre Weltoffenheit und Forschungsförderung. Deren wahre Qualität erweist sich jedoch erst in der Krise. Also: genau jetzt.
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